Zwar gefiel mir der letzte Part ziemlich gut, doch das restliche Drama konnte ich mir nun wirklich sparen.

Also blickte ich ohne ein weiteres Wort auf meinen Teller und versuchte einfach, ruhig zu bleiben und irgendeine Melodie zu summen, um mich abzulenken.

Leider war mein Kopf in diesem Moment so voller Wut, dass dieser total leergefegt war und ich mich an keine einzige Melodie erinnern konnte.

Gleichzeitig drohte er an den Kopfschmerzen, welche sich gerade auftaten, zu zerplatzen.

Von mir aus hätte er das ruhig tun können. So hätte ich das Ganze hier nicht mehr mitbekommen müssen und ich könnte einfach in meinen Träumen schwelgen, ohne gestört zu werden.

Eigentlich eine ziemlich kranke Vorstellung, wenn ich genauer darüber nachdachte, wie mein Kopf sich in Einzelteile sprengen würde.

Würde mein Körper dann auf dem Stuhl sitzen bleiben, oder würde er seine ganz normalen Tätigkeiten fortsetzen ? Das wohl eher weniger, denn ohne Kopf kein Mund, ohne Mund keine Luft und ohne Luft kein Sauerstoff, der das Herz zum Schlagen bringt.

Kopfschüttelnd verwarf ich meine völlig absurden Gedanken und nahm meine Gabel erneut in die Hand. Zwar erntete ich deshalb erneut einen aufziehenden Blick von Nathan, doch ignorierte ich dies gekonnt.

Schließlich wollte ich keinen Streit mit meiner Mutter herausprovozieren. Und da diese sich gerade angeregt mit Shannah, über ihre Arbeitszeiten unterhielt, machte sich die Stille, welche von mir ausging, sich nicht allzu bemerkbar.

»Ich habe mich diese Woche extra für die Frühschicht eingeschrieben und trotzdem brummt er mir wieder diese verdammte Spätschicht auf«, erzählte Shannah genervt.

Man sah Shannah nur sehr selten genervt, da sie meistens gut gelaunt war. Wenn sie einmal mies gelaunt war, bekam man sie entweder kaum zu Gesicht, weil sie es dann vorzog sich in ihrem Zimmer zu verkriechen, oder sie zog sich die Maske voller Selbstironie und Sarkasmus über den Kopf.

Mit Beidem war ich relativ einverstanden, denn es reichte doch, wenn ich die meiste Zeit mies drauf war.

Bei meiner Schwester würden sich definitiv nicht so schnell irgendwelche Falten durch genervtes Dreinschauen bilden. Ihr Gesicht sah selbst mit 25 Jahren noch makellos aus.

Ganz zu schweigen von ihren langen Haaren, welche sich perfekt an ihr schlankes Gesicht anpassten.

Insgeheim war ich schon immer etwas neidisch auf meine 8 Jahre ältere Schwester gewesen. Sie war schon immer der Typ Mädchen gewesen, welches allen Menschen in ihrer Umgebung nur mit einem Lächeln den Kopf verdrehen konnte.

Als sie noch jünger war, lag ihr sowohl die Männerwelt, als auch die Frauenwelt zu Füßen. Die ganze Familie war begeistert von dem Mädchen mit den leuchtend blauen Augen und auch ihre Betreuer im Kindergarten und ihre Lehrer in der Grundschule waren von Shannah begeistert, während ich immer nur die freche kleine Schwester war.

'Zu frech, zu selbstständig, zu temperamentvoll', nannte mich meine damalige Klassenlehrerin. Die anklagenden Worte zur fehlenden Erziehung meinerseits waren alle fest in meinem Kopf verankert. Zwar hatte mich meine Mutter vor ihr verteidigt und ihr gesagt, dass ich eigentlich ein ruhiges und anständiges Kind sei, was definitiv nicht der Wahrheit entsprach, doch zuhause hielt sie mir eine Standpauke darüber, dass ich ein schlechter Umgang für die anderen Kinder sei.

Dass ich jedoch kaum Kontakt zu diesen hatte, weil sie mich alle wegen meinem Babyspeck mobbten und verurteilten, erzählte ich ihr nicht.

Stattdessen ging ich, wie mir befohlen, auf mein Zimmer und dachte über mein 'schreckliches Verhalten nach', legte meine 'große Klappe' ab und wurde zum ruhigen, schüchternen Mädchen, wessen Stimme man kaum kannte.

Dieser Albtraum zog sich schließlich bis zur 8. Klasse in der weiterführenden Schule.
Nachdem ich dort auch nach drei Jahren keine richtigen Freunde hatte und überall nur als 'Kayla der Wal' oder 'das rollende Kaylafass' bekannt war, wurde es mir zu viel.

Ich veränderte meinen Klamottenstil, verdeckte mit disziplinierten Methoden meinen Bauch und begann meine Haare wieder offen zu tragen. Auch Parfume und Markenschuhe spielten eine große Rolle bei meiner Verwandlung.

Außerdem eignete ich mir mein respektloses Mundwerk erneut an und lief so selbstbewusst wie nur möglich durch die Gänge.

Eigentlich hätte ich damals Tagebuch führen sollen, um mich über die ganzen Heuchler aufzuregen..

Jeder lag mir zu Füßen und auch die Wörter 'Fass' oder 'Wal' wurden nie wieder mit meinem Namen in Verbindung gebracht.

Während ich mich vom hässlichen Entlein, zum Schwan entwickelte, macht meine Schwester in dieser Zeit eine Rückentwicklung vom Feinsten.

Sie brach ihr Abitur ab und beendete ihre Schule schließlich mit einem Realschulabschluss mit einem Schnitt von 3,4.

Außerdem ging sie immer mehr aus, brachte immer wieder neue Typen mit nach Hause und behandelte ihre Familie wie den letzten Dreck.

Die Sympathiepunkte, welche sie von Geburt an bei ihren Mitmenschen gesammelt hatte, gingen schließlich an mich über. Zwar sammelte ich die Sympathie wegen meinem losen Mundwerk nicht in solch einer Fülle wie sie damals, doch reichte es um in der Familie und im Leben einen gewissen Rang zu erreichen. Man konnte sich mit guten Noten und Geld eben doch das Leben erkaufen.

Außerdem gewöhnten sich meine Mitmenschen langsam an meine immer anhaltende, schlechte Stimmung. Und wenn sie es nicht taten, fand ich einen Weg um sie dazu zu bringen.

»Kayla ? Hörst du mir eigentlich zu ?!«, fuhr mich meine Mutter an, weswegen ich augenblicklich wieder im Hier und Jetzt landete.

Ich kniff meine Augen zusammen und sah auf den halbleeren Tisch vor mir. Nur die Gläser und mein Teller standen noch dort. Auch Nathan und Shannah waren verschwunden.

Fragend blickte ich meine Mutter an, welche ebenfalls bereits ausgestanden war.

»Ich sagte dir, da du schon nicht beim Abräumen geholfen hast, sollst du die Küche bitte aufräumen und das Geschirr spülen«, wiederholte sie.

Seufzend stand ich auf, schnappte mir meinen Teller und mein Glas und lief in die Küche, wo ich mich mit einem Spüllappen bewaffnete und anfing, wie eine Putzfrau das Geschirr zu spülen.


Hellouh 🙈 Heute mal ein etwas längeres Kapitel hehe.

Jetzt wo ihr ein wenig mehr über Kayla wisst, was habt ihr für einen Eindruck von ihr ?

Und was haltet ihr so von ihrer Familie ?

Habt ihr schon einen Favoriten aus der Geschichte ?

Ansonsten war es das wieder von mir (:
Hoffe euch geht's allen gut und wir sehen uns beim nächsten Kapitel xx

PS: Die Story ist bisher nur grob überflogen, weshalb sicher irgendwo ein paar Fehler auftauchen können. Ich werde sie wahrscheinlich erst am Ende überarbeiten :)

All the love xx L

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