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Am nächsten Morgen wachte Gwyneth auf und nahm als allererstes den Verband von der Wunde. Diese war tatsächlich verschwunden und nur eine kleine, blasse Narbe geblieben. Sie stand auf und öffnete die Tür zu dem kleinen Raum vor ihrer Kammer leise, da sie nicht wusste wie spät es war. Zwar sah sie durch die Löcher im Dach, dass es hell war, doch es könnte früh am Morgen, Mittag oder Nachmittag sein. Als sie den kleinen Raum betrat, kam Thilda auf sie zugestürmt und umarmte sie. ,,Endlich bist du wieder gesund", sagte Thilda. ,,War es sehr schlimm für euch?", fragte Gwyneth, ,,Ich glaube nämlich, dass ich nicht gerade wenig geschrien habe." ,,Wir waren die meiste Zeit nicht hier, sondern haben draußen geholfen", erklärte Sigrid, ,,Aber wenn wir doch kurz hier waren, hast du fast ununterbrochen geschrien. Ich will dich, um ehrlich zu sein, gar nicht erst fragen, wie es dir ergangen ist." ,,Das kann ich dir auch nicht wirklich übel nehmen", entgegnete Gwyneth, ,,Aber die Beeren haben gewirkt. Die Wunde ist verheilt und nur eine kleine Narbe ist geblieben." Zum Beweis schob sie ihre Leinenbluse auf der linken Seite hoch und deutete auf die blasse Narbe. ,,Das waren wahrlich Wunderbeeren", meinte Bain, der neben sie getreten war, ,,Wie fühlst du dich jetzt?" ,,Es ging mir nie besser", antwortete Gwyneth, ,,Allerdings hätte ich gegen ein klein wenig Essen nichts einzuwenden." ,,Wir werden sehen, ob wir etwas für dich finden können", sagte Bard, ,,Aber viel haben wir nicht mehr." ,,Macht euch meinetwegen nicht verrückt", sagte Gwyneth, ,,Ein kleines Stück Brot genügt." ,,Aber du musst schnell wieder zu Kräften kommen", meinte Bain. ,,Bain, ich habe gesagt, ihr sollt euch nicht verrückt machen", wiederholte Gwyneth. ,,Ich mache mich nicht verrückt", entgegnete Bain. ,,Sicher?", fragte Gwyneth zweifelnd, ,,Obwohl....wer Alfrid in den Kanal befördern kann ist schon verrückt und muss sich nicht erst verrückt machen." ,,Ich hätte ahnen müssen, dass du soetwas sagst", meinte Bain, bevor sie beide kurz lachten. ,,Aber eben das macht dich besonders", sagte Bain dann und küsste sie sanft auf die Wange. Gwyneth wurde rot, Bard und Sigrid warfen sich einen vielsagenden Blick zu und Thilda kicherte leise. ,,Kommt, lasst uns nachsehen, ob Alfrid in der Nacht etwas aufgefallen ist", meinte Bard und Gwyneth sah ihn dankbar an, denn die Situation war etwas peinlich für sie gewesen. Gemeinsam gingen sie nach draußen und verteilten noch ein wenig Essen, bevor sie zu Alfrid gingen, der im Eingang der großen Halle saß und offensichtlich geschlafen hatte. ,,Alfrid als Nachtwache aufzustellen ist genauso produktiv, wie gar keine aufzustellen", flüsterte Gwyneth Bain zu, worauf er grinsend nickte. ,,Alles war ruhig Herr", sagte Alfrid gerade zu Bard, ,,Mir entgeht nichts." Bard trat aus der großen Halle und blieb erstaunt stehen, weshalb ihm seine Kinder und Gwyneth verwirrt folgten. ,,Bis auf ein Heer von Elben, wie es scheint", sagte Bard an Alfrid gerichtet. Immer mehr Menschen kamen aus den Häusern und sahen die Elben in ihren glänzenden Rüstung erstaunt an. Bard ging die Treppe zum Platz vor der großen Halle hinunter und die Elben bildeten einen Gang, durch den er hindurchlief. ,,Sind das wirklich alles Elben?", fragte Thilda staunend. ,,Ja, das sind alles Elben", antwortete Sigrid. ,,Waldelben", antwortete Gwyneth nervös, da sie das Wappen des Waldlandreiches auf den Rüstungen der Elben entdeckt hatte. ,,Warum bist du nervös?", fragte Bain. ,,Ein Heer braucht einen Heerführer. Und das ist im Normalfall der König", erklärte Gwyneth, ,,Ich befürchte, dass er mich bestraft, wenn er er mich sieht." ,,Wenn ihr gerade vom Waldkönig sprecht...", meinte Sigrid, ,,Da ist er." Tatsächlich war König Thranduil eingetroffen und sprach gerade mit Bard. Er war in eine glänzende, silberne Rüstung mit edlen Verzierungen gekleidet und auf dem Kopf trug er eine kunstvoll gefertigte, ebenfalls silberne Tiara. Da er auf einem großen, eleganten Elch ritt, war sein Erscheinungsbild noch majestätischer. ,,Kommt, ich will hören was sie reden", sagte Bain und zog Gwyneth an der Hand mit sind zu seinem Vater. ,, ...Ich bin hier um etwas zurückzufordern, das mir gehört", sagte der Elbenkönig gerade. Dann schweifte sein Blick zu Bain und weiter zu Gwyneth. Seine Augen verengten sich kurz, als er Gwyneth ansah. ,,Was fordert Ihr zurück?", fragte Bard und zog Thranduils Aufmerksamkeit somit wieder auf sich. ,,Weiße Edelsteine aus reinem Sternenlicht", antwortete Thranduil, ,,Erbstücke meines Volkes." Dann rief er einen Befehl und das Heer maschierte, mit ihm an der Spitze, eine Straße hinunter in Richtung Erebor. Bard rannte hinterher. ,,Er zieht in den Krieg wegen Edelsteinen?", fragte Bain. ,,Man muss diesen Elb nicht verstehen", entgegnete Gwyneth.
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An diesem Abend konnte Gwyneth nicht einschlafen. Immer, wenn sie die Augen schloss, sah sie die blauen Augen des Elbenkönigs vor sich und in diesen lag nichts als Kälte und Wut, sodass ihr immer wieder ein kalter Schauer den Rücken hinunter lief und sie trotz des wärmenden Feuers fror. Also lag sie wach da und starrte auf die graue Wand, die vom Schein des Feuers mit orange-roten Mustern verziert wurde. Einige Stunden vergingen und noch immer konnte sie nicht einschlafen, wegen dem kalten Blick des Elbenkönigs. Plötzlich legte sich, wie aus dem Nichts eine Decke über sie. Erschrocken fuhr sie herum und sah Bain vor dem Bett stehen. ,,Verdammt, hast du mich erschreckt", sagte sie flüsternd, da alle anderen schon schliefen. ,,Tut mir leid, ich dachte du schläfst schon", entgegnete Bain ebenfalls flüsternd, ,,Gute Nacht." Er drehte sich um, um zu gehen. ,,Bain, ich hab Angst", sagte Gwyneth und hielt ihn somit auf. ,,Warum das denn?", fragte er und setzte sich zu ihr aufs Bett. ,,Ich...ich habe Angst davor, was der Elbenkönig mit mir tun wird, jetzt, wo die Elben für einige Zeit in Thal sind*", erklärte sie, ,,Ich habe dir ja erzählt, warum ich zusammen mit Bilbo und den Zwergen geflohen bin und sicher hast du heute morgen seinen Blick gesehen, als er mich angesehen hat. In dem Blick lag nur Kälte und Wut. ... Er hasst mich und ich fürchte mich vor der Strafe, die er mir geben wird." ,,Wenn er mit dir sprechen will, dann komme ich mit. Dann hast du wenigstens eine Person bei dir, der du vertraust", sagte Bain. Gwyneth lächelte dankbar. ,,Kannst du heute Nacht hier bleiben?", fragte sie schüchtern, ,,Ich fürchte mich alleine und zudem ist mir ein bisschen kalt." Bain lächelte. ,,Wenn es dir dann besser geht", sagte er. Gwyneth rutschte ein bisschen zur Seite und schlug die Decke, die zum Glück relativ groß war, zurück. Bain legte sich noch etwas zögerlich neben sie und sie deckte ihn zu. Eine Weile sahen sie durch die Löcher im Dach zu den Sternen, bis Bain Gwyneth' Hand in seine nahm und ihre Finger zögernd miteinander verflocht. Gwyneth sah zu ihm. Wieder kribbelte es in ihrem Bauch, eigentlich schon, seit Bain neben ihr lag, doch jetzt war es noch ein bisschen stärker. Wieder wurde ihr bewusst, wie nah sie sich (schon wieder) waren. ,,Weißt du, ich habe neulich mit Vater gesprochen", setzte Bain an, ,,Und er sagte, ihm sei in den letzten Tagen klar geworden, dass du mir sehr viel bedeutest." Er machte eine kurze Pause. ,,Und ich finde, er hat recht. Du bedeutest mir wirklich sehr viel", sprach er schließlich weiter und legte seine, noch freie Hand, an ihre Wange, ,,Mehr als alle Schätze der Welt." Dann beugte er sich vor und hauchte ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen. Sie war im ersten Moment zu überrascht, um in irgendeiner Weise zu reagieren. Sie sah Bain einfach nur in seine braunen Augen. Doch dann kam wieder leben in die und diesmal war sie es, die sich vorbeugte und ihre Lippen auf seine legte. Erst zögernd, doch als er den Kuss erwiderte, mit etwas mehr Druck und das Kribbeln in ihrem Bauch wurde stärker. Nach einer Weile lösten sie sich voneinander. Beide lächelten. ,,Wir sollten schlafen, es ist schon spät", meinte Bain. Gwyneth kuschelte sich an ihn und er umschlang sie eng mit seinen Armen. ,,Du bedeutest mir auch mehr wie alle Schätze der Welt", flüsterte sie nach einer Weile leise und hob ihren Kopf leicht, um Bain ansehen zu können. Doch dieser war schon eingeschlafen. Gwyneth lächelte. Wie süß er doch aussah, wenn er schlief. Sie kuschelte sich noch enger an ihn und legte ihren Kopf an seine Brust. Kurz darauf war auch sie eingeschlafen.

Einige Minuten später fuhr Bard aus dem Schlaf. Er hatte einen schrecklichen Alptraum gehabt. Allmählich beruhigte er sich wieder und bemerkte, dass Bain nicht mehr neben ihm lag. Da in dem kleinen Raum nur zwei Betten standen, hatten sie sich so aufgeteilt, dass Thilda und Sigrid sich das eine und Bard und Bain sich das andere Bett teilten. Bard sah sich im Raum um, der nur durch das kleine Lagerfeuer erhellt wurde und schließlich fiel sein Blick auf die Tür zu Gwyneth Kammer. Bevor er zu Bett gegangen war, war die Tür offen gewesen, jetzt war sie halb geschlossen. Kurz lauschte er, doch er hörte nur das Knistern des Lagerfeuers und das gleichmäßige Atmen seiner Töchter. Leise stand er auf und ging, ebenfalls leise, zu der Tür zu Gwyneth Kammer. Auch dort knisterte noch ein kleines Feuer. Da die Tür wie gesagt nur halb geschlossen war, konnte er problemlos in die Kammer blicken. In der Kammer sah er, dass Bain neben Gwyneth lag und den Arm um sie gelegt hatte. Gwyneth hatte sich eng an ihn gekuschelt und beide schliefen tief und fest. Bard lächelte. Er freute sich für seinen Sohn. Doch noch immer hatte er ein paar kleine Zweifel. War Gwyneth wirklich ein guter Umgang für Bain? Immerhin war sie die Diebin von Esgaroth (gewesen). Und hieß es nicht einmal Dieb, immer Dieb? Aber Bard entschloss sich, den Dingen vorerst ihren Lauf zu lassen, denn gegen Liebe konnte man letztendlich nichts tun.


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*Ich habe hier eine kleine Änderung vorgenommen, damit ich die Geschichte so fortsetzen kann, wie ich es mir gedacht habe. Das bedeutet: Die Elben bleiben einige Tage in Thal und belagern den Erebor, da sie hoffen, dass die Zwerge sich dann schneller ergeben, weil sie nichts mehr zu essen haben.
Ich hoffe das stört euch nicht.

Die Diebin von EsgarothKde žijí příběhy. Začni objevovat