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Schnell verließen sie das Haus durch die Hintertür und stiegen in das Boot. Smaug flog über Seestadt und spie immer wieder Feuer. Die Hälfte der Stadt stand bereits in Flammen. Langsam lenkten der ältere Zwerg und der Zwerg mit der Mütze das Boot durch die Kanäle. Gerade als sie in einen größeren Kanal einbiegen wollten, stießen sie mit einem größeren Boot zusammen, welches über und über mit Gold beladen war. Auf dem Boot standen, was war anderes zu erwarten, der Bürgermeister und Alfrid. ,,Egoistische Schweine", murmelte Gwyneth wütend, denn Alfrid hatte gerade einen Mann, der im Wasser schwamm und verzweifelt versuchte, auf das Boot zu kommen, mit einem Tritt ins Gesicht vom Boot wieder ins Wasser gestoßen. Schließlich fuhren sie weiter. Auf einmal schrien Thilda, Sigrid und Bain auf. ,,Vater", schrien sie und sahen zum Glockenturm der Stadt. Dort stand Bard, der versuchte, den Drachen zu erschießen. ,,Er hat ihn getroffen", sagte Kili, ,,Ich habs genau gesehen." ,,Er hat ihn nicht getroffen", entgegnete Tauriel, ,,Nichts kann den Schuppenpanzer durchdringen." Gwyneth und Bards Kinder sahen sich kurz an. Bain entdeckte die Statue des Bürgermeisters und schwang sich kurzerhand, mithilfe eines Seilzugs, aus dem Boot auf die Stege und rannte zu den Booten vor der Statue. ,,Bain! Komm zurück! Bain", schrien Thilda und Sigrid. Gwyneth aber schaffte es, ebenfalls aus dem Boot zu klettern und rannte Bain hinterher. Sie konnte und wollte ihn einfach nicht dem sicheren Tod überlassen. ,,Gwyneth", schrie Thilda, aber da war sie schon weg. Sie rannte Bain hinterher, der den Schwarzen Pfeil fest in der Hand hielt und sie zunächst nicht bemerkte. ,,Bain!", rief sie, worauf er stehenblieb. ,,Gwyneth, was machst du hier?", fragte Bain erschrocken, ,,Du musst gehen und dich in Sicherheit bringen." ,,Und was ist dann mit dir?", entgegnete Gwyneth, ,,Ich werde nur gehen, wenn du mitgehst. Ansonsten bleibe ich bei dir." ,,Gwyneth bitte", sagte Bain eindringlich, ,,Ich will nicht, dass du verletzt wirst oder schlimmeres." ,,Mein Entschluss steht fest. Ich bleibe hier und helfe dir", sagte Gwyneth, ,,Und jetzt komm, Bard braucht den Schwarzen Pfeil." Sie zog Bain mit sich und schließlich hatten sie den Glockenturm erreicht. Schnell rannten sie die Treppe nach oben. Gwyneth war die erste oben. ,,Bard", rief sie, nachdem sie den Kopf aus der Luke, durch die man von der Treppe auf die Plattform des Glockenturms gelangte, gestreckt hatte. Bard drehte sich um. ,,Gwyneth, was machst du hier?", fragte er, ,,Bring dich in Sicherheit. Nichts kann diesen Drachen noch aufhalten." ,,Das hier vielleicht schon", entgegnete Bain, der neben Gwyneth aus der Luke schaute, und hielt den Schwarzen Pfeil hoch. Sie kletterten auf die Plattform. Doch bevor irgendjemand von ihnen etwas sagen oder tun konnte, flog Smaug dicht über den Glockenturm und zerstörte mit seinen Klauen das Dach des Turms. Der Turm schwankte dabei auch gefährlich. Bard verlor das Gleichgewicht und fiel auf die Plattform, blieb aber unverletzt. Gwyneth verlor ebenfalls das Gleichgewicht und kippte zur Seite, direkt auf einen spitzen, abgebrochenen Holzpfahl, der sich in ihre Seite bohrte und dann sogar abbrach. Gwyneth unterdrückte einen Schmerzensschrei und zog das abgebrochene Holzstück aus der Wunde. Sie betrachtete die Wunde kurz. Der Stoff ihrer Leinenbluse hatte sich um die Wunde herum schon rot gefärbt. ,,BAIN!", hörte sie Bard rufen und wurde somit aus ihren Gedanken gerissen. Erschrocken sah sie sich nach Bain um und entdeckte ihn gleichzeitig mit Bard. Bain hing an einer Seite des Turms. Mit einer Hand klammerte er sich krampfhaft an einen Balken unterhalb der Plattform, der ein wenig hervorstand, mit der anderen Hand hielt er den Schwarzen Pfeil fest. ,,Bain", sagte Gwyneth erschrocken und Bain sah zu ihr. Der Schock war ihm deutlich anzusehen. Gwyneth half ihm, wieder auf die Plattform zu kommen. Ihre Wunde ignorierte sie und zudem sorgte das Adrenalin dafür, dass sie den Schmerz momentan nicht spürte. Als Bain endlich wieder auf der Plattform war, lag er für einen Moment erst einmal in Schockstarre da. Bard nahm ihm den Schwarzen Pfeil ab, während Gwyneth neben ihm kniete. ,,Bain! Bain, geht es dir gut?", fragte sie und beugte sich mit besorgtem Blick über ihn. ,,Ja. Es war nur der Schock", sagte Bain und setzte sich auf. ,,Was machst du nun, Bogenschütze?", hörten sie plötzlich eine tiefe, zischende Stimme, ,,Du hast nichts mehr. Nur noch deinen Tod!" Es war Smaug, der da mit Bard, dessen Bogen zerbrochen war, sprach. Der riesige Drache war mitten in der brennenden Stadt gelandet und sah mit glühenden Augen zu Bard. Bain stand auf und ging zu seinem Vater und Gwyneth folgte ihm. Dadurch wurde Smaug auf sie beide aufmerksam. ,,Sind das Kinder?", fragte Smaug, ,,Du kannst sie nicht retten. Sie werden brennen!" Auf einmal hatte Bard offenbar eine Idee. Das Resultat daraus war, dass Bard sich mithilfe der Bruchstücke seines Bogens und Bains Schulter einen großen Bogen "bastelte", den er jetzt mit dem Schwarzen Pfeil spannte. Bain, der jetzt mit dem Rücken zu Smaug stand, sah ängstlich nach hinten zu dem riesigen Drache in der brennemden Stadt. ,,Bain, sie zu mir", sagte Bard sanft, worauf Bain nach vorne zu seinem Vater sah. Gwyneth stand neben Bard und hatte genauso viel Angst wie Bain. ,,Ein kleines bisschen nach rechts", sagte Bard, der als einziger seine Angst nicht zeigte. Bain drevte sich ein wenig nach rechts. ,,Gut so", sagte Bard und Bain stoppte, ,,Jetzt halte still mein Sohn." Bain liefen ein paar Tränen über die Wangen. Tränen der Angst. Sein Blick schweifte kurz zu Gwyneth, die ebenfalls zu ihm sah. Gerne wäre sie jetzt neben Bain gestanden und hätte seine Hand genommen und ihn umarmt, um ihm beizustehen, doch leider ging das nicht. Sie sah, dass Smaug losstürmte und dass Bard auf eine bestimmte Stelle an dessen Brust zielte. Dann schoss Bard den Pfeil ab und traf tatsächlich. Smaug stürmte aber weiterhin nach vorne. Bard zog Bain und auch Gwyneth schützend in seinen Arm. Smaug schaffte es gerade noch, halb laufend, halb fliegend, nicht frontal in den Turm zu krachen, sondern stieß diesen nur seitlich an und flog schreiend in den Himmel. Der Turm aber kippte nun endgültig um. ,,Springt! Springt!", rief Bard und alle drei sprangen in das Wasser des Kanals neben dem Turm. Nur einen Meter neben ihnen stürzte der Turm ins Wasser. Das Wasser war eiskalt und Gwyneth Wunde brannte, als sie untertauchte. Sie tauchte wieder auf und schnappte nach Luft. Da wurde sie auch schon von Bain in ein Boot gezogen, das wie durch ein Wunder noch nicht verbrannt war.
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Als es wieder hell war, war die Stadt komplett abgebrannt, aber Smaug war tot. Bards Schuss hatte ihn tatsächlich getötet. Unzählige Leichen trieben im Wasser und der Geruch von Feuer und Tod lagen in der Luft. Sigrid und Thilda suchten gemeinsam mit Tauriel verzweifelt nach Bain, Gwyneth und ihrem Vater. Plötzlich hörte man Alfrid quer über den Strand, an den sich alle Menschen aus Seestadt geflüchtet hatten, mit einer Frau streiten. Alfrid hob die Hand, um die Frau zu schlagen, doch Bard hinderte ihn daran. ,,Stellt Euch nicht gegen euresgleichen, Alfrid", sagte Bard und stieß Alfrid hinter sich, wo er, durch Bain, der ihm ein Bein stellte, hinfiel. ,,Vater", erklang Thildas Stimme und sie und Sigrid fielen ihrem Vater um den Hals. Bard schloss seine Töchter erleichtert in die Arme. ,,Es war Bard", rief ein Mann, ,,Er hat den Drachen getötet. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen." Die Menschen versammelten sich um Bard, seine Familie und Gwyneth. Einige klopften Bard anerkennend und dankbar auf die Schultern. ,,Hoch lebe Bard, der Drachentöter", riefen sie, bis die Rufe schließlich zu ,,Hoch lebe König Bard!" wurden. ,,Hört auf! Hört auf!", rief Bard und die Menge verstummte. ,,Ich bin kein König und auch kein Bürgermeister", sagte Bard, ,,Wo ist er? Wo ist der Bürgermeister?" ,,Tot", sagte die Frau, mit der Alfrid sich zuvor gestritten hatte, ,,Jetzt liegt er zusammen mit seinem Gold auf dem Grund des Sees." ,,Dieser Egoist", murmelte Gwyneth. Wieder entbrannte ein Streit zwischen Alfrid und den übrigen Menschen. ,,Ich sagte: Bürgermeister...NEIN", behauptete Alfrid, doch dadurch wurde die Menge nur noch wütender. ,,Denkt doch an die Kinder", fuhr Alfrid fort, nahm Thilda an den Armen und schob sie vor sich, wie ein Beweisstück. Thilda trat ihm aber kräftig auf den Fuß, worauf er aufschrie und sie losließ. Die Menge stürzte sich auf Alfrid und wollte ihn umbringen. ,,Stop! Lasst ihn runter!", rief Bard und die Menschen hielten inne. ,,Seht euch um", sagte Bard, ,,Habt ihr nicht genug vom Tod?" Alfrid wurde fallen gelassen und schließlich bereiteten die Menschen sich darauf vor, nach Thal zu laufen. Gwyneth spürte die Wunde an ihrer linken Seite jetzt ziemlich deutlich. Sie brannte höllisch und der Schmerz schien sich in ihrem halben Körper auszubreiten. Sie presste ihre Hände auf die Wunde, um die Blutung zu stoppen. Allerdings wollte sie niemandem etwas sagen, da es genug Verletzte gab. Doch dabei hatte sie nicht mit Bains Aufmerksamkeit gerechnet. Bain war nicht entgangen, dass sie ihre Hände auf ihre Wunde presste. ,,Gwyneth, warum sagst du nicht, dass du verletzt bist?", fragte er Gwyneth leicht vorwurfsvoll. ,,Es geht schon" log Gwyneth, ,,Komm, wir sollten auch helfen." Sie wollte loslaufen, doch kaum hatte sie einen Schritt getan, durchzuckte sie ein stechender Schmerz in ihrer Wunde. Ihr linkes Bein gab sogar ein wenig nach, sodass sie zur Seite kippte und wahrscheinlich hingefallen wäre, hätte Bain sie nicht daran gehindert. ,,Von wegen Es geht schon", sagte Bain, ,,Leg dich am Besten hin und lass mich die Wunde ansehen." Gwyneth hob den Blick. ,,Aber...", setzte sie an, sprach aber nicht weiter. Denn ihr wurde bewusst, wie nah sie Bain gerade war. Naja, eigentlich wie nah sich ihre Gesichter waren. Für einen Moment sah sie ihm in die Augen, ohne etwas zu sagen und er tat es ihr gleich. Offenbar ging es ihm gerade genauso wie ihr. Ein leises Räuspern ließ beide zusammen zucken. ,,Ich will nicht stören", sagte eine etwas ältere Frau mit einem leichten, wissenden Lächeln auf den Lippen, ,,Ist jemand von euch verletzt?" ,,Ja, Gwyneth hat eine Wunde an der linken Seite", sagte Bain. ,,Dürfte ich die Wunde versorgen?", fragte die Frau, ,,Ich verstehe ein bisschen vom Heilen." Gwyneth nickte. Bain half ihr, sich auf den Boden zu legen. Die Frau schob ihre Leinenbluse nach oben, bis die Wunde nicht mehr verdeckt wurde. Gwyneth erzählte kurz, wie sie sich die Wunde zugezogen hatte. ,,Du hast Glück", meinte die Frau, ,,Es sind keine Holzsplitter in der Wunde geblieben." Dann nahm sie eine Salbe und schmierte sie auf die Wunde. Die Blutung war inzwischen gestoppt. Gwyneth schrie auf, da die Salbe auf ihrer Wunde im ersten Moment brannte wie Feuer und umklammerte Bains Hand. Doch kurz darauf ließ der Schmerz nach und Gwyneth entspannte sich wieder. Die Frau drückte Bain einen Verband in die Hand. ,,Ich habe noch viel zu tun, also verbindest du die Wunde. Ganz vorsichtig", ordnete die Frau an, ,,Nach dem Marsch schonst du dich, Gwyneth. Und jemand muss dir beim Laufen helfen, damit du die linke Seite nicht zu sehr belastest." Ihr Blick schweifte kurz zu Bain. ,,Was aber kein Problem sein wird, denke ich", meinte sie dann ein bisschen leiser und ging. ,,Setz dich hin", sagte Bain, ,,Dann verbinde ich die Wunde. ... Aber sei vorsichtig." Gwyneth setzte sich, so vorsichtig es ging, hin und Bain verband die Wunde. Als er fertig war, zog Gwyneth ihre Bluse wieder richtig nach unten. Die Menschen begannen langsam mit dem Aufbruch. Bain half Gwyneth beim Aufstehen, sowie beim Laufen. ,,Danke, dass du mir hilfst", sagte Gwyneth kurz bevor sie zum Rest der Menschen aufschlossen, ,,Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde." Sie drückte Bain einen Kuss auf die Wange. Er lächelte. ,,Für dich würde ich alles tun", sagte er, ,,Und ich wüsste auch nicht, was ich ohne dich tun würde." Er gab Gwyneth ebenfalls einen Kuss auf die Wange, was sie leicht erröten ließ.

Die Diebin von EsgarothWhere stories live. Discover now