8. Kapitel

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Askan

Ich verwandelte mich, während ich an Kaelas Seite eilte.

"Verdammt", murmelte ich, "wach auf, Mädchen! Unsere Reise ist noch nicht zu Ende, wir sind fast da!"
Ein Stöhnen erklang und Kaela öffnete die Augen. Erleichterung durchflutete mich.

Doch als sie mich sah sprang sie mit einem entsetzten Schrei auf:
"Bleib mir vom Leib!"
Verletzt sah ich sie an.
"Naksa! Wie dumm konnte ich sein! Man muss den Namen nur umdrehen! Ich wusste doch, dass mit dir etwas nicht stimmt!", sie schüttelte verzweifelt den Kopf.
"Askan. Der Prinz der Tiger und Mörder. Na super, ich reise mit einem Killer! Wie hast du es geschafft, dass ich dir vertraut habe? Wer bist du?", ihre Stimme wurde bei den letzten Sätzen immer leiser.

"Ich weiß es nicht. Ich habe nichts getan um dein Vertrauen zu gewinnen! Und wer ich bin? Ein Monster, jetzt zufrieden?!", plötzlich wurde ich wütend.

Sie riss ihre wunderschönen Augen auf. Zu meinem Erstaunen lief ihr jetzt eine Träne über die Wange.

"Ich sollte gehen. Bitte vergess mich einfach. Und...und halte dich von meinem Stamm fern", sie drehte sich um und ging.

Ungläubig sah ich ihr nach.

Kaela

Eigentlich hatte ich schon immer gewusst wer er war. Der Gedanke hatte irgendwo in meinem Kopf gelauert und nur einen Auslöser gebraucht. Ich war verstört und verzweifelt. Ich hatte ihm vertraut! Ich hatte einem Mörder vertraut! Ich hatte dem vertraut, vor dem ich mein Leben lang gewarnt worden war. Ich war am Boden zerstört.

Ich lief einfach in irgendeine Richtung und hoffte, dass dies der richtige Weg war.

Gegen Abend kam ich an einen Fluss und seufzte vor Erleichterung. Diesen Fluss kannte ich. Dahinter begann das Kowshi Territorium. Nur noch einen halben Tagesmarsch und ich würde beim Dorf ankommen. Doch das würde ich heute nicht mehr schaffen. Ich beschloss, die Nacht am Fluss zu verbringen.

Ich suchte mir einen Platz zum schlafen. Doch der Schlaf ließ auf sich warten. Mein Magen knurrte und ich fühlte mich einsam und ausgelaugt. Meine Gedanken hielten mich wach. Irgendwann schlief ich dann doch ein.

Askan

Mein Bruder trat neben mich und verwandelte sich.
"Woher kennst du sie?", er wirkte fast peinlich berührt. Ich antwortete eine Weile nicht.

"Sie hat mich gerettet. Ich hab ihr daraufhin versprochen, sie nach Hause zu bringen", antwortete ich ihm dann kurz angebunden.

"Du wirkst unangenehm berührt, was ist los?", fragte ich dann.
"Ich bin ihr schon vor ein paar Tagen begegnet. Du weißt wie sehr ich Menschen nach allem was war misstraue. Ich wollte sie von meiner Gefährtin und auch mir fernhalten. Also beschloss ich, sie mit einem Angriff zu verjagen, aber dann stellte sich heraus, dass sie ziemlich wehrhaft war", er schüttelte missbiligend den Kopf, "dann nahm ich auch noch deinen Geruch wahr. Ich wollte dir nicht begegnen, also verschwand ich. Ich habe damals nicht darüber nachgedacht, dass ihr euch kennen könntet. Als ich sie dann aber heute sah...sie roch nach dir -", er brach ab.

"Du warst das?", wütend blitzte ich meinen Bruder an.
"Was war ich?", fragte Ravi verwirrt.
"Du hast sie verletzt und sie redet von einer kleinen Wildkatze die sie gekratzt hat", ich schüttelte den Kopf. Wieso hatte sie mir die Begegnung mit meinem Bruder verschwiegen? Andererseits hatte sie immer wieder Andeutungen gemacht. Zum Beispiel, als sie fragte, ob Menschen in das Beuteschema eines Tigers passten.

"Tut mir Leid. Ich bin zu sehr ein Tiger geworden. Es kostet so viel Kraft den Tiger zu kontrollieren und wie ein Mensch zu denken. Ich bin außerdem gerne ein Tiger", er schnurrte in die Richtung der orangefarbenen Tigerin. Diese schnurrte ebenfalls und trat dann neben Ravi.

"Ich bin Dayita", stellte sie sich vor.
"Schön dich kennenzulernen Dayita. Ihr seid Gefährten?", ich war zugleich überrascht wie erfreut.

"Dayita trägt meine Jungen", bestätigte Ravi stolz. Ich schnaubte überrascht. Damit hatte ich nicht gerechnet. Und wenn ich ehrlich war, gefiel mir das gar nicht. War meinem Bruder nicht klar, was er damit vielleicht getan hatte?

"Ich freu mich ja für euch, aber war das nicht etwas leichtsinnig Ravi? Was wenn eure Jungen so werden wie wir? Ich wünsche keinem so ein Leben!", sprach ich meine Zweifel laut aus.

"Lass das bitte unsere Sorge sein, ja?", antwortete Ravi darauf kühl. Ich seufzte nur. Ich konnte ihm ja nichts vorschreiben und außerdem war es jetzt eh schon zu spät. Ich hatte andere Sorgen. Eine davon lief wohl gerade ziellos durch den Dschungel.

"Ich sehe nach, ob Kaela sicher zur Grenze gelangt ist. Dann komme ich wieder. Wartet hier auf mich", mit diesen Worten verwandelte ich mich wieder in einen Tiger und sprang mit großen Sprüngen vorwärts. Ich wusste nicht, ob sie tatsächlich warten würden. Doch darum wollte ich mich nicht kümmern. Ich kam auch alleine zurecht. Genau wie auch mein Bruder und Dayita. Sie würden warten, wenn sie es wollten.

Ich erreichte den Grenzfluss, als es schon dunkel war. Es tat weh, wieder hier zu sein. Verborgen unter einem großen Farnwedel, scannte ich die Umgebung ab. Da entdeckte ich eine zusammengerollte Gestalt unter einem Busch. Erleichtert atmete ich auf. Das war sie. Ich erkannte ihren süßen Duft. Beruhigt wollte ich umdrehen, schaute dann aber doch noch einmal zu ihr zurück.
"Leb wohl Kaela", seufzte ich. Dann verschwand ich in die Nacht.

Auf dem Rückweg fing es an zu regnen. Ich schnaubte. Die Monsunzeit begann wieder. Der Sommer war nun entgültig gekommen. Mit vom Regen schwerem und triefenden Fell kam ich schließlich an der Stelle an, wo ich Ravi und Dayita zurückgelassen hatte. Erleichtert und freudig stellte ich fest, dass sie noch da waren. Sie hatten sich unter einem Farnbusch verkrochen. Ravis Kopf ruhte auf Dayitas Rücken. Jetzt wandte er ihn mir zu.

"Und?", fragte er nur.
"Alles in Ordnung. Sie ist Zuhause", ich seufzte und kroch zu meinem Bruder. Als ich mich neben ihn legte, zuckte er kurz zurück, schnurrte dann aber und entspannte sich wieder.

Wir schwiegen eine Weile und lauschten Dayitas Atemzügen. Dann fragte ich: "Wann wird sie werfen?"
"Wird nicht mehr lange dauern. Mitte bis Ende der Monsunzeit denke ich", antwortete Ravi. Ich schnurrte.
"Ich wünsche euch viel Glück", sagte ich dann sanft und legte meinen Kopf auf die Pfoten.
"Bleibst du nicht bei uns?", fragte mein Bruder überrascht.
"Nein, ich denke es ist besser, wenn wir unsere eigenen Wege gehen. Ich will euer Familienglück nicht stören", sagte ich.
"Das tust du nicht", widersprach Ravi.
"Ertrinke jetzt bloß nicht in Selbstmitleid", ergänzte er dann nach einer Weile.

Überrascht schaute ich ihn an: "Selbstmitleid? Wovon redest du?"
"Du wünscht dir an meiner Stelle zu sein, nicht wahr? Du sehnst dich nach der Liebe und Geborgenheit die Dayita mir gibt", klärte er mich auf. Ich musste mir eingestehen, dass er recht hatte.

"Ja, das tue ich. Du warst der Einzige der mir dies gegeben hat, als wir fortgejagt wurden. Doch als du weggingst...
Ich habe schreckliche Dinge getan Ravi. Und langsam fange ich an sie zu bereuen. Ich war kaltherzig und blind. Ich war so mit Hass erfüllt, enttäuscht und unglücklich die letzten Jahre. Bis ich Kaela begegnet bin.

Sie hat mir die Freude zurückgebracht. Sie hat mir gut getan. So wie Dayita dir guttut. Doch anders als bei dir, ist es mir nicht möglich bei Kaela zu bleiben. Sie sieht ein Monster in mir. So wie die meisten Menschen. Wahrscheinlich haben sie damit sogar recht. Ich bin ein Monster, aber eines, mit einem guten Herz. Das scheinen die Leute jedoch vergessen zu haben. Ich kann es ihnen nicht übel nehmen. Ich habe ihnen schreckliches angetan ich -",

Ravi unterbrach mich: "Du bist kein Monster Askan. Nur ein Mensch mit viel Pech, der vom rechten Weg abgekommen ist. Doch du machst dir dein Leben schwerer als es sein müsste. Lass die Vergangenheit los und lebe im Jetzt. Das macht vieles einfacher. Gute Nacht!", mit diesen Worten schloss er die Augen. Ich zwang mich, ebenfalls zu schlafen.

 Der Prinz der TigerWhere stories live. Discover now