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Vollkommen verwirrt starre ich mich an. Oder besser gesagt die Person vor mir, die denselben Körper hat wie ich. Zuerst war ich wütend und ich will die Person in ihr, oder mein Gesicht schlagen. Doch die Wut verfliegt, als ich ihren Blick sehe. Wie sie ihre Arme mustert und dann über ihren Körper fährt. Sie lässt ihre Haare durch die Finger gleiten und starrt zu mir hinauf. "Ich bin du.", flüstert sie und ich höre sie kaum, da der Verkehr und die hupenden Autos so laut sind. "Meine Stimme!", ruft sie plötzlich panisch und springt auf. Es wäre, als würde ich in einen Spiegel blicken. Sie hat aber andere Kleidung an. Jeans und ein Oberteil, allerdings sehen sie aus wie die eines Jungens. Auch sind sie ihr etwas zu groß. "Gib meinen Körper wieder her!", fauche ich, als ich endlich meine Sprache wiederfinde. "Posy...", fängt sie an. "Woher weißt du meinen Namen?", frage ich gedehnt und überlege, ob das meine Zwillingsschwester ist. "Bist du meine Schwester?", spreche ich meine Gedanken aus, aber sie starrt mich entgeistert an. "Gott, nein!", meint sie, fast lachend. Doch sofort wird sie wieder ernst. "Ich bin Lucius.", stellt sie sich vor und das gibt mir den Rest. "Lucius ist ein Jungenname!!" "Ja.", stimmt sie mir zu "und ich habe absolut keine Ahnung wie ich in deinen Körper geraten bin!", gibt sie zu. "Du bist also ein Junge?", frage ich zögernd und sie nickt. "Das ist nun mehr als nur unangenehm.", stellt sie fest und ich muss fast lachen, so skurril ist die Situation. "Also Lucius, warum hast du meinen Körper?"

"Das heißt, du bist aufgewacht und wusstest nichts mehr. Dann fandest du den Rucksack und nachts hast du von mir und dir geträumt, als wir Kinder waren?", fasse ich alles zusammen und kann immer noch nicht wirklich glauben, dass das alles stimmt. Vielleicht würde, nein ich weiß, dass ich ihn für verrückt erklären würde, wenn nicht ich selbst dasselbe erlebt hätte. Neugierig werfe ich einen Blick zu ihr, ihm, wie auch immer. "Lass das!", fauche ich und schlage ihr die Hand von ihrer Brust weg. "Was?", fragt er überrascht. Kritisch mustere ich sie. "Das bin ich. Also begrapscht du mich in gewisser Weise.", meine ich und habe wohl nie gedacht, dass ich diesen Satz je sagen werde. Sie wird rot und blickt weg. "Okay.", wechsle ich das Thema, während wir den Broadway hinunter gehen "erstens: Wie soll ich dich nennen?" "Lucius.", kommt sofort seine Antwort, allerdings überlegt er dann kurz. "Luc, das ist besser und in der Erinnerung nanntest du mich so." "Gut.", stimme ich zu. "Zweitens: Wohin gehen wir? Ich habe ein Hotel hier in der Nähe, wir könnten dorthin gehen und naja, überlegen, was wir als nächstes machen.", biete ich ihm an. "Das klingt gut.", überlegt Luc und nickt.

Schweigend, da wir beide nicht wissen, was wir genau sagen sollen, sitzen wir auf dem Bett. Luc räuspert sich und mein Blick huscht zu ihm. Im selben Moment blickt er mich an und wir fühlen uns beide ertappt, weshalb wir uns wegdrehen. Nachdem er sich eine Weile im Spiegel betrachtet hat, kam er zu mir aufs Bett. "Also, was ist eigentlich mit dir?", fragt Luc nach einer Weile. "Was meinst du?" "Deine Geschichte. Ich habe dir erzählt wie ich aufgewacht bin. Was ist mit dir?" "Woher willst du wissen, dass ich wie du bin?", will ich wissen. "Ist das nicht offensichtlich?", lächelt er wissend. Da ich nicht antworte, fährt er fort. "Zu aller erst hast du mich gefragt ob ich deine Schwester bin. Dann hast du mich nicht angesehen, als wäre ich verrückt, als ich dir alles erzählt habe. Außerdem konntest du dich nicht an die Erinnerung erinnern." Und in dieser Sekunde weiß ich, dass dieser Junge, Lucius, der meinen Körper hat, jemand ist, der alles bemerkt, obwohl man denkt, dass er einem nicht einmal zuhört. "Also.", fange ich an und erzähle ihm wie ich aufgewacht bin. In meinem Hotelzimmer mit dem Rucksack. Dann erzähle ich ihm von meinem Traum, meiner Zahl.

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"Meine Zahl ist 8263013. Glaubst du, sie haben etwas miteinander zu tun?", fragt er mich. "Hm, wir hatten denselben Traum, haben jeder unser Gedächtnis verloren und denselben Rucksack. Ich glaube nicht, dass die Zahl da hinein passt.", erwidere ich so sarkastisch wie nur möglich.

"Was ist dort am Gate passiert?", bohrt er nach. "Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Es wirft nur noch mehr Fragen auf.", gebe ich seufzend zu. "Erzähl mir davon.", fordert er mich auf. "Okay, naja da gibt es nicht so viel zu erzählen. Keine Ahnung was die Men in Black von mir wollten", ich warte kurz, da er über mein "Men in Black" Wortspiel lacht (da die Männer wirklich in schwarzen Anzügen gekleidet waren) "aber als sie mich gepackt haben, war es, als hätte ich es schon tausend Mal zuvor gemacht. Mein Körper hat die Kontrolle übernommen. Ich habe gezwinkert, einen Luftzug gespürt und dann war ich plötzlich hier, vor einem Hotel in der Nähe des Broadways." Anscheinend glaubt er mir, denn er nickt. "Wie wäre es, wenn wir uns zuerst um dein Problem kümmern?", schlage ich vor. "Einverstanden, aber zuerst muss ich noch ins Bad." Geschockt und auch etwas angewidert starre ich ihn an. "Nein!", streitet er sofort ab und hebt die Hände. "Ich muss nur aufs Klo, weil ganz ehrlich, ich will wissen wie das so ist."

Peinliche Stille herrscht nachdem Luc von der Toilette zurückkehrt. Ich will nicht fragen, tue es dann aber trotzdem, denn alles ist besser als Stille. "Und?" "Es ist bequem.", überlegt er zögernd. "Aber keine Ahnung, da unten..." er sucht nach den richtigen Worten "fehlt etwas." Ich pruste los und er sieht mir zu, bevor er auch anfängt zu lachen. "Ich bin froh, dass du lieber du als ich bist. Zum Schluss hättest du meinen Körper behalten.", grinse ich. Er lacht und schüttelt den Kopf. "Also, wie hast du dich in mich...verwandelt?", frage ich nun wieder ernst. "Ich habe an dich gedacht. An dein Gesicht." Warum auch immer, ich werde rot und drehe mich weg. "Dann denk jetzt einfach an dich.", biete ich an und wende mich ihm zu. "Ein Versuch ist es wert.", nimmt er meinen Vorschlag an und schließt die Augen.

Fasziniert betrachte ich ihn. Da ich Angst habe, dass ich seine Konzentration störe, bin ich still. Aber ich kann nicht anders als aufkeuchen, als plötzlich seine Schultern breiter werden, die Haare kürzer und er wird größer. Schließlich öffnet er die Augen. Grüne Augen. Und seine Haare sind braun und zerzaust. Jetzt passt die Kleidung wieder. Ich muss zugeben, dass er gut aussieht, allerdings würde ich das vor ihm nicht zugeben. "Hey.", grinst er mich an und lacht, als er meinen faszinierten Gesichtsausdruck sieht. "Hast du etwas anderes erwartet?", fragt er zögernd. Ich schüttle meinen Kopf. "Eigentlich habe ich mir überhaupt nichts vorgestellt. Schließlich waren die letzten eineinhalb Stunden ziemlich verwirrend und da blieb keine Zeit um mir auszumalen, wie meine Doppelgängerin wirklich aussieht.", überlege ich und er nickt.

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