Andre (X)

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Ich stürme in die Küche, da mich ein ungutes Gefühl plagt und mich nicht in Ruhe lässt. Meine Elvira ist zu lange in den Händen meiner Mutter, und das gefällt mir überhaupt nicht. Nicht, dass ich meine Mutter nicht liebe und sie wertschätze, aber sie ist eine sehr eigensinnige, seltsame Frau und kann andere Menschen gut beeinflussen. Was, wenn sie Elvira irgendetwas gesagt hat, damit sie mich verlässt? Das darf nicht passieren. Ich muss sie abhalten, bevor es zu einer Katastrophe kommt.

,,Mutter, ich hole mir meine Freundin zurück", rufe ich, als ich die Küche erreiche. Ich sehe meine Mutter still  kochen, während Elvira in sich gekehrt ist. Verdammt, sie denkt nach und das heißt nichts Gutes. Ich bin zu spät. Meine Hände jucken gewaltig und würden gerne ein paar Wände durchschlagen, aber ich halte mich zurück, da ich Elvira keinen schlechten Eindruck von mir geben möchte. Obwohl ich das Bedürfnis habe, meine Mutter anzuschreien, sie aus dem Haus zu werfen oder das Messer, das auf dem Tisch liegt, an ihren Hals zu halten, um ihr zu zeigen, dass sie sich nicht mit mir anlegen darf, lasse ich es. Hoffentlich hat sie Elvira ihre schöne Seite gezeigt und nicht diese dreckige Seite, die ich manchmal an ihr hasse. Ich will nicht, dass Elvira mich wegen dem Blödsinn, den meine Mutter erzählt hat, verlässt. Wenn das so ist, muss ich meine Mutter loswerden. Das bedeutet Krieg. Ein sehr blutiger und furchteinflößender Kampf.

Entweder schicke ich sie in ein anderes Land, damit sie ganz weit weg von Elvira ist und uns nicht stören kann, oder ich muss einen Schritt weiter gehen... Sie muss sterben und von der Welt Abschied nehmen. Ich habe ihr vor dem Treffen gesagt, dass sie sich benehmen und sich nicht unmöglich verhalten soll, aber ich habe die Vorahnung gehabt, dass sie wie immer sein wird und sich nichts verbieten lässt. Sie lässt sich auch wirklich nichts sagen und das regt mich wieder auf. Alles muss nach ihrem Willen geschehen und das geht mir auf die Nerven. Ich sollte ihr lieber die Kehle durchschneiden, sie zerstückeln oder verbrennen, während ich ihr Leid genieße. Ich habe ihr eine Warnung gegeben und sie hat diese missachtet. Ich schüttele meinen Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. Ausatmen. Einatmen. Ruhe ist die beste Methode, um Elvira aus der Küche zu entführen.

Was hat Mutter wohl erzählt? Hat sie mich gedemütigt?  Mich fertiggemacht? Schlecht über mich geredet? Ich kann es einfach nicht fassen... Warum kann sie sich einfach nicht benehmen? Ist das so schwer?  Ich schlucke meine Wut herunter und stelle mich vor Elvira. Ich bin kurz vorm Ausrasten. In mir tobt ein ausschweifender Krieg, der nicht gut enden wird. Mein Herz hämmert stark. Keine guten Anzeichen. Überhaupt nicht...

Ich schnappe mir Elviras Handgelenk und ziehe sie in einen anderen Raum. Dabei höre ich meine Mutter ,,Die Ungewissheit bringt dich um, nicht wahr?" sagen. Diese Frau kennt mich sehr gut. Nichtsdestotrotz kocht mein Blut gewaltig; trotz allem konzentriere ich mich auf Elvira, die Sonne in meinem Leben, mein Lichtbringer. Wir setzen uns zu meinen Schwestern auf das gemütliche Sofa. Dann lege ich meinen Arm um sie und küsse sie auf die Wange. So eine weiche und samtig Haut. Sie ist schön und traumhaft. Ihre Augen, die mich betrachten und mich verzaubern, mich liebevoll ansehen. Sie liebt mich, da bin ich mir sicher. Keiner würde einen so ansehen, wenn er es nicht ernst meint. Sie liebt mich. Ich lächele  zufrieden.

,,Ihr seid so süß!", kreischt Anna wie ein Kind und verdeckt wegen mir und Elvira ihre Augen. Elvira reagiert schnell und wird rot, sie drückt sich an mich und sieht auf den Boden, um den Blicken auszuweichen. Es fühlt sich so toll an, Elvira in meinen Armen zu halten. Diese Geste zeigt mir, dass sie Vertrauen in mich hat. Sie sollte schon längst wissen, dass ich sie vor allem beschützen, vor jedem retten und sie lieben würde.

,,Küsst euch. Los! Küssen, Küssen! Komm Elvira, los, küss mein Brüderchen" ruft Alise und lacht dabei. Ich schaue meine Schwester eine Zeit lang an, aber sie macht immer noch weiter. Anscheinend versteht sie meinen 'Hör auf damit'-Blick nicht. Langsam empfinde ich einen Druck an meiner Brust. Ich darf Elvira nicht bedrängen. Ich muss meine Bedürfnisse zurückschrauben, auch wenn ich sie liebend gerne küssen würde. Ich darf nichts Dummes machen. Meine Schwestern sagen zwar die ganze Zeit, dass ich sie küssen soll, aber ich lasse es. Sie soll sich nicht gezwungen fühlen, mich küssen zu müssen. Sie soll frei entscheiden.

Doch dann überrascht mich etwas... Plötzlich spüre ich bestimmte Hände an meinem Gesicht. Ihre kleinen, schmalen Hände berühren mich. Und dann fühle ich wenige Sekunden später ihre Lippen auf meinen. Sie hat meinen lebendigen Leib übernommen und klaut meine weiteren Gedanken. Und das ist gerade einmal der Anfang. Ich bin verloren.

UnheilWhere stories live. Discover now