12. Kapitel. der Plan

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Selina sah von ihrem Buch auf, als sich die Tür der riesigen Bibliothek öffnete und Nathaniel herein kam.
"Du wolltest mit mir sprechen? Was ist los?", fragte er verwirrt und der Fuchs an seinen Beinen schnüffelte in ihre Richtung. Seine vielen Schwänze peitschten nervös hin und her.
"Ich wollte mit dir reden, weil ich Informationen für dich habe. Informationen die bei deiner Suche nach Avina helfen könnten." Sie stand auf und ging zu der großen Landkarte von Larwenia und den Nachbarländern. Nathaniel näherte sich ihr misstrauisch.
"Ich hatte neulich Nacht wieder eine Vision.", sagte sie ohne Umschweife, "In dieser Version war Avina in einer Kutsche eingesperrt und Daron ritt in der Nähe. Er sprach von der baldigen Zwangshochzeit von Avina und dem Prinzen von Kalistrien. Er würde bis dahin dort bleiben und dafür sorgen, dass Kalistrien sein Wort hielt und er die gewünschte Unterstützung bekam. Also musst du vorsichtig sein, wenn du in Kalistrien bist. Du kannst allerdings nicht durch Xadrien reisen. Die Schiffe fahren sowieso nicht mehr rüber und Rose scheint im oberen Teil des Landes ihre gesamten Dämonen versammelt zu haben. Außerdem würde der Landweg zu lange dauern." Sie sah ihn eindringlich an.
"Du musst über das Meer nach Kalistrien gelangen. Es wird nicht leicht werden. Du musst dafür sorgen, dass du nicht zu nah an die Klippen gelangst, falls es dort wirklich Sirenen geben sollte. Das Wetter musst du auch im Auge behalten. Es ist zwar kein offenes Meer aber es ist genug Kraft im Wasser, um tödlich zu sein."
Er nickte und sah ihr misstrauisch in die Augen.
"Weiß Will von dieser Vision?"
"Nein ich glaube nicht, dass er noch mehr schlechte Informationen vertragen könnte. Es ist genug los, das ihm Sorgen bereitet.", sagte sie und sah in die Ferne.
"Ich nehme an, dass du jetzt am liebsten mit mir nach Kalistrien kommen würdest."
"Nathaniel, ich könnte nicht mit, selbst wenn ich es wöllte. Mir sind die Hände gebunden. Ich kann nicht mit, weil ich mich in Sicherheit bringen will, außerdem will Will das auch. Ich will nichts weiter von dir als, dass du vorsichtig bist und Avina gesund heim bringst."
"Natürlich will William, dass du und das Kleine in Sicherheit seid, nur fürchte ich, dass Hagenfels auf Dauer auch nicht sicher sein wird, auch wenn es der nördlichste Punkt von Larwenia ist.", sagte er und lehnte sich an die große Karte an der Wand.
Sie schüttelte den Kopf.
"Ich habe mit Will ausgemacht, dass er mich spätestens am Anfang des Sommers abholt und wenn er das nicht tut oder die Lage sich zuspitzt und es in Hagenfels auch nicht mehr sicher ist, werde ich nach Osten gehen, um vorerst bei den Drachen Schutz zu suchen."
"Was ist eigentlich mit ihnen? Unterstützen sie Larwenia?"
"Sie unterstützen ihre ausgehandelte Freiheit.", sagte sie und setzte sich in einen Sessel.
"Sie dürfen frei im Land umherwandeln, solange sie keine Menschen fressen oder sich am Nutzvieh vergreifen." Er nickte verstehend und setzte sich in den Sessel der neben ihrem stand. Scheu schnupperte der Fuchs an ihrem Bein und wich zurück als sie knurrte.
"Was hast du gegen ihn?", fragte Nathaniel plötzlich.
"Ich weiß es nicht genau. Ich traue ihm nicht.", erwiederte sie und ließ den Fuchs nicht aus den Augen.
Nathaniel lachte leise.
"Das werden deine Mutterinstinkte sein."
"Keine Ahnung. Sei trotzdem vorsichtig mit ihm. Nyx ist mir da um einiges lieber. Sie ist umgänglich und vertraut.", murmelte sie und lehnte sich zurück. Kaum berührte ihr Rücken die Lehne, durchzuckte ein Schmerz ihren Bauch und ließ sie sich zusammenkauern, soweit es in dem Sessel möglich war. Sie winkelte die Beine in dem Sessel an und war froh heute kein Kleid zu tragen, sondern eine weite Hose und ein weites Oberteil, sodass ihre Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt wurde. Der Schmerz klang langsam ab und sie atmete durch.
"Was war das?", fragte Nathaniel.
Verflucht. Wieso war er noch hier?
"Selina, was ist los? Ich habe deinen Gesichtsausdruck gesehen."
"Kind ist los. Es verwandelt sich und dann zieht es im Bauch. Am Anfang war es noch ganz leicht aber langsam wird es stärker. Grim meinte, dass das normal ist." Er beobachtete sie skeptisch.
"Weisst in welcher Gestalt es gerade ist?"
"Nein. Ich habe aufgehört es zu verfolgen.", murmelte sie und strich mit der Hand über den Babybauch.
"Willst du es wieder verfolgen können? Dazu musst du dich aber gerade auf den Rücken legen." Sie nickte, ging zu dem langen Sofa und legte sich darauf. Nathaniel stand neben dem Sofa und streckte die Hände über ihren Bauch aus. Er fing an zu murmeln:
"Menschliche Gestalt und ...", die Tür wurde zugeschlagen und riss beide aus den Gedanken. Erschrocken starrten sie zur Tür.
"Wer zum Henker war das?", fragte er.
Selina schnupperte und knurrte. Mit ihr knurrte der Dämon und kratzte an der Tür. Selina lief zur Tür, öffnete sie und ließ den Dämonen raus. Er rannte den Gang entlang und um die Ecke. Kurz darauf fiel etwas schweres dumpf auf den Boden. Selina eilte dem Geräusch hinterher und als sie um die Ecke bog blieb sie stehen und sagte:
"Eigentlich sollte er dich zerfleischen und ich würde es ihn auch tun lassen, wenn du nicht sofort sagst, was du vorhattest."
Der Dämon stand auf dem Rücken ihres Bruders und hielt ihn im Nacken fest. Nathaniel stand neben ihr und sah ihn an.
Luke versuchte still zu liegen, was nicht funktionierte, da er wie Espenlaub zitterte.
"Ich dachte, er verzaubert dich. Er manipuliert dich, um sein Ziel zu erreichen. Nämlich Larwenia zu Fall zu bringen, weil er ein verdammter Spion ist, aber scheinbar habe ich mich geirrt, du bist genauso fies wie vorher."
Nathaniels Geduldsfaden riss.
"Was für einen Grund sollte ich haben, um auf Darons verdammter Seite zu sein?", fragte er gefährlich leise.
"Ich würde Selina niemals verhexen. Auch würde ich Avina niemals für meinen Vater verlassen. Ja, du hast richtig gehört. Mein Vater ist Daron. Der Mann hat dafür gesorgt, dass ich keine Familie mehr habe. Ich habe also genug Gründe, um gegen ihn zu sein.", zischte er verächtlich.
"Er hat lediglich nach dem Baby gesehen, ob es ihm oder ihr gut geht.", fügte Selina hinzu. Sie hasste ihren Bruder so sehr für seine Dummheit.
Nathaniel pfiff den Dämonen von Luke herunter, welcher eilig aufstand und verschwand.
Sie liefen zurück in die Bibliothek und Selina setzte sich. Nathaniel ging zu einen Bücherregal und fischte ein kleines Buch heraus und begann dann in einem Sessel zu lesen. Sie spürte seine Wut, die er zu unterdrücken versuchte. Er hatte so die Nase voll davon immer, wie ein Verräter behandelt zu werden, egal in welchem Land er war.
"Wie geht es dem Kleinen? Ist es gesund?", fragte sie und er hob den Blick. Die Wellen der Wut flauten ab und er lehnte sich zurück.
"Es geht eurem Kleinen gut. Es war in menschlicher Gestalt."
Es klopfte und Will streckte den Kopf zur Tür rein.
"Wieso kam Luke gerade eben zu mir und wetterte über dich und Nathaniel?", fragte er und trat ganz ein. Er kam zu ihnen hinüber und setzte sich in einen der Sessel.
"Mein geliebter Bruder kam einfach herein und glaubte, dass Nathaniel mich verhexe, weil er in Darons Dienst steht und Larwenia zu Fall bringen will.", meinte sie und schüttelte frustriert den Kopf.
Wie konnte sie mit so jemanden blutsverwandt sein?
"Und was ist wirklich passiert?", fragte Will.
"Nathaniel hat mich magisch gescannt, um nach unserem Kleinen zu schauen. Dann hat Luke uns unterbrochen und ist dann geflüchtet. Der Fuchsdämon hatte ihn dann aufgehalten. So konnten wir dann klarstellen, dass Nathaniel kein Spion ist.", sagte Selina und beobachtete Wills Gesichtszüge. Er verdrehte die Augen bezüglich Luke, wandte sich dann aber an Nathaniel.
"Hast du etwas sehen können? Wie geht es dem Kleinen?", fragte er im ruhigen Ton.
"Ich sage jetzt das Gleiche zu dir, was ich auch eben zu Selina gesagt hatte. Es geht dem Kleinen gut. Es wächst und scheint gesund zu sein. Und falls einer von euch das Geschlecht erfahren möchte, kann ich es auch gleich sagen.", grinste er.

Larwenia Band 6 - Lord of Dark and DespairWhere stories live. Discover now