Kapitel 20

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Mila's Sicht

Ich sehe mich in dem Tonstudio um und schnappe nach Luft, es haut mich beinahe um. Auch die anderen sehen ziemlich begeistert aus und Christoph's Körperhaltung protzt vor Stolz. Der kleine, dickbäuchige Mann, der sich uns als Michael vorgestellt hat, lässt uns einen Augenblick, um alles auf uns wirken zu lassen. Die weiß gepolsterten Lederwände, die den Schall halten, der weiche, rote Teppichboden, der edle schwarze Tisch mit den ganzen Tongeräten und den teuren Ledersesseln davor und letzlich der Raum hinter der Glaswand, in dem wir gleich stehen und in das Mikro singen werden.

Nun führt Michael uns hinter die Glaswand und reicht uns allen dicke, schwere Kopfhörer und ordnet uns um das Mikro. Dann gehen er und Christoph zurück und lassen sich auf den Ledersesseln nieder. Durch ein Gerät gibt er uns Anweisungen und erklärt sein Vorgehen so lange, bis wir es alle begriffen haben. Schließlich lässt er das erste Lied an und die Musik erklingt in unseren Ohren. Orinoco Flow. Wir schließen wie besprochen die Augen, um uns besser konzentrieren zu können. Nach den ersten Takten öffnen Saskia und Julia den Mund und der Anfang der ersten Strophe gleitet glockenhell über ihre Lippen. Kurz vorm Refrain stimmen wir alle mit ein, Naomi und Lea mit ihrem schönen, tiefen Stimmen, Maria, Anna und ich übernehmen die Hauptstimmen und ich zwitschere wie gewohnt mein Solo dazwischen.

Nach der zweiten Strophe schaltet Michael die Musik aus und bittet Naomi und Lea, sich weiter nach hinten zu stellen und mich mehr nach vorn. Dann sollen wir von vorn beginnen. Und wieder und wieder. Wir wiederholen das Ganze ungefähr vier Mal, bis er und Christoph zufrieden sind und wir rauskommen und es uns anhören dürfen.

Sobald die ersten Töne des Liedes seicht durch die Studiolautsprecher tönen, durchfährt ein Kribbeln meinen Körper. Als der schwierige Part von Julia und Saskia so beflügelt und leicht und mit genau dem richtigen Touch Zärtlichkeit erklingt, fassen wir uns an den Händen und lächeln einander stolz an. Früher waren wir einfach ein Chor, ohne die anderen als wichtig zu emfinden, doch jetzt weiß ich, dass ich es besser nicht haben kann.

Wir anderen erklingen nun auch und Lea und Naomi erfüllen den Hintergrund mit warmen, rauen Stimmen und Anna, Maria und ich meistern die Hauptstimme nahezu perfekt. Als mein Solo auch noch wunderschön klingt und das Lied dem Ende zuheht, rasten wir völlig aus und fallen uns in die Arme.

Niemand von uns hätte gedacht, dass wir so weit kommen! Als auch Cbristoph und Michael begeistert sind, begeben wir uns wieder hinter die Glaswand. Auch, wenn die nächsten Stunden irgendwie nervtötend sind, singen wir die restlichen für unsere erste CD vorgesehenen Lieder mit großer Portion Spaß und Zuversicht und werden immer mehr von der riesigen Chance, die sich uns bietet, überzeugt und mitgerissen. Gegen 20:00 Uhr beenden wir die Arbeit und stellen die Reihenfolge der CD zusammen. Insgesamt sind es 15 Lieder und wir sind uns schnell einig, da uns allen die Reihenfolge eigentlich relativ egal ist.

1. Love Song
2. Only Time
3. Orinoco Flow
4. Anywhere is
5. Wild Child
6. One By One
7. Boadicea
8. Listen To The Rain
9. May It Be
10. Book Of Days
11. Shepherd Moons
12. Adiesmus
13. Sail Away
14. Carribean Blue
15. Long Long Journey

Die Reihenfolge mag zwar egal sein, aber ich finde die Nummer 15 als Long Long Journey einfach nur passend, denn bis hierher war es wirklich eine lange Reise. Und sie geht weiter. Für die anderen nur leider länger als für mich. Meine Reise könnte morgen schon vorbei. Schweren Herzens blicke ich in die vor Freude glühenden Gesichter der anderen Mädchen.  Auf einmal sickert die Freude aus mir heraus wie aus einem Ölleck. Wie lange werde ich mich noch in Erfolg und Glück sonnen können? Ein paar Tage? Ein paar Wochen? Plötzlich packt mich ein entsetzender Gedanke: Werde ich Weihnachten noch miterleben? Im Moment ist es noch Anfang November und ich fühle mich lebendiger und gesünder dennje, was ja nur ein Schein ist, denn in Wirklichkeit ist es nur eine Frage der Zeit, bis es mir schlecht geht und ich für immer aus dieser Welt verschwinde. Nach Luft schnappend sinke ich auf einen der Sessel zurück und stütze den Kopf auf meine Hand. Darüber habe ich noch nie so wirklich nachgedacht. Klar, ich hab mir vorgestellt, wie es sich anfühlt zu sterben, ob es wohl so schnell geht wie einschlafen, oder ob man quallvoll aus dem Leben gerissen wird. Aber was passiert vorher? Ich werde wohl kaum tot umfallen. Leukämie ist ein schleichender Prozess. Der Tod hat sich bereits in mir eingenistet und kriecht kaum merkbar durch meinen Körper. Bestimmt wird es mir schlecht gehen. Ich werde schwach werden. Und irgendwann werde ich erlöst. Für mich ist es einfacher als für meine Familie, denn die bleibt am Leben und trauert mir hinterher. Obwohl... Kann man Menschen vermissen, wenn man schon tot ist? Auf einmal fürchte ich, ich würde mit dem Tod in ein schwarzes, nie endendes, emotionsloses Nichts gerissen. Eiskalt läuft es meinen Rücken hinunter. Das will ich nicht. Wenn es doch nur irgendetwas geben würde, dass mich befreit vom Tod, vom Schmerz und vom Abschied befreit! Aber es ist so unlogisch und absurd wie ein Elrfant in rosaroten Kleidern. Ich werde sterben.

Hallu! :D Nun, jetzt beginnt ja die weihnachtliche Zeit und natürlich wünsche ich euch allen einen wunderbaren ersten Advent! :-* Wenn da etwas ist, das ihr loswerden wollt, so lasst es mich durch Kommis wissen. :) Falls nicht, tut es bitte trotzdem. :D Ich möchte mal so richtig viele Kommentare haben und wenn ihr jemandem ein Lächeln schenken wollt, so schreibt mir einen lieben Satz! ♥ 
Ich liebe euch alle! ♥
-Alitschi

Leukämie-mein Leben danachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt