Juliet

Einunddreißig

„Wie soll uns Simon eigentlich helfen?", fragt Julie, leicht außer Atem. Meine Idee kam mir selbst so genial vor, dass ich sie sofort in die Tat umsetzen wollte. Ohne Julie weitere Fragen zu beantworten habe ich sie also davon überzeugt, sich anzuziehen, und habe sie nach draußen bugsiert.

Jetzt stehen wir draußen vor der Tür und sind eigentlich schon auf dem Weg zu Simons Wohnung. Ich wohne quasi schon bei Julie, bezeichne Simons Wohnung gar nicht mehr als meine, auch wenn in den Mietverträgen etwas anderes steht.

„Sein Vater ist Anwalt."

„Und?", fragt Julie skeptisch. „Das macht Simon jetzt ebenfalls zu einem perfekten Anwalt, der mir Thomas vom Hals schaffen kann oder was? Kleine, weißt du überhaupt, was du da gerade vorhast?" Sie klingt nicht gerade überzeugt und jetzt, wo ich wirklich darüber nachdenke, hat sie eigentlich auch recht. Was genau erwarte ich von Simon? Ich habe keine Ahnung.

„Weiß ich nicht", gebe ich schulterzuckend zu. „Ich denke, wir können ja wenigstens mit seinem Vater reden. Vielleicht kennt er ja jemanden, der uns wirklich helfen kann."

„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?", fragt Julie und klingt gar nicht mehr so ruhig. Augenblicklich ist sämtlicher Enthusiasmus meinerseits verschwunden. Habe ich was falsch gemacht? Unsicher sehe ich sie an. „Ach, Alexa..."

„Was denn?", frage ich, wobei ich schon an mir selbst und meiner Idee zweifle. Sie hat recht, oder? Ich hätte die Idee erst einmal durchdenken sollen, und nicht wie blöd losrennen sollen.

„Hey, ist echt nicht böse gemeint, aber ich möchte da nicht unbedingt mit Fremden drüber reden." Sie beugt sich zu mir und gibt mir einen kurzen Kuss auf die Wange. „Weißt du, für mich ist das etwas sehr Privates, deshalb habe ich es dir auch nicht vorher gesagt. Tut mir leid."

Ein paar Momente stehen wir uns wortlos gegenüber. Ich habe meine Handschuhe oben vergessen, also wird mir langsam kalt. Julie seufzt, senkt den Blick auf unsere Füße und tritt einen Schritt näher zu mir. „Sorry, Kleine." Sie küsst mich und ich lasse mich seufzend an sie sinken.

„Schon okay", sage ich und löse mich vorsichtig wieder von ihr.

„Wollen wir wieder nach oben gehen?", fragt sie leise, nimmt mich am Arm und zieht mich mit sanftem Nachdruck zurück zur Tür. Ich leiste keinen Widerstand und folge ihr wieder nach oben in ihre Wohnung. Julie zieht ihre Jacke wieder aus und hängt sie an die Garderobe. „Hey, alles ist gut", sagt sie und streichelt meine Wange. Ich seufze und lasse den Kopf an ihre Schulter sinken.

„Weißt du was? Ich bin dir trotzdem dankbar, dass du mir helfen willst. Aber ich habe schon einen Anwalt gefunden, der ganz gut zu sein scheint und den ich mir auch leisten kann."

„Sag mal, gilt das, was wir gerade machen, eigentlich als Ehebruch deinerseits?", frage ich.

Sie schnaubt verächtlich und sieht mich mit einem Blick à la das kann nicht dein Ernst sein an. „Er hat mich jahrelang geschlagen und missbraucht. Er ist für das da verantwortlich." Sie tippt sich an die Stirn. Ich brauche ein paar Sekunden, bis ich begreife, dass sie die lange Narbe meint, an deren Anblick ich mich schon so sehr gewöhnt habe. „Wenn unsere Beziehung da so stark ins Gewicht fällt, verabschiede ich mich vom Glauben an die Menschheit."

Ich liebe ihre sarkastische Art, auch wenn es eigentlich ein ziemlich unangenehmes Thema ist. „Ich hoffe, du wirst Thomas los", sage ich halblaut.

„Ich hoffe, dass du so lange bei mir bleibst. Das kann immerhin echt lange dauern, wenn Thomas sich in den Sinn setzt, mich bei sich zu behalten. Wirst du bei mir bleiben?"

Ich sehe zu ihr auf. Sie hat die Arme vor der Brust verschränkt und sieht auf mich hinab. Irgendwie macht sie mir fast schon Angst.

Auch wenn sie jetzt einen nahezu todernsten Blick aufgesetzt hat, schimmert in ihren grauen Augen immer noch die Liebe zu mir. Ich muss lächeln. Sie kann mir keine Angst machen, ich weiß einfach, dass sie mich liebt.

Ich schlinge die Arme fest um sie und drücke die Wange an ihre Schulter. „Natürlich bleibe ich bei dir, Julie", antworte ich.