Fünfzehn

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„Hey, du brauchst nicht zu weinen", flüstert Julie und drückt mich an ihre weiche Brust. „Alles ist gut, beruhige dich." Tröstend fährt sie mit den Fingern durch mein Haar und mit der anderen Hand über meinen Rücken.

Ungefähr eine Stunde nach unserem Gespräch ist Simon weggegangen. Er hat gesagt, er wolle heute Nacht erst einmal bei Lukas übernachten. Ich habe Julie gebeten, zu mir zu kommen und kurz danach stand sie vor meiner Tür. Jetzt sitzen wir auf genau dem Bett, in dem ich immer mit Simon gelegen habe. Ich komme mir schmutzig vor, als ich daran denke, wie oft wir hier miteinander geschlafen haben. Dieses Kapitel ist abgeschlossen, wir sind nicht mehr zusammen.

Julie hebt mein Kinn, um mir erst einen sanften Kuss zu geben und mir dann in die Augen zu sehen. „Geht's wieder?" Ich gebe keine Antwort und vergrabe stattdessen das Gesicht wieder an ihrer Schulter. Ihr Körper ist so weich und sie duftet nach Vanille. Leise wiederholt sie ihre Frage.

„Ja, ich denke schon. Sag mal... woher weißt du eigentlich, wo ich wohne?", frage ich. Mir ist soeben eingefallen, dass ich am Telefon nichts von meiner Adresse gesagt habe.

„Du hast es mir an Silvester gesagt." Ich höre den Klingelton ihres Handys und spüre, wie sie ihre Hand von meinem Rücken nimmt, um abzuheben. „Juliet Hansen hier, was ist los?" Mein Kopf liegt immer noch an ihrer Schulter und ich kann das Gespräch mithören.

Julie, wo bist du? Ich dachte, du kommst heute für Tina zum Meeting!", sagt eine Männerstimme am anderen Ende der Leitung.

„Ich war auch da, aber ich musste weg. Familienangelegenheit", lügt sie. „Aber es ist gut gelaufen, wir haben die Spanier überzeugt. Sie wollen die Firma mit unserer Software ausstatten. Wenn du mich entschuldigen würdest..." Die Stimme sagt noch etwas davon, dass Julie für die Kunden etwas übersetzen soll, doch sie legt einfach auf.

„War das jemand wichtiges? Du hättest deine Arbeit nicht wegen mir verlassen müssen!"

„Ach, nur ein Kollege. Eine Firma aus Spanien hat sich bereiterklärt, als erste die spanische Version unserer Software zu testen und ich sollte dolmetschen. Aber ein paar andere Kollegen haben das jetzt übernommen."

Sie tut so, als sei das nichts wichtiges und dafür fühle ich mich echt besonders. Sie gibt sich solche Mühe für mich... „Ich liebe dich", sage ich und küsse sie, wobei ich meinen Körper noch enger an ihren drücke. Es ist ein so schönes, warmes Gefühl, so nahe bei ihr zu sein.

„Ach, Kleine...", murmelt Julie und streicht mir das Haar aus dem Gesicht. „Sag mal... wollen wir heute Abend zusammen essen gehen? Als Pärchen und nicht als Freunde?"

Mir läuft ein Schauder über den Rücken. Es ist nicht so angenehm wie dann, wenn sie mich küsst oder berührt, sondern eher Nervosität. Mir geht das alles zu schnell. Wir haben uns vor kaum zwei Wochen getroffen, sind seit einer Woche zusammen und ich habe gerade erst der ersten Person darüber Bescheid gesagt. Ich bin noch nicht bereit, mich in der Öffentlichkeit zu outen.

„Du brauchst nicht so schüchtern zu sein, Kleine", beruhigt mich Julie. „Sieh mich an, bitte." Sanft hebt sie mein Kinn. Ich weiß nicht, wie sie das macht, aber ein Blick aus ihren stahlgrauen Augen und sie hat mich überzeugt.

„Okay...", sage ich zurückhaltend und werde mit einem Lächeln ihrerseits belohnt. Sie kann mich förmlich kontrollieren. Ein Kuss und ich bin ihr verfallen. Sie streichelt meine Wange und steht auf. „Hey... was machst du da?", frage ich, enttäuscht, weil sie mich losgelassen hat.

Julie geht zum Schrank und grinst mich an. „Hast du denn was zum Anziehen?", fragt sie keck. Mit einem genervten Aufstöhnen vergrabe ich mein Gesicht im Kissen. Meine Garderobe besteht fast nur aus schwarzen Jeans und weißen T-Shirts.

„Wie wär's denn damit?", fragt Julie. Ich sehe kurz auf, nur um dann direkt wieder aufs Kissen zu fallen. In den Händen hält sie das knappste meiner Shirts, eine knallenge Röhrenjeans und rote Spitzenunterwäsche. Und sie scheint es – im Gegensatz zu mir – äußerst lustig zu finden.

„Du bist doof!", murre ich und drehe mich auf den Rücken. Lachend lässt sie sich zu mir aufs Bett fallen und wir küssen uns wieder.

JulietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt