Dreizehn

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„Simon? Ich bin wieder da!"

Simon kommt aus der Küche und lächelt mich an. „Hey, Al", sagt er und küsst mich auf die Wange. Ich schiebe ihn wortlos von mir. Seine Berührungen sind mir nicht mehr nur gleichgültig, sondern lösen bereits Unbehagen in mir aus. Enttäuscht lässt er die Hände sinken und geht in die Küche. Ich folge wortlos.

„Wow, Simon..." Er hat für uns gekocht und den Tisch gedeckt. An meinem Platz liegt eine rote Rose, und ein gelber Notizzettel mit der Aufschrift Ich liebe dich.

„Ja... ich weiß, in letzter Zeit lief es bei uns ein bisschen... scheiße, aber ich dachte, wenn wir zusammen mal was machen..." Er stammelt diese Sätze nur und knetet nervös seine Hände. Ich bin immer noch geplättet davon, wie sehr er sich um mich bemüht. Er löst sich zuerst aus seiner Starre. „Setz dich", sagt er und zieht meinen Stuhl ein Stück zurück.

„Danke", antworte ich schlicht. Simon hat selber Pizza gebacken, mein Lieblingsessen. Wieder bekomme ich ein schlechtes Gewissen, weil er nichts von meiner Liebe zu Julie weiß. Wieder fühle ich mich innerlich gespalten. Einerseits will ich ihm unbedingt die Wahrheit sagen, andererseits will ich ihm nicht wehtun und lieber das Bild einer heilen Beziehung aufrecht erhalten. Aber das kann ich mir wohl abschminken, er ist schließlich nicht blöd.

„Schmeckt's dir nicht?", fragt er, als ich meine Pizza nach nur einem Bissen auf den Teller zurücklege und in mein Glas starre. „Möchtest du noch was zu trinken?"

„Ähm... nein danke, alles ist gut." Mein Blick wandert zu dem gelben Klebezettel.

„Nein, ist es nicht. Rede mit mir, Alexa, bitte." Ich erstarre. Es ist ewig her, dass er mich bei meinem ganzen Namen genannt hat. Und in diesem Moment wird mir auch klar, dass ich mein Geheimnis nicht länger geheim halten kann. Mein Freund hat schon lange gemerkt, dass ich ihn nicht mehr liebe. Noch länger kann ich ihn nicht anlügen.

„Willst du das wirklich wissen?", frage ich, ein letzter verzweifelter Versuch, mich vor diesem Gespräch zu retten. Ich habe Angst, was er sagen wird und was danach mit uns beiden passieren wird. Was mit Julie und mir passieren wird.

„Ja, Al. Ich habe eh schon gemerkt, dass du mich nicht mehr liebst." Er knallt sein Glas auf den Tisch und ich zucke erschrocken zusammen. „Sei ehrlich zu mir, ist es Lukas?" Verwirrt schüttele ich den Kopf, ich war in Gedanken gerade bei unserer Zukunft.

„Lukas?", frage ich verwirrt. Simon ist genauso verwundert wie ich.

„Ja, Lukas. Der Lukas, mit dem ich zur Schule gegangen bin. An Silvester hat er davon gelabert, wie hübsch du bist und wie weich deine Haut ist und so perverses Zeug..."

Unwillkürlich muss ich lachen. Es ist ein verzweifelter, seltsamer Laut. „War das bevor oder nachdem er ein ganzen Kasten Bier intus hatte?", spotte ich. Ich klammere mich an jeden Strohhalm, ihm nicht die Wahrheit sagen zu müssen.

Plötzlich sieht mich mein Freund, baldiger Ex-Freund, wieder todernst an. „Wer ist es dann?", fragt er kühl. Ich starre auf die rote Rose, die vor mir auf dem Tisch liegt.

Der Gedanke an Julies wunderschöne, stahlgraue Augen und an ihre Liebe gibt mir Kraft. Ich muss es Simon sagen, und zwar jetzt. „Ich... ich..." Der Kloß in meinem Hals ist auf einmal riesig. Ich räuspere mich verzweifelt, trinke einen Schluck, aber nichts wird besser. Ich kriege die Worte einfach nicht über meine Lippen.

„Ist es Pascal? Erik? Martin?", geht er seine ganze Freundesliste durch. Er wird nie auf die Idee kommen, dass ich mit einer Frau zusammen bin. Vor allem nicht auf Julie, er kennt sie nicht einmal.

Er nimmt meine Hand. „Du kannst mir alles sagen, Al, vertrau mir doch. Es ist okay, wer immer es auch ist." Er versucht zu lächeln, doch es ist bloß ein schiefes Grinsen.

Ich kann ihm alles sagen. Alles. Mir kommen die Erinnerungen an letzte Nacht in den Sinn, als ich mit Julie in einem Bett geschlafen habe. Das will ich, jede Nacht will ich bei ihr sein können. Ohne dabei an meinen Freund denken zu müssen.

„Es ist Julie", murmele ich leise.


JulietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt