Kapitel 22: Kletterpartien

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„Na bitte..." Macy nickte, worauf ich stoppte und es wagte, mich umzusehen: Der fette, knorrige Ast zweigte in zwei Richtungen ab. Beide Optionen, auf ich als Nächstes sitzen könnte, waren recht dick und sahen sehr stabil aus. Zu meiner Überraschung hatte mir Macy die Wahl abgenommen und sich auf die rechts liegende der zwei Abzweigungen platziert. Kurzerhand beschloss ich, auf Nummer sicher zu gehen und lehnte mich gegen Baumstamm, um dort mich mit einem erleichterten Seufzen hin zu sitzen, was mein Gegenüber nur mit einem wissenden Grinsen quittierte. Also hatte sie schon vorher meine Nervosität gemerkt und mich aus einer erschreckenden Situation elegant herausmanövriert...wie perfekt konnte ein Mensch sein? Ich warf ihr ein dankbares Lächeln zu und seufzte auf. „Danke! Puh...wie zum Teufel hat das Katniss in Tribute von Panem geschafft, immer während den Hungerspielen auf Bäumen zu leben? Ich hätte es wie Peeta gemacht und mich mit Tarnfarbe angemalt, sodass mich andere nicht sehen könnten!"

Macy lachte. „Dann bin ich wohl Katniss und du Peeta. Obwohl...du bist kratzbürstiger, also passt das doch nicht." „Ich?" Fragte ich in einem hohen, ungläubigen Tonfall und schlug mir gespielt entsetzt eine Hand vor den Mund. „Quatsch, ich bin mindestens genauso nett und liebevoll wie Peeta!" „Ja, ja, was auch immer dich nachts schlafen lässt, Frenchie." Neckte mich mein Gegenüber liebevoll, bevor sie sich voller Länge nach auf den dicken Ast legte und ihren Kopf dem Sonnenuntergang zuwandte. Ich lächelte bei diesem Anblick, ich könnte sie so ewig betrachten, sie sah so fröhlich und entspannt aus. Ihre langen, blonden Haare fielen locker nach unten, ihre blauen Augen studierten erst beeindruckt den Abendhimmel, bevor sie wieder meine anschauten.

„Ich könnte ewig hier oben bleiben. Schon als Kind habe ich meine Eltern lange wegen einem Baumhaus angebettelt, aber sie meinten, dass sie das nicht bauen würden. Der Grund für sie war dieser..." Sie verstellte ihre Stimme und meinte in einem höheren Tonfall: „ „Nein Schatz, es gibt kein Baumhaus, sonst würdest du ja nie wieder hier runter zu uns kommen!"" Ich kicherte, da ich mir das Gespräch nur zu gut bildlich vorstellen konnte, genauso wie klein Macy, die wie Rumpelstilzchen frustriert herumhüpfte und genervt aufstampfte. Ein süßes Bild. Während ich verträumt den Abendhimmel musterte, fuhr sie fort: „Ich hatte ihnen gesagt, dass ich sie nie vergessen würde und sie auch mal in mein „Dschungelhaus" oder wie auch immer ich das zu dieser Zeit genannt habe, einladen würde." „Ich hab nie ein Baumhaus gewollt." Meinte ich ehrlich und fuhr fort: „Ich hab auch nie ein Märchenschloss gewollt. Ich habe nur einen Prinzessinnenfilm gemocht und zwar Arielle. Ich wollte immer ein Unterwasserparadies mit Seetieren als Freunde besitzen und die ganze Zeit singen. Alles, was ich bekommen habe, waren falsche Freunde, eine kaputte Familie und Gesangsunterricht. Das Letztere war noch das Beste von allem, aber...ich wollte einfach mal etwas zu dritt unternehmen mit meiner Familie, ohne einen geschäftlichen Termin. Und selbst wenn ich bei irgendwelchen Freunden von mir gewesen bin, habe ich mich noch mehr alleine gefühlt, als wenn ich mal wirklich alleine war."

„Was war mit Luke?" Ich seufzte. „Ich kann leider nicht bei ihm wohnen und ihn konstant bei mir haben. Solange ich nicht achtzehn bin, geht das leider mit der geplanten WG mit Luke und Corny noch nicht klar." Ich schaute sie ernst an. „Dass du hier bist und warst, hat mir eine Menge geholfen, Macy. Ich...ähm..." Mist, warum stotterte ich jetzt auf einmal so komisch herum? Da allerdings keinerlei Spott in ihren Augen lag, sondern nur pure Neugier, traute ich mich, weiterzusprechen: „...ich war ein Miststück und habe dich unfair behandelt. Und ich weiß, dass ich dir mehr als nur viel auf den Keks gegangen bin. Ich denke, dass dieser Spruch, in dem sie sagen, dass man sich mit der Zeit angewöhnt, wie die Leute, mit denen man sich umgibt, zu verhalten, wahr ist. Ich bin dir dankbar für deine Geduld. Du wusstest es bis jetzt wahrscheinlich nicht, aber du bedeutest mir sehr viel." Macys Gesicht war in der aufkommenden Dunkelheit zwar schwer zu erkennen, aber ich konnte erkennen, dass es einen leichten Schimmer von Rosa angenommen hatte.

My Frenemy (GirlxGirl)Where stories live. Discover now