Kapitel 8

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»Ich verstehe das einfach nicht«, rief Cass aufgebracht und glitt von ihrer sitzenden Position in eine Liegende.

Seufzend legte auch ich meine Aufzeichnungen nieder. Seit fast 2 Stunden versuchte ich nun, Cass die Grundlagen der Trigonometrie beizubringen, doch dies erwies sich als wesentlich nervenaufreibender als zuvor angenommen, denn sie war wirklich eine totale Niete in Mathe.

Selbst bei Bruchrechnung stieg sie schon aus, bevor sie es sich überhaupt richtig durchgelesen hatte. Dies führte zusätzlich noch dazu, dass ich mit meinen eigenen Aufgaben noch kein Stück voran gekommen war.

»Ich habe dir das jetzt mindestens 10 Mal erklärt und du verstehst es immernoch nicht«, rief ich frustriert aus und legte mir genervt eine Hand an die Stirn.

Meine Gehirnzellen waren vom vielen Nachdenken, wie ich meiner besten Freundin Mathe erklären konnte, so verknotet, dass kaum mehr ein logischer Gedanke durch sie hindurch schoss.

Ich war wirklich am Ende meiner Möglichkeiten.

Zwar war ich in Mathe auch nicht unbedingt die hellste Leuchte, doch beherrschte ich wenigstens die vergangenen Themen.

In der 12. Klasse nicht mit Bruchrechnung klar zu kommen, war doch eigentlich der totale Untergang.

»Du weißt, dass ich Mathe noch nie wirklich verstanden habe. Das war schon seit der 6. Klasse so«, verteidigte sie sich aufgebracht und setzte sich wieder auf.

»Du hast es aber auch nie für wichtig gehalten, nocheinmal nachzufragen, wenn du etwas nicht verstanden hast. Wie soll ich denn jetzt mit dir die Themen der letzten 6 Jahre wiederholen ?! Da habe ich echt besseres zu tun«

Ihr Blick glitt, noch während meiner Ansprache, auf ihre Hände, welche für diesen Moment ziemlich interessant zu sein schienen.

»Du klingst schon wie meine Mutter«, murmelte sie, als ich fertig war.

Seufzend schüttelte ich den Kopf.
Das war alles, an was sie jetzt dachte ?

Ich hatte soeben 2 Stunden von meiner kostbaren Zeit geopfert, um das Unmögliche zu tun und meiner besten Freundin Mathe beizubringen und meine Ansprache ging ihr in das linke Ohr rein und kam aus dem rechten wieder heraus, ohne, dass sich der Hamster in der Mitte bewegt hatte.

»Du solltest dir dringend einen Nachhilfelehrer suchen. So geht das wirklich nicht weiter«, zischte ich und warf ihr einen bösen Blick zu.

»Bitte nicht. Du weißt, dass meine Eltern nichts von meinem Problemen in Mathe und Chemie wissen dürfen, Kay. Sie setzen mich ohnehin schon total unter Druck, wenn sie jetzt noch mitbekommen, dass ich Nachhilfe brauche, werden sie mich langsam und qualvoll zur Strecke bringen«, protestierte die Braunäugige verzweifelt.

Es stimmte, Cass' Eltern waren wirklich sehr streng und sie setzten viel zu viel auf sie. Immer sollte sie in allen Fächern die Beste sein, was ihr in unseren gemeinsamen Fächern allerdings nur selten gelang.

Niemals würden sie es zulassen, dass ihre Tochter einen Nachhilfelehrer bekommen würde, da es schließlich ihren 'Ruf' zerstören konnte.

Wenn sie einmal eine Note unter 'gut' bekam, wurde sie jeden Tag zum Lernen in ihr Zimmer gesperrt, bis sie das zu Lernende auswendig aufsagen konnte. Man konnte es mit den strengen Erziehungsmethoden nun auch wirklich übertreiben.

»Frag doch mal Dena, ob sie dir helfen kann. Ihre Eltern wollten ihr doch schon des öfteren eine Nachhilfelehrerin andrehen. Es muss ja nicht unbedingt so offensichtlich sein, dass deine Eltern etwas mitbekommen«, schlug ich vor, während ich mein eigenes Zeug aus meiner Handtasche kramte.

Ich hatte schon lange aufgehört, immer diese großen, bunten Rucksäcke mit mir durch die Gegend zu schleppen. In eine etwas größere Handtasche passte das ganze Zeug viel besser rein und es sah auch dementsprechend nicht so kindisch aus.

Zwar bekam ich von meiner Mutter immer zu hören, dass sich dies negativ auf meine Schultern auswirken würde, doch wenn sie hoffte, dass mich dies abschrecken würde, kannte sie mich wirklich sehr schlecht.

»Das ist zumindest eine Idee. Ich denke nicht, dass ich sie jetzt erreichen kann, also frage ich sie morgen einfach persönlich.«

Nickend schlug ich meinen Block auf und riss mir eine Seite heraus. Erst nachdem ich meinen Stift bereits gezückt hatte, kamen die Worte von Cass in meinem Gehirn an.

»Woher weißt du, dass sie nicht erreichbar ist ?«, fragte ich misstrauisch.

Sonst war Dena immer erreichbar. Sie war so gut wie jede freie Sekunde in ihrem Leben an ihrem Handy. Selbst beim Arbeiten.

Das hatte sie sogar schon beinahe ihren Job gekostet.

»Ihre Eltern wollten ein dringendes Gespräch mit ihr führen. Wenn sie da die ganze Zeit an ihrem Handy sitzt, würde das wahrscheinlich nicht gut für sie und das Handy ausgehen«, erklärte sie mir.

Verstehend nickte ich.

Wir wussten zwar alle, dass Denas Eltern nicht wirklich viel Zeit für ihre Tochter hatten, doch wenn sie einmal um ein Gespräch mit ihr baten, wollten sie keine Unterbrechungen.

»Weißt du, um was es geht ?«, fragte ich schließlich, da mir kein geeigneter Grund einfiel, doch auch Cass schüttelte sofort ihren Kopf.

»Nein, aber sie wird es uns sicherlich morgen erzählen«, fügte sie hinzu, weshalb ich nur seufzend nickte und mich wieder meinem, noch leeren, Blockblatt zuwandt.

Doch so sehr ich auch versuchte Geschichte in meinen Kopf zu kriegen - das Blatt blieb leer.

Noch immer schwirrte mir der Kopf von dem gescheiterten Versuch, Cass Mathe zu erklären.

Auch, dass sich eben diese neben mir ihrem Laptop gewidmet hatte und nun 'Gossip Girl' auf voller Lautstärke schaute, machte meine Situation nicht besser.

Nach weiteren 10 Minuten, in denen kein bisschen Tinte auf meinem Blatt dazu kam, seufzte ich frustriert auf, packte meine Sachen wieder ein und legte mich so hin, dass ich eine gute Sicht auf den Bildschirm hatte.

Letztendlich regten wir uns nur gegenseitig über die Hauptpersonen auf.

Während Cass Blair und Chuck nach drei Staffeln immernoch nicht leiden konnte, hatte ich schon von Anfang an ein großes Problem mit Serena.

Sie ließ es so erscheinen, als ob sie kein Wässerchen trüben könnte, doch letztendlich dennoch alles was sie wollte, während Blair um alles in ihrem Leben kämpfen musste. Selbst um ihre Familie.

Schon oft hatte ich mich über Serena aufgeregt, doch dies war letztendlich immer in eine Diskussion mit Cass ausgeartet, welche total begeistert von der blondhaarigen Schnäpfe war.

Nach weiteren 3 Folgen fiel mein Blick auf die Uhr, welche schon kurz vor 9 anzeigte.

Mit einem Ruck sprang ich aus Cass' Bett und suchte meine Sachen zusammen. Ich musste noch dringend duschen und meine Hausaufgaben machen. Ich brauchte zwar nicht lang bis nach Hause, doch brauchte ich meinen Schlaf.

Auch Cass, welche die Zeit mittlerweile bemerkt hatte, stellte den Laptop beiseite und ging mit mir nach unten.

»Soll ich noch mit dir gehen ?«, fragte sie, während ich mir meine schwarzen Stiefeletten anzog.

»Nein, es ist ja sowieso nicht weit«, lehnte ich ab, was sie mit einem Nicken quittierte.

»Dann bis morgen«, verabschiedete sie sich und zog mich nocheinmal in ihre Arme, bevor ich schnellen Schrittes das Haus verließ und mich auf den Weg machte.

Hidden - Show me your real face Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt