22 Ein Anruf nach Hause

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Janniks Pov

Ich schüttle nur mit dem Kopf bei Cecilias Bitte.
"Das ist unmöglich. Verrückt und unmöglich. Ich kann sowas nicht und es ist auch eine blöde Idee. Eine Idee, die vom verrückten Jérôme nur kommen kann!"

Eine Stunde waren die Freundinnen zusammen und nun möchte meine Prinzessin mit ihren Eltern reden über Skype oder wie auch immer? Und ich soll ihnen verklickern, dass ihr Bauch von einem Theaterstück her rührt? Ohne mich!

"Bitte. Ich brauche die aufmunternden Worte von meinen Eltern. Würdest du nicht auch gerne einen Videoanruf von deinen Eltern haben?", sagt Cecilia, ohne auf die letzte Frage zu achten. Sofort setzt sie einen Entschuldigungsblick auf.

Einen Videoanruf von meinen Eltern? Ich wäre bestimmt irgendwie komisch, da ich meine Erzeuger nicht kenne. Meine Eltern sind die Erzieher der Schule und auch Dr. Young. Dr. Young hat mich alles gelehrt und auch meine Gefühle ausgeschaltet.

Doch durch Cecilia lerne ich alle menschliche Gefühle neu kennen, was mich in den Augen von Dr. Young verweichlicht macht. Deshalb muss ich mich auch nachts rausschleichen, um mich wieder an die Gefühlskälte zu gewöhnen. Denn wer Liebe empfindet und gibt, ist kein perfekter Spender und Mann.

"Jannik, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht zum weinen bringen.", spricht mich auf einmal Ceci an und jetzt bemerke ich auch die nassen Wangen von mir. Ich weine? Echte Tränen? Wie ist das möglich? Ich habe noch nie solche nassen Wangen gehabt.

Eine Umarmung von Cecilia bricht mich. Alles, was ich gerade gedacht habe, kommt hinaus. Das von meiner Geburt, meinen Eltern oder Erziehern, von Dr. Young und von der Gefühlskälte, die ich eigentlich haben sollte. Aber das ich sie nicht mehr habe, was durch sie passiert ist.

Ihre Hände streichen mir gleichzeitig über den Rücken und den Kopf, was mich beruhigt. Eigentlich beruhige ich mich durch ihre Nähe, denn sie umgibt eine mächtige, liebevolle Aura. Die, die einen beruhigt.

Nachdem ich wieder normal reden kann, ohne in Tränen auszubrechen, wird Cecilias Bitte wieder zum Thema.
"Nur zehn Minuten. Die machen sich Sorgen und ich möchte ihnen nur zeigen, dass sie sich keine Sorgen machen müssen, auch wenn das nicht stimmt.", flüstert sie mir zu, um mir keine Angst zu machen. Aber sie macht sich selber Angst, indem sie sagt, dass ihre Eltern sich keine Sorgen machen müssten.

"Vielleicht könnten wir...Was wird das?"
Ich will gerade mit einer anderen Idee, die nicht so verrückt ist, ankommen, da holt sie den Laptop aus dem Regal und klappt ihn auf. Zunächst schaue ich nur stumm zu, denn in manchen Wohnungen bekommt man keinen Empfang zum Router, doch schon kurze Zeit später ist sie auf Skype.

"Überlege es dir gut, was du machst und sagst. Denn meine Eltern sind bei vielen misstrauisch und befragen sie in Grund und Boden.", gibt mir Ceci kurz als Warnung und sofort erscheinen zwei fremde Gesichter auf dem Bildschirm. Auf dem kleinen Bildschirm unten sieht man meine Prinzessin und ahnt nicht, dass sie schwanger ist. Zum Glück.

"Mien plizingūñ. Dop ė séng?", sagt auf einmal der Mann am anderen Ende der Verbindung und ich ziehe ein fragwürdiges Gesicht. Was fasselt er da?
"Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Du sollst mit mir doch auf Englisch reden, nicht auf Nagulk'š. Da verstehe ich nur die Hälfte.", spricht Cecilia aufgebracht zu dem Herren, der nur den Kopf schüttelt.

Anscheinend ist dieses Nagulk'š die Sprache aus ihrem Königreich Naura. Ihre Mutter schaltet sich in dem Gespräch mit ein.
"Höret auf. Wir haben Wochen nicht geredet und euch streitet über die Sprache, in der wir sprechen. Ich spreche English mit dich, mien plizingūñ."

Die Stimme ihrer Mutter ist so friedlich und sanft, fast genauso wie ihre.
"Ich habe dich sehr lieb, Mimin. Und dich auch, Plinli."

So langsam reime ich mir die Wörter zusammen. Mimin kann Mama, Plinli kann Papa und mien plizingūñ kann meine Prinzessin heißen. Wenn man so darüber nachdenkt, sind die Wörter wunderschön.
"Ich habe viele Freunde gefunden und hänge gerade mit einem Kumpel hier so rum.", gibt meine Partnerin als Antwort an ihre Eltern.

Ohne mit der Wimper zu zucken packt sie mich leicht am Arm und zieht mich vor der Webcam. Jetzt sehe ich im kleinen Bild uns beide, aber zum Glück keine Anzeichen für den Schwangerschaftsbauch von ihr. Also müssen wir nicht diese lächerliche Lüge auftischen. Ich hätte es sowieso nicht gekonnt.

"Mimin, Plinli, das ist Jannik. Jannik, das sind meine Eltern, von denen die Briefe herstammen und von denen ich immer wieder erzähle.", stellt uns Cecilia vor und ich gebe nur ein knappes Hallo her. Man, wieso bin ich nervös?

"Anishjia, ist das Junge, den du in Briefen gesagt hast?"
Anishjia? Sie wird von ihren Eltern Anishjia genannt? Wieso nennen sie sie nicht in meiner Gegenwart Ceci oder mit Spitznamen? Und was hat meine Prinzessin von mir erzählt?

"Ja, es ist der Junge aus den Briefen. Und danke, dass du mich mit meinen echten Namen ansprichst. Es ist auch nicht merkwürdig!"
Whoa, so patzig gegenüber seinen Eltern? Darf man das?

"Schatz, wir sind auf dich sauer gewesen, weil du es einen anderen Menschen gesagt hast. Deine Herkunft meinen wir. Aber wir haben lange drüber nachgedacht und wenn man für einen anderen Gefühle hegt, kann man die Bitte der Eltern vergessen."

Uns beiden klappt der Mund offen. Haben ihre Eltern gesagt, sie wäre in mich verliebt? Glauben die etwa, wir wären ein Paar? Mir würde die Annahme von einem Paar irgendwie gefallen, aber Cecilia empfindet nicht die selben Gefühle wie ich. Wenn ich so darüber nachdenke, macht es mich traurig und wütend sogleich.

Schnell stehe ich auf, um nicht vor der Webcam zusammenzubrechen. Um nicht loszuschreien, schnappe ich mir einen Stift und ramme ihn mir in mein Bein. Der Schmerz ist erträglicher als die traurigen und wütenden Gefühle, die mich auffressen. Mit schmerzerfüllten Gesicht schaue ich Cecilia an, die geschockt den Laptop zugeklappt hat.

"Warum hast du das jetzt gemacht?", knirscht sie mich an. Sie hat gleichzeitig eine wütende als auch besorgte Stimme zu mir. Ich schaue zuerst sie an und dann mein Bein mit dem Stift in ihm. Als ich wieder zu meiner Partnerin sehe, breche ich zusammen.

Es wird mir alles zuviel. Cecilia ändert mich von Grund auf. Doch zu welchen Preis?

Endlich geschafft. Ein neues Kapitel! Wie findet ihr die Frage am Schluss? Was denkt ihr über Janniks Handlung mit den Gefühlen? Würde mich freuen über eure Meinung.

Laut Stundenplan schwanger?!?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt