+ Kapitel 19 +

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„Jetzt komm schon, so schwer kann das doch nicht sein", legte ich meinen Kopf in meinen Nacken. „Sonst hat es doch auch immer geklappt", beschwerte ich mich und fuhr mir mit meinen Händen über mein Gesicht.
„Sonst war mein Fuß auch immer komplett intakt gewesen und sonst war unser Verhältnis auch nicht so kompliziert. Wir sollten uns weniger Druck machen", seufzte Nina und lehnte sich an meine Schulter. Eigentlich kamen wir ziemlich gut durch die Choreo, der Dreh war ja auch schon in ein paar Tagen, es haperte nur noch an einer verdammten Figur, die wir beim besten Willen nicht hinkriegten. Es war die Stelle, die eigentlich alles kaputt gemacht hatte. Eine einfache Stelle. Sie sollte sich über meinen Rücken abrollen, ich würde nach ihrer Hand greifen und fertig. Aber nein, nichts klappte hier!
„Weniger Druck machen ist leichter gesagt als getan", seufzte ich nur und sah zu ihr herüber.
„Ed, das ist dein... das hier ist unser Video. Wir werden uns doch von so ner kleinen Figur nicht unterkriegen lassen. Komm schon. Und nochmal", forderte sie und stand wieder auf. Ich folgte ihr seufzend. Wir hatten ja keine andere Wahl.

„ED! Nina!", wurden wir aus unseren Gedanken gerissen und ich schaute auf.
„Tabs? Napoleon?", fragte ich verwirrt. Ich hatte nicht mit ihnen gerechnet, sie hatten sich auch nicht angekündigt.
„Wir sind wegen ein paar geschäftlichen Sachen hier, die wir nachher noch mit Stuart besprechen. Zuerst wollten wir uns entschuldigen. Es tut uns wirklich leid, Nina. Wir hätten dich nicht so behandeln sollen. Und irgendwie hatten wir das Gefühl, dass, wenn wir uns ankündigen sollten, alle nur vor uns davon laufen", zuckte Tabitha mit den Schultern und kam auf uns zu, umarmte uns zur Begrüßung.
„Und wir dachten, in eine Probe reinzuplatzen kommt immer gut. Können wir es sehen?", wollte sie dann weiter wissen und ich sah zu Nina, die nur mit den Schultern zuckte. Ohne auf die anderen im Raum einzugehen zog ich meine Tanzpartnerin mit mir mit. Sie sah nicht ganz so begeistert aus, es war immerhin genau so wie die Situation vor ein paar Wochen, wenn auch komplett anders.
„Vertraust du mir?", fragte ich Nina leise und sah ihr in ihre Augen. Ihr eben noch starrer Blick wurde weich und warm.
„Natürlich, was ist das für eine Frage?", erwiderte Nina und ich lächelte, das Glückgefühl breitete sich langsam von meinem Herzen in meinem ganzen Körper aus.
„Eine Wichtige. Erinnerst du dich? Vertrauen ist eine der wichtigsten Grundlagen beim Tanzen. Ohne Vertrauen wird das nichts", zitierte ich sie und sie schmunzelte.
„Das stimmt ja auch. Und mach dir keine Sorgen um mich, ich krieg das schon hin", war sie dann viel enthusiastischer und ich hauchte ihr einen kurzen Kuss auf die Stirn, bevor ich mich umdrehte und Paul, der an der Musikanlage stand, ein Zeichen gab.

„Wir haben übrigens noch eine Überraschung mitgebracht", warf Napoleon irgendwann ins Gespräch ein, nachdem wir hier schon seit über einer Stunde saßen und den Dreh durchsprachen. „Wie konnten wir das nur vergessen!", schlug er sich gegen die Stirn und Tabitha sprang auf.
„Nina! Aufstehen! Aber sofort! Denn ...", sie trommelte mit ihren Fingern auf dem Tisch herum, an dem wir saßen, „du darfst dir jetzt ein Kleid aussuchen. Wir haben ein paar mitgebracht, damit du sie anprobieren kannst und wir den Rest noch ändern lassen können. Nun koooomm!", war Tabs total begeistert und hatte sich Ninas Arm geschnappt. Meine arme Tanzpartnerin schaute mich nur irritiert und hilfesuchend an.
„Darf ich nicht mitentscheiden?", wollte ich gerade noch einwenden, als Nina schon aus dem Raum gezerrt wurde.
Stuart, Napoleon und Paul, die noch mit am Tisch saßen, grinsten mich nur an.
„Willst du dir die beiden wirklich antun? Es geht hier um Frauen und Kleider! Diese Kombination willst du dir nicht geben. Außerdem, so ist das halt. Nimm's nicht so schwer. Ist wie bei ner Hochzeit, Ed. Da darfst du die Braut im Kleid auch vorher nicht sehen", ärgerte Paul mich und ich hielt meinen Atem an, wollte mich erst noch wehren, gab dann aber auf und ließ das anbahnende Bild von Nina im Hochzeitskleid meinen Kopf füllen. Es hatte ja eh keinen Sinn, sich dagegen zur Wehr zu setzen.
Bevor ich irgendwas bissiges Sagen konnte, war Paul schon aus dem Raum geflüchtet und hatte Napoleon gleich mitgenommen. Jetzt war nur noch Stuart hier um mich zu ärgern.
„Du siehst besser aus. Und Nina ist anscheinend auch nicht mehr so fertig so sein, ihr scheint es jetzt viel besser zu gehen", fing er an und hatte diesen Unterton drauf, den er immer drauf hatte, wenn er gleich zu einer Moralpredigt ausholen wollte.
„Ja, Papa, ich pass auf mich auf. Und ich mache nichts, was meiner Karriere schaden könnte. Und ich mache nichts, was mir schaden könnte. Oder so", erwiderte ich so einfach nur und hoffte, das Thema so gleich vom Tisch zu haben, doch nicht mit Stu.
„Ich mein ja nur, ich hab ja nichts dagegen, wenn du dich austobst und super Songs lieferst, aber ich möchte auch nicht, dass es dir schlecht geht. ... Nicht, dass du nachher noch ein uneheliches Kind an der Backe hast", grinste mich mein liebster Manager an und ich verdrehte die Augen. Das war jetzt wirklich zu viel.
„STUART! Hast du nicht irgendwas Organisatorisches zu tun?!", maulte ich und sah ihn auffordernd an.
„Ich mein ja nur", hob er jedoch nur abwehrend die Hände. „Obwohl ich sagen muss, mir gefällt die Vorstellung von dir als Vater. Egal, ich hab wirklich zu tun. Viel Spaß heute Abend. Aber nicht zu viel Spaß. Man weiß ja nie, was immer so passieren kann", lachte er leise vor sich hin und flüchtete wohlweißlich aus dem Raum, so wie Paul und Napoleon auch schon geflüchtet waren. Heute hatten sie es anscheinend alle auf mich abgesehen.
Aber hey, immerhin hatte ich jetzt genug Ruhe, meine Hautfarbe wieder runter zu regulieren und mir zu überlegen, ob ich mich in die Höhle des Löwens wagen und mich den beiden Frau zum Fraß vorwerfen sollte. Es war immerhin mein Video, da wollte ich auch noch ein Wörtchen mitzureden haben!

Thinking out loud (Ed Sheeran)Donde viven las historias. Descúbrelo ahora