6. Kapitel mal kurz abseits der Wege

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Selina löste sich nach einer Weile von William und stand auf. Er wischte sich über die Wangen.
"Was sollen wir jetzt machen?", fragte er leise. Selina sah zum Fenster.
"Darauf vertrauen, dass Avina sich allein daraus befreien kann."
"Und was wenn sie es nicht kann?" Darauf sah sie wieder zu ihm.
"Will, deine Schwester ist nicht mehr wehrlos. Sie kann super mit dem Schwert umgehen und wenn man ihr das abgenommen hat, dann hat sie mit Sicherheit noch ein paar Edelsteine in den Taschen ihrer Kleidung. Matthis hat ihr genug beigebracht, damit sie sich selbst und andere schützen kann."
Er seufzte nachdenklich.
"Sie hatte mir von eurem Training erzählt und auch, dass ihr mit dem Bogen trainiert habt. Ich würde gerne einmal sehen, wie du schiesst."
Sie überlegte kurz, dann fing sie an zu grinsen.
"Wie wäre es, wenn wir jagen gehen? Nicht als Wölfe, sondern auf Pferden mit den Bögen.", schlug sie vor.
"Da könnte sogar dein Bruder mitkommen.", sagte er.
Selina rollte mit den Augen.
"Sofern er mitkommen möchte. Ein Pferd könnte ihn zwar mittlerweile tragen, aber vielleicht will er lieber hier bleiben." Er zuckte mit den Schultern und sah ihr ins Gesicht.
Sie wandte sich zum Fenster und sah hinaus. Dann öffnete sie es und schrie hinunter in den Hof:
"Hey, du feiges Kätzchen. Wo willst du hin?" Will grinste als er ebenfalls aus dem Fenster sah. Unten im Hof lief Grim in Tigergestalt auf das Schlosstor zu.
Grim antwortete ihr mit einem Fauchen.
"Fauch mich nicht an, Katze! Sag mir lieber, wo du hin willst."
"Ich will in den Wald ein bisschen jagen gehen. Wollt ihr mitkommen?", antwortete er.
"Das fragst du noch? Klar wollen wir mit.", antwortete Selina.
"Dann beweg deinen faulen Hundehintern."
"Wenn hier jemand faul ist, dann du, Katze.", konterte sie und schloss das Fenster, dann drehte sie sich zu Will um und sah ihn auffordernd an.
"Hast du den Kater nicht gehört? Du sollst deinen faulen Hundehintern bewegen.", grinste sie, zog sich das Kleid über den Kopf und verwandelte sich. Sie lief zur Tür und öffnete diese mit dem Maul. Es war etwas kompliziert aber es funktionierte. Sie schlüpfte durch den Türspalt und lief die Treppen hinunter. Das Schlossportal hatten die Wachen freundlicherweise schon geöffnet und so konnte sie problemlos in den Hof laufen. Bei Grim blieb sie stehen und sah zurück.
"Wo bleibt denn dein Gefährte? Er soll sich beeilen. Ich habe Hunger.", murrte er nach einer Weile. Selina warf ihm lediglich einen Seitenblick zu, lief zurück zum Schlossportal und sah die Treppe hinauf.

Sie konnte kaum glauben, was sie da sah. Der riesige schwarze Wolf, den sie ihren Gefährten nannte, stand auf den obersten Stufen der Treppe und schien nicht recht zu wissen, wie er vorran kommen sollte, ohne sich selbst zu verletzen. Er sah so verloren aus, dass Selina sich das Kichern nicht verkneifen konnte, das ihr schon im Hals steckte. Natürlich hörte er es und sah auf. Kurz schien er unschlüssig was er nun tun sollte, um nicht als kompletter Trottel dazustehen, verwandelte sich dann aber in einen Raben und flog zu ihr hinunter. Neben ihr landete er und verwandelte sich wieder in einen Wolf.
"Das war nicht lustig.", knurrte er gespielt böse.
"Doch war es.", sagte sie und zwickte ihn spielerisch ins Ohr, bevor sie davon rannte. Da Grim ihr folgte blieb ihm nichts anderes übrig als den beiden zu folgen.

Sie liefen in den Wald der östlich vom Schloss lag und folgten einer frischen Rehfährte, die in Richtung See führte. Grim rannte vor ihnen, da er derjenige sein wollte, der das Reh erlegte. Selina hingegen wollte einfach in ihrer Wolfsgestalt außerhalb des Schlosses sein. Sie genoss das Gefühl der Freiheit, wenn sie so durch den Wald streifte. Sie ließ sich etwas zurückfallen und sah sich um. Ihr fiel ein weiterer kleiner Trampelpfad auf der Richtung Norden führte. Neugierig folgte sie ihm, da er ihr vorher noch nie aufgefallen war. Der Pfad führte auf einen Hügel hinauf und wurde nach einer Weile etwas steiler. Er führte durch Hecken und Büsche. Gerade als sie wieder umdrehen wollte, kam sie am Ende des Weges an. Hier endete auch der Hügel. Vor ihr lag eine freie Fläche auf der einige Kiefern standen. Langsam trat sie aus den Büschen heraus und betrachtete ihre Umgebung. Die Lichtung wurde von dichten Hecken umrandet, nur an einer Seite nicht. Langsam trat sie dorthin und fand sich an einer Felskante wieder. Unter ihr fiel der Boden etwa zwanzig Meter ab.
Unten im Wald konnte sie ihr Rudel sehen, das sich dort sammelte. Sie hatte hier einen guten Überblick über den ganzen Nordwald. Man konnte von hier aus bis nach Sidian sehen. Die Stadt war nur ein dunkler Fleck am nordöstlichen Horizont am Fuß der Berge, doch konnte man die Statue leicht erkennen, die auf dem riesigen Marktplatz stand.
Sie setzte sich ins Gras und sah träumerisch weiter gen Norden, irgendwo dort, zwischen den Bergen lag ihre Heimat Hagenfels. Wie gern würde sie die Stadt mal wieder sehen. Vielleicht könnte sie irgendwann einmal mit William dorthin gehen. Sie seufzte leise. Wenn erst dieser Krieg vorbei wäre und sich alles wieder normalisiert hätte.

Larwenia Band 6 - Lord of Dark and DespairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt