Stufe 2; Verbeugen

57 7 2
                                    

Es war ein langer, beschwerlicher Marsch gewesen. Die steinerne Treppe schlängelte sich den Berg hinauf, dem Himmel immer ein Stückchen mehr entgegen. Sie wusste nicht, was sie oben erwarten würde, wusste nur, dass dies der richtige Weg war. In diesen Höhen brannte die Sonne unerträglich heiß auf ihr Gesicht nieder und hinterließ feurige Blasen auf ihrer Haut. Bis auf wenige vertrocknete Sträucher und Felsbrocken säumte nichts ihren Weg. Über ihr zog ein Adler einsam seine Kreise und sie wünschte sie könnte fliegen, so wie er es tat.

Ihre Beine schmerzten und die Sohlen ihrer Schuhe hatten ihr bereits lange zuvor den Dienst versagt, als sie die letzten Stufen erklomm. Zitternd fiel sie auf die Knie und ihre Hände gruben sich in den trockenen Boden. Schmutzig klebte ihr Haar an ihrem verschwitzten Körper. Sie konnte beobachten, wie einige Tropfen sich lösten und eins wurden mit dem kargen Land. Wie konnte die Pforte zum Paradies in solch einem Ödland liegen? Und doch wusste sie, dass es stimmte.

Als sie den Blick das nächste Mal aufrichtete, blendete die untergehende Sonne ihre Sicht. Nur langsam erschienen die Schemen zweier gigantischer, gesichtsloser Figuren vor ihren Augen. Die steinernen Statuen bewachten die Pforte, einander zugewandt. Als sie langsam unter ihnen hindurch schritt, wirkte es als, würden sie sich vor ihr verbeugen. Ja fast so, als würden sie sie begrüßen.

Plötzlich säumten blühende Bäume den Weg vor ihr. Wo eben noch unfruchtbares Land gewesen war, sprühte das Leben nun in allen Farben. Von weiter weg hörte sie das Zwitschern von Vögeln und das Plätschern von Wasser. Je weiter sie ging, desto lauter wurden die Geräusche.

Irgendwann gelangte sie an ein rotes Holztor. Sie war so nah und so durstig, sie glaubte das Wasser riechen zu können. Und noch so viel mehr als das.

Hinter diesem Tor, das wusste sie, lag alles wofür sie gekämpft hatte. Alles wofür sie hier her gekommen war. Wenn sie zurückblickte, sah sie nichts als ihre vergangenen Kämpfe. Ihr Weg konnte nur in diese eine Richtung führen.

Und doch sah sie keinen Türgriff, nichts womit man das Tor hätte öffnen können. Es blieb verschlossen und ihre Träume schienen ferner als je zuvor.

Gerade als sie verzweifeln und aufgeben wollte, schlich sich ein Gedanke in ihren Kopf. Instinktiv wusste sie, was sie tun musste. Was man von ihr verlangte. Und auch wenn sie es bis heute nie getan hatte, so würde sie es jetzt tun. Sie würde sich vor dem Tor, vor ihrem Schicksal verbeugen. So wie die Statuen es ihr gezeigt hatten.

Langsam ging sie diesmal in die Knie, den Blick fest auf das Tor gerichtet. Nichts geschah. Erst als sie ihre Augen demütig gegen den Boden richtete und ihre Stirn fast schon das grüne Gras berührte, hörte sie das laute Knarren von Holz und der Weg wurde ihr freigegeben.

--------------------------

Das klingt nach einer echt harten Reise... meine Bewunderung an die namenslose Protagonistin! Die nächste Nominierung geht an AniratakRemmos mit dem Stufe 2-Wort Tagtraum. Die Regeln kennst du ja bereits ;)

Save the wordsWhere stories live. Discover now