7. Kapitel

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Kaela

Ich wurde von einer Stimme geweckt. Erst dachte ich, Naksa sei zurück, aber diese Stimme klang fremd. Erschrocken fuhr ich hoch.

"Wer..? Was..?", stotterte ich verschlafen.
"Was macht denn so ein kleines Mädchen wie du ganz alleine hier draußen?", erklang die Stimme erneut. Ich strengte meine Augen an und erahnte eine Silhouette direkt vor mir. Hastig sprang ich auf.

"Was wollen Sie von mir?!", meine Stimme klang entsetzter als sie es sein sollte.
"Wo ist der junge Mann, der dich begleitet hat?", fragte die Gestalt und trat näher.
"Welcher Mann?", irgendwie wollte ich ihm nichts von Naksa erzählen.
"Tu nicht so unschuldig! Ich weiß, dass er bei dir war!", fauchte der Fremde.

"Ich muss Ihnen gar nichts sagen! Habt Ihr mich etwa ausspioniert? Das ist ja wohl die Höhe! Und dann wohl auch noch sehr schlecht denn ich war die ganze Zeit allein!", versuchte ich es mit Angriff und lügen.  Doch die Gestalt lachte nur.

Eher gesagt Er. Ich war mir sicher, dass die Gestalt männlich war. Seine Stimme war tief und rau. Fast erinnerte sie mich an Naksas, wenn er mich abgewiesen hatte. Aufeinmal fielen mir meine eigenen Worte wieder ein: "Es heißt, er wolle ihn und seinen Bruder finden und sich für den Tod seiner Frau rächen".

War das möglich? War der Tiger den ich befreit hatte das Monster aus der Geschichte? War Naksa ebendieses Monster? Und stand ich gerade vor seinem Vater?

Egal, ich wusste, ich musste hier schleunigst weg!
Ich griff nach meinem Messer, das ich mir aus einem langem Tierzahn und Holz mit Naksas Hilfe gebaut hatte. Dann rammte ich es der Gestalt in die Seite und rannte weg.

Ich rannte und rannte. Stolperte über Wurzeln und raffte mich wieder auf. Die Sonne war schon aufgegangen, als ich anhielt. Na toll. Ich hatte mich verlaufen. Ich hatte keine Ahnung wo ich war! Erschöpft sank ich zu Boden. Ich wollte doch einfach nur nach Hause! Warum wurden mir immer wieder Steine in den Weg gelegt?!

Da hörte ich ein Rascheln und sprang auf. Beinahe gaben meine Beine vor Verzweiflung nach. Das konnte doch nicht wahr sein! Ich stolperte von einer misslichen Lange in die andere!

Vor mir stand der weiße Tiger mit den braunen Streifen. Doch er war nicht allein. Neben ihm stand ein orangener Tiger mit schwarzen Streifen. Der weiße Tiger trat näher. Er blieb direkt vor mir stehen und schnupperte. Ich wagte kaum zu atmen.

Plötzlich erklang ein gewaltiges Brüllen und es kam nicht von den Tigern vor mir.

Da war er, der weiße Tiger mit den schwarzen Streifen! Irgendwie war ich erleichtert ihn zu sehen.

Die andern Tiger drehten sich zu ihm um. Der Orangene tat plötzlich etwas sehr seltsames. Er verbeugte sich. So sah es zumindest aus. Der weiße Tiger mit den braunen Streifen neigte respektvoll den Kopf.

Kurz herrschte Stille, dann stieß der weiße Tiger mit den schwarzen Streifen ein belustigt klingendes Schnauben aus. Dann schien er mit dem anderen zu kommunizieren. Mich schienen die drei vergessen zu haben. Vielleicht sollte ich jetzt abhauen?

In dem Moment schnurrten die zwei weißen Tiger und rieben ihre Köpfe aneinander. Ich sah meine Chance gekommen und wollte mich davonschleichen.

Doch das gelang mir nicht. Der weiße Tiger mit den schwarzen Streifen hatte meine Bewegung wahrgenommen. Etappt blieb ich stehen und wartete darauf, dass er mich angriff.

Der Tiger schien jedoch genau wie ich erstarrt zu sein. Sein blassblauer Blick traf mich. Er schien genauso erschrocken zu sein mich hier zu sehen, wie ich ihn.
Plötzlich gab er ein Geräusch von sich, dass halb wie ein Aufstöhnen, halb wie ein
entsetztes Jaulen klang.

Der Tiger löste sich aus seiner Starre und trat zu mir. Auf einmal hörte ich eine Stimme in meinem Kopf: "Kaela", und vor meinen Augen verwandelte sich der Tiger in Naksa.

Das war zu viel für eine Nacht. Mir wurde schwarz vor Augen und ich fiel in Ohnmacht.

Askan

Ich hatte den Geruch von meinem Bruder aufgenommen. Ich folgte ihm und sah ihn kurz darauf zusammen mit einer Tigerdame.

"Ravi!", brüllte ich. Mein Bruder sah mir überrascht und misstrauisch entgegen.
"Ravi, unser Vater lebt noch! Er will uns töten!", fiel ich mit der Tür ins Haus, als ich bei ihm angekommen war.

"Was redest du da! Woher hast du diese Information? Hast du ihn gesehen?", fragte Ravi ungläubig.

"Nein, aber ich weiß es aus einer recht verlässlichen Quelle. Ich wollte dich nur warnen, falls es wirklich stimmt", antwortete ich.
"Machst du dir etwa Sorgen um mich?", Ravi grinste schelmisch und zeigte seine Zähne.
"Natürlich, du bist mein Bruder!", schnaubte ich liebevoll.

Ravi trat vor und rieb seinen Kopf an mir. Ich empfand pures Glück! Es schien, als wäre nie etwas zwischen uns vorgefallen.

Doch da bemerkte ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel und drehte alamiert den Kopf. Ich erwartete meinen Vater zu sehen, doch die Wahrheit erschreckte mich noch viel mehr.

Dort stand Kaela. Wie war sie hier her gekommen? Ertappt sah sie mich an. Aber da war noch etwas anderes in ihrem Blick. Erkennen und Entsetzen. Sie wusste wen sie vor sich hatte! Mein Anblick erschreckte sie! Irgendwie verletzte mich das. Ich hatte sie echt lieb gewonnen. Fast hatte ich gedacht, wir könnten Freunde werden. Doch wiedereinmal zerstörte mein Tigerproblem und diese verdammte Legende mein Leben. Die Geschichte, die so verdammt wahr war. Die mich zu einem Mörder gemacht hatte. Ich war der, der seine eigene Mutter getötet hatte.

Doch sie war nicht das einzige Opfer. Als mein Bruder mich verließ, war ich unberechenbar geworden. Ich hatte angefangen bewusst zu töten. Ich hatte angefangen Menschen zu töten.

Ich hasste die Menschen für das, was sie mir angetan hatten und ich hasste den Tiger der mir das hier aufgebürgt hatte. Ich trug so viel Hass in mir, das es damals schwer zu ertragen war. Das war es auch heute noch. Doch Kaela hatte es geschafft, den Hass und den Schmerz zu lindern. Ich hatte keine Ahnung wie sie das gemacht hatte, aber sie tat mir gut. Sollte ich jetzt wieder alles verlieren? War mir in meinem Leben einfach kein Glück vergönnt?

"Kaela", ich flehte sie förmlich an. Leider vergaß ich, dass ich in meiner Tigergestalt war und das was ich zu ihr sagte, in ihrem Kopf erklingen würde. Das gab ihr den Rest. Sie fiel vor meinen Augen in Ohnmacht.

 Der Prinz der TigerWhere stories live. Discover now