Seher - Der Fluch

Kapitel 25

PoV Jeremie

Wenige Minuten später standen wir draußen vor der Hütte und warteten auf Niclas und Lana. Ich wollte nicht schon von hier fort. Möglicherweise könnte ich hier leben, zusammen mit anderen meiner Art und mehr.
Am besten sogar zusammen mit Evan. Aber dafür müsste er sich erstmal auf mich einlassen.
Er musste eine sehr gute Selbstbeherrschung haben, um sich so lange gegen seinen Gefährten zu wehren. Ich spürte selber, wie es mich mit jeder Faser meines Körpers zu ihm zog. Und dieser Drang wurde mit jeder Sekunde, die ich mit ihm verbrachte stärker. Evans Gesicht zeigte aber keinerlei Regung oder sonst irgendeine Gefühlsregung. Ebenso wenig seine Aura. Er konnte sich mal wieder sehr gut verstellen.
"Hey!" Niclas Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich sah auf. Er war hatte einen Rucksack auf den Rücken geschnallt und lächelte, als würde er sich freuen mal von hier weg zu kommen. Was wahrscheinlich auch der Fall war, immerhin lebte er schon eine Weile hier.
"Seid ihr so weit?" fragte Niclas munter und Evan brummte nur mürrisch als Antwort, woraufhin Niclas die Augen verdrehte.
"Versau uns nicht den Ausflug mit deiner schlechten Laune." Evan hob eine Augenbraue und musterte Niclas. Einen kurzen Moment sah ich seine Aura rot aufflackern. Er war wütend.
"Das ist kein Ausflug! Aber klar, dass du das so siehst, schließlich steht nicht dein Leben auf dem Spiel."
Niclas verdrehte erneut die Augen.
"Dadurch das ich euch helfe, steh ich auch auf der Todesliste des Vampirrates. Ebenso Lana. So ist es nun mal, sei doch froh, dass Jer und ich dir helfen. Sonst wärst du schon Tot." Ich sah wie Evan zusammen zuckte. Verwirrt sah ich ihn an. So eine Reaktion passte gar nicht zu ihm.

PoV Evan

Bei dem Wort 'Tot' zuckte ich unwillkürlich zusammen. Mein Tot wartete auf mich, es war unvermeidbar. Alles was ich sah, war einmal passiert. Und dann hatte ich etwas gesehen, was passieren würde.
Ich hatte noch nicht mit jemandem darüber geredet, was sollte ich auch sagen? Das ich in die Zukunft sehen konnte? Wer würde mir das schon glauben?
"Evan?" Lanas Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
"Alles okay?" fragte Jer und berührte sanft meine Schulter. Reflexartig zog ich sie weg und ignorierte Jers verkrampften Gesichtsausdruck.
Es war sicher nicht leicht mich als Gefährten zu haben und ein wenig leid tat es mir schon für ihn.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich Jers Frage nicht beantwortet hatte.
Lana trat einen Schritt nach vorne und sah mir in die Augen.
Keine Ahnung, was sie in meinem Blick suchte, aber sie schien etwas gefunden zu haben.
"Ich möchte gerne noch einmal mit Evan alleine sprechen." Jeremie verzog widerwillig das Gesicht, sagte aber nichts. Niclas schien kein Problem damit zu haben.
"Gut, dann packe ich noch ein paar Sachen für die Reise. Komm mit Jer." Jeremie seuftze, musterte mich noch einmal sehnsüchtig und ging dann Niclas hinterher, obwohl es ihn eindeutig widerstrebte.
"Evan, was verschweigst du uns?"  Ich versuchte keine Miene zu verziehen.
"Ich verschweige gar nichts." sagte ich monoton und Lana hob tadelnd eine Augenbraue.
"Niclas hat mir von eurem Gespräch erzählt. Glaubst du, du wirst sterben? Oder hast du was gesehen?" Ich seufzte leise und wandte den Blick ab. Ich wollte nicht darüber sprechen.
"Selbst wenn ich etwas in die Richtung gesehen hätte, könnte man es nicht verhindern." Lana knirschte mit den Zähnen. Anscheinend brachte ich auch sie langsam an ihre Grenzen. Früher oder später ging ich jedem auf die Nerven.
"Ich möchte nur nicht, dass du dich so darauf einfährst, dass du einfach so in den Tod läufst. Du darfst nicht nur an dich denken. Ohne dich sinken die Chancen den Rat der Werwölfe zu finden sehr und wahrscheinlich würde Krieg ausbrechen. Tausende würden sterben, auch Menschen. Und denk auch an Jeremie. Du kannst mit uns nicht ehrlich sein, aber sei es zu dir selbst. Du willst nicht, dass Jeremie was passiert, darum wolltest du ihn auch nicht dabei haben. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schmerzhaft es ist seinen Gefährten zu verlieren. Das ist das schlimmste was einem passieren kann, glaube mir." Stumm dachte ich über Lanas Worte nach.
Ich würde mich dem Tod nicht einfach hingeben, die Vampire hatten es nicht verdient, diesen Krieg führen zu dürfen und die ganzen Personen hatten es nicht verdient zu sterben.
Und ja, ich wollte auch nicht, dass Jer etwas passiert. Auch er hatte es nicht verdient.
Ich musste einfach hoffen, dass wir den Rat fanden, bevor ich getötet werde.