24.Kapitel. Sirenen

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Es kam ihn wie eine Ewigkeit vor, die er auf dem nassen, kalten Stein lag, der von Algen bedeckt den ganzen Boden ausmachte. Langsam beruhigte sich zuerst seine Atmung und anschließend sein Herzschlag. Seine Finger waren nicht mehr taub. Das Rauschen in seinen Ohren ließ nach und gleichzeitig mit dem Geruch von Salzwasser nahm er auch die Umgebung wieder wahr. Castiel zog ihn auf die Beine und sein Blick fiel auf die Sirene die blutend und offensichtlich tot am Boden lag. Sein Großvater hatte gute Arbeit geleistet und ließ ihn nun langsam los. Nathaniel schaffte es irgendwie stehen zu bleiben, obwohl seine Muskeln noch ganz zittrig waren.
"Wir müssen hier raus.", sagte Castiel und er wollte wissen:
"Wo sind wir hier überhaupt?"
"Irgendwo mitten im Ozean.", meinte sein Großvater und Nathaniel sah ihn ungläubig an, eh dieser erklärte:
"Das ist das Schloss der Sirenen.  Wenn wir den Kerker verlassen, gibt es vermutlich nicht einmal mehr Luft."
"Also müssen wir uns etwas einfallen lassen.", stellte Nathaniel fest und sah sich noch einmal im Raum um. Was konnten sie für ihre Flucht nutzen? Mit der Leiche konnten sie nichts anfangen. Mit den Ketten wohl eher auch nicht. Plötzlich entdeckte er eine Bewegung weiter hinten im Raum und lief hinüber. An der Wand hing ein angeketteter Seemann. Nathaniel hätte versucht ihm zu helfen, doch dafür war es offensichtlich schon lange zu spät. Die Bewegung konnte also nicht von ihm stammen und er lief weiter nach hinten. Dort in der Ecke war sein Fuchs angekettet.  Nathaniel befreite ihn, doch wie sie hier raus sollten, wusste er immer noch nicht. 
Castiel schien jedoch eine Idee zu haben.
"Wie wäre eine riesige Luftblase? Wenn du mir hilfst die Oberflächenspannung zu halten würden wir einfach nach oben getrieben."
Nathaniel nickte. Das klang nach einen vernünftigen Plan aber vorher hatte er noch eine Frage.
"Wie konntest du den Zauber der Sirene brechen? Wolltest du etwa nicht an diesem schönen Ort sein?"
"Doch. Zuerst war ich überglücklich meine Tochter wieder zu sehen und du warst noch ganz klein. Aber die Sirene hatte wohl irgendetwas falsch gemacht. Ich hatte noch die Narbe auf meiner Brust, die von Darons Mordversuch stammte. Da wurde mir bewusst, dass etwas nicht stimmt und irgendwie hab ich mich gezwungen die Augen zu öffnen. Sie haben immer wieder neue Illusionen gesponnen, doch da ich nach dem ersten Mal wusste, dass sie nicht real sind, hatte ich mich immer wieder befreit. Bis sie es schließlich aufgegeben hatten,  zumindest erstmal und dann brachten sie dich hierher. Es war wirklich nicht einfach zu dir durchzudringen. Du musst etwas gesehen haben, was dir sehr gefallen hat."
Nathaniel nickte.
"Ich würde sagen, Sirenen haben eine besondere Fähigkeit die verborgenen Sehnsüchte der Menschen zu ergründen. Ich hätte sofort wissen müssen, dass es nicht echt ist.  Ich wollte nur so sehr, dass es das ist."
Er kam sich so dumm vor.
"Wie lange war ich weg?"
"Zwei Tage."
Nathaniel schluckte schwer. Zwei Tage in denen er bei der echten Avina hätte ankommen können.
"Also gut, lass uns keine Zeit verlieren!"
Er schlug die Tür auf und hielt sofort das Wasser zurück das in den Raum hinein strömen wollte. Mit Castiel zusammen erschuf er eine Blase aus Luft und rannte mit ihm durch die Gänge auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Der Fuchs folgte ihm wieder auf Schritt und Tritt. 
Endlich erreichten sie ein Fenster als sie entdeckt wurden.
Eine der Sirenen kam schnell wie ein Falke auf sie zu und Nathaniel griff an seinen Gürtel. 
Verflucht!
Natürlich war er längst entwaffnet. Schneller handelnd als deckend erschaffte er eine so starke Strömung um ihre Wasserblase herum, dass selbst eine Sirene sofort mitgerissen wurde, wenn sie ihr zu nahe kam. Schnell sprang er durch das Fenster und der Fuchs hinterher. Auch Castiel folgte und die Luftblase um sie herum wurde wieder größer als sie alle draußen waren. 
Nathaniel erhielt die Strömung als Schutz aufrecht, musste jedoch eine stelle an ihren Füßen frei lassen damit sie nicht selbst mitgerissen wurden. Hier unten war es so finster und nur wenige Sonnenstrahlen erreichten diese Tiefe. 
Aber Feuer hätte den wenigen Sauerstoff, den sie hier drinne hatten sofort verbrannt. Er brachte die blase also so schnell wie möglich nach oben. Nur was sollten sie an der Oberfläche tun? Warten bis eine Sirene sie wieder in die Tiefe zog?  Als hätten diese es gehört, tauchten sie rund um sie herum auf. Die meisten hatten stark leuchtende Augen aber auch fluoriszierende  Armreife. Nathaniel versuchte sie mit kleinen pfeilartigen Strömungen auf Abstand zu halten. Langsam bildete sich Schweiß auf seiner Stirn, das waren einfach zu viele Zauber auf einmal und er konnte nur nach ihren Augen zielen. Leider bemerkten sie das schnell und schlossen sie fast komplett so, dass es immer schwerer wurde sie zu treffen. Plötzlich umschlang etwas seinen Fuß.  Eine der Sirenen hatte die Schwachstelle in seinen Schutz entdeckt. Mit einem ruck zog sie ihn nach unten. Castiel konnte gar nicht so schnell reagieren und nur der Fuchs verbiss sich in seiner Schulter, um ihn fest zu halten. Der Schmerz peitschte durch Nathaniels Körper doch plötzlich konnte er etwas sehen. Waren das etwa die Gedanken des Dämons? 
Eigentlich egal! Er setzte es sofort in die Tat um.
Die Blase zerplatze und die Strömung  veränderter sich zu einem Strudel. Einen Strudel der sich sofort bis zum Meeresboden und zur Oberfläche ausbreitete. Sie landeten auf dem Sand und der Strudel  drehte sich um sie herum. Castiel starrte ihn ungläubig an. Er konnte nicht fassen, was für Kräfte sein Enkel hatte.
"Das ist doch unmöglich!"
"Nein, ist es nicht, es wird nur nicht sehr lange halten!"  brüllte Nathaniel gegen das Rauschen der Strömung.  Alles mögliche wurde von ihr angezogen und nach oben gestragen. Sand, Steine und Korallen doch wenn er nicht gleich fand, was er suchte waren sie verloren.  Er konnte diesen Zauber nicht mehr lange aufrecht halten. Eine Naturgewalt herauf zubeschwören war einfach zu anstrengend. Und da endlich,  als seine beine bereits zitterten sah er wonach er gesucht hatte. Er brachte den Strudel zum Stillstand und schoss sie und das Objekt mit einer Fontaine nach oben.  Sie flogen ein Stück über die Wasseroberfläche hinaus und landeten auf Holz. Den nassen, alten Holzplanken eines kleinen Fischerbootes das wohl nur aufgrund der Sirenen gesunken war. Nathaniel stützte sich erschöpft auf die Knie und hielt eine Hand über die Reling ins Wasser. Er musste jetzt Kontakt haben, um noch etwas bewirken zu können. Kaum berührten seine Fingerspitzen allerdings das Wasser schossen sie wie eine Kanone über das Wasser Richtung Land. 

Nathaniel schloss die Augen und als er sie wieder öffnete lag er auf dem warmen Sand eines Strandes. Castiel saß neben ihm und hob die Hände als er sich setzten wollte.
"Langsam.", warnte er, doch Nathaniel setzte sich ohne Rücksicht auf Verluste auf und wurde überrascht, es ging ihm erstaunlich gut. Nicht mal seine Schulter tat ihm noch weh, doch er hatte einen seltsamen Geschmack im Mund und als er ihn erkannte, sah er Castiel geschockt an.
"Du hast mir Dämonenblut gegeben!?"
"Eigentlich war er es.", antwortete sein Großvater und deutete auf den Fuchs. Bevor Nathaniel wieder herum schreien konnte, sagte er aber:
"Du solltest dankbar sein. Sein Biss hatte dich ganz schön verletzt und du weißt, wie leicht sich Dämonenbisse infizieren können. Außerdem warst  du völlig verausgabt. Die Sirenen hatten uns beiden ja viel Energie geraubt und du hast trotzdem so einen wahnsinnigen Zauber veranstaltet. Ich hab hier weder Kräuter, noch sonst etwas. Ich hätte dir nicht helfen können, doch sobald das Blut deine Lippen berührt hatte, warst du nicht mehr so blass und die Wunde ist schnell verheilt. Dir scheint es einfach blendend zu gehen."
Nathaniel nickte und seufzte:
"Ich weiß. Es gibt nichts, was mich stärker macht. Nur wäre es mir lieber, wenn ich darauf verzichten könnte."
Castiel nickte verständnisvoll.
"Aber dennoch hat es dir gerade das Leben gerettet. Vielleicht solltest du es nicht komplett negativ sehen."
Nathaniel stand auf.
"Ist ja jetzt auch egal, wir müssen weiter. Ich darf nicht zu spät kommen, sonst ist Avina verloren."

Larwenia Band 6 - Lord of Dark and DespairOnde histórias criam vida. Descubra agora