6. Ein Streit kommt selten alleine

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Mein Vater klopfte abends noch ein paar Mal an die Tür, um mich dazu zubewegen herauszukommen und etwas zu essen. Doch ich öffnete nicht. Ich wusste, was mich vermutlich erwarten würde, wenn ich herauskam und Hunger hatte ich auch keinen. Irgendwann schien ich im Sitzen eingeschlafen zu sein, als mich laute Stimmen weckten. "Wie kannst du das jetzt nur so herunterspielen?!", schrie meine Mutter. "Nichts werd ich. Schau, dass er für immer von uns Abstand hält!" Und wenig später: "Nicht mit unserer Tochter!" Ich hörte, wie jemand die Treppen heraufkam. "Anna, Schatz? Darf ich reinkommen?" Es war meine Mutter. "Was willst du?", fragte ich durch die Tür hindurch. "Ich möchte mit dir reden." Sie klang auf einmal vollkommen ruhig. Ich seufzte. Na gut. Ich erhob mich, bewegte mich in Richtung Tür und sperrte auf. Meine Mutter kam herein uns setzte sich auf mein Bett. "Setz dich bitte kurz." Ich tat wie mir geheißen. "Dieser Florian..", fing sie an und stockte kurz. "Er hat kein Recht auf irgendeine Art von Umgang mit dir.." Sie hielt wieder kurz inne. "Er hasst deinen Vater zu tiefst und versucht ihm auf diese Weise das Leben zu erschweren.." Ich sah sie an. Wenn es nicht um mich ging, sondern um meinen Vater, dann fragte ich mich tatsächlich, warum er das alles tat. Warum tauchte er dann vor unserer Haustür auf und ließ mir seine Handynummer da und hatte nicht gewartet, bis mein Vater nach Hause kam? "..Anna.. Bitte halte dich fern von ihm!", sie sah mir in die Augen, seufzte und ging aus meinem Zimmer. Und wieder hatten meine Eltern mir nicht sagen können bzw. wollen, was in Wahrheit los war und weshalb Floid so interessiert war an unserer Familie. Meine Mutter schloss die Tür hinter sich und ging wieder die Treppe runter zu meinem Vater. Ich war müde. Müde von all dieser Geheimnistuerei. Müde von all diesem Stress .. Ich hatte keine Lust mehr und ließ mich umfallen. Ich hatte nicht mal mehr genug Antriebskraft um mich noch umzuziehen bevor ich ins Bett ging und so schlief ich einfach in meinen Alltagssachen. 

"Anna? Aufstehen." Es war die Stimme meiner Mutter. Weshalb hatte mich mein Handy nicht geweckt? Hatte ich etwa verschlafen? Ich suchte nach meinem Handy. Für gewöhnlich befand es sich immer unter meinem Kopfkissen und ich war mir fast sicher, dass ich es gestern nach dem Telefonat mit Ina auch wieder hingelegt hatte, doch es lag nicht dort, wo es hätte sein sollte. Naja.. Ich konnte ja auch nach dem Frühstück noch mal mit Licht schauen. Ich schlürfte die Treppe nach unten. "Anna? Sind das noch deine Anziehsachen von gestern?!" Sie sah mich bestürzt an. Vater sah ebenfalls kurz von seiner Zeitung hoch, schüttelte leicht den Kopf und wand sich wieder seiner Lektüre zu. Ich zuckte mit den Schulter. "Ich hatte gestern keine Lust mehr mich umzuziehen.", sagte ich und gähnte. 

Nach dem Frühstück schaute ich wieder nach oben. Ich kramte mir meine Kleidung für den heutigen Tag heraus und hielt währenddessen Ausschau nach meinem Handy. Seltsam. Es konnte sich ja nicht in Luft aufgelöst haben. 

Ich stapfte vollbepackt mit Rucksack und Sporttasche nach unten. Helmut war bereits in die Arbeit gefahren. "Du hast nicht zufällig mein Handy gesehen?", meinte ich unschuldig, als ich gerade meine Brotzeit einpackte. "Ich habe gestern mit deinem Vater geredet und wir haben gemeinsam beschlossen, dass es besser wäre, wenn du die nächste Zeit ohne Handy aushältst. Nur so lange bis sich alles beruhigt hat." Ich hielt inne. Hatte ich da eben richtig gehört?! Hatten mir meine Eltern tatsächlich klangheimlich mein Handy entwendet?! Ich blickte sie mit offenem Mund an. "WAS HABT IHR?!" Ich war sauer, aber so richtig. Wie konnten sie mir nur mein Handy wegnehmen?! "Anna... Es ist nur zu deinem Besten..!" Ich konnte es nicht fassen: "EINEN SCHEIß IST ES! IHR KÖNNT MIR DOCH NICHT EINFACH MEIN HANDY KLAUEN!!!" Doch meine Mutter machte keine Anstalten auch nur irgendwie auf mich einzugehen. Stocksauer lief ich noch mal nach oben um den Zettel von Flo mitzunehmen und rannte dann aus dem Haus -nicht ohne die Haustür kräftig zuzuknallen. 

 Wie sauer ich doch war. Meine eigenen Eltern stahlen mir mein Handy. Was sollte das bitte? So was machen doch keine normale Eltern. Normale Eltern würde mit ihrer Tochter reden .. Mir rollte eine einzelne kleine Träne die Wange hinab. Meine Wut wich der Verzweiflung. Ich wollte nicht abgeschnitten sein vom Rest der Welt. Ich wollte nicht in meinem "goldenen" Käfig hocken müssen. Ich wollte nicht für etwas bestraft werden, das ich nicht verbrochen hatte. Ich hoffte nur zu sehr, dass Ina bereits in der Schule war, doch als ich das Klassenzimmer betrat, war ihr Platz leer und er blieb es auch. Ina war krank. Ich hatte gehofft über ihr Handy Flo zu erreichen. Es nagte an mir, dass ich nicht wusste, ob er bereits zurückgeschrieben hatte und vor allem was. Ich wollte mir gar nicht so recht ausmalen, was er sich jetzt vielleicht dachte. Vielleicht war er ja tatsächlich bereits wieder zurück nach Berlin gefahren.. Doch auf einmal tat sich mir ein kleiner Hoffnungsschimmer auf. Ich hatte schließlich noch mein Internet und meinen Laptop. Medien, von denen meine Eltern absolut keine Ahnung hatten, wie sie funktionierten! Flo hatte ja sicher irgendwo einen Account, über den ich ihn mit Sicherheit erreichen konnte. Nur noch der Schultag trennte mich von den Objekten meiner Begierde und so verfloss der Schultag noch zäher als sonst. 

Ich schloss die Haustür auf. Meine Mutter war tatsächlich zu Hause. Vermutlich um zu verhindern, dass eine ähnliche Situation wie gestern entstehen könnte. Ich ließ mein Mittagessen stehen und ignorierte meine Mutter, von der ich eh erstmals genug hatte. Ich verzog mich anstatt dessen sofort in mein Zimmer und klappte mein Laptop auf. Hochfahren. Komm schon. Schneller. Kennwort eingeben. Ich öffnete meine Browser und gab in die Suche "LeFloid" ein. Er lud oder zumindest hatte es den Anschein, denn nach nur wenigen Sekunden wurde mir angezeigt, dass ich nicht mit dem Netzwerk verbunden war. Wie konnte das sein? Ich blickte auf meine Empfangsbalken. Ein keines Ausrufezeichen prangerte da. Gut.. Problembehandlung starten. "Keine Verbindung zum Internet möglich." Wieso? Das Einzige, das jetzt noch ein Problem hätte darstellen können, war der Router, der bei uns im Keller stand. Ich lief förmlich nach unten und konnte es nicht fassen. Um den Router war ein Kasten gebaut worden. Ein verdammter Kasten mit Umhängeschloss! Meine Eltern meinten es wirklich ernst.. Ich schluckte. Meine letzte Hoffnung starb. Ich stapfte nach oben. "Willst du nicht etwas essen?", fragte mich meine Mutter. "Verpiss dich.", murmelte ich als Antwort. Mir war jeglicher Hunger vergangen. Ich ging in mein Zimmer und fing an zu weinen. Ich war komplett abgeschnitten von der Außenwelt. Ich war meinen Eltern einfach so ausgeliefert.

Nach einigen Stunden hatte ich mich beruhigen können und hatte eine Idee, die mir neue Hoffnung versprach. Ich hatte in der Schule die Schulblätter für Ina mitgenommen. Vielleicht konnte ich es ja schaffen unter diesem Vorwand zu Ina fahren zu dürfen. Ich versuchte eine wohlgesonne und unschuldige Mine aufzusetzen und ging nach Unten. "Kann ich noch zu Ina? Ich muss ihr noch die Blätter von heute vorbeibringen. Sie war krank." Ins Geheim drückte ich mir selbst die Daumen. Bitte. Bitte! Meine Mutter sah zu mir. "Du weißt, dass du Hausarrest hast." ..War das ihr Ernst? "Aber .. Da kann doch Ina jetzt nichts dafür. Wenn sie morgen wieder da ist, muss sie ja alles in der Schule nachtragen." Meine Mutter blieb hart. "Daran hättest du früher denken können. Du hättest die Blätter ja auch einer anderen Schulkameradin mit geben können." Ich seufzte und verzog mich wieder nach oben. 

Verwandt mit Floid?! (LeFloid FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt