+ Kapitel 11 +

98 13 0
                                    

Geschockt sah ich zu Nina herunter. Schmerzverzerrt griff sie sich an ihren Fuß und wurde blass. Ihre Fassade bröckelte immer weiter. Und ich stand nur da und starrte sie vollkommen neben mir an, während alle anderen schon auf sie zugerannt waren, um sich ihren Knöchel anzuschauen. Was hatte ich denn jetzt schon wieder angerichtet?
„Scheiße, das wird blaue Flecke geben. Nein, nein, nein! Und was ist mit deinem Fuß?", redeten alle durcheinander und Napoleon drückte die anderen zur Seite, während er ihren Fuß abtastete. Ihr Gesicht wurde dabei immer schmerzverzerrter.
„Es dürfte nichts gebrochen sein. Aber sie ist ziemlich stark umgeknickt. Zwei Wochen schonen mindestens, dann langsam wieder anfangen", meinte er und ich schloss die Augen, merkte, wie mir alle Farbe aus dem Gesicht wich.
Paul, der losgelaufen war, um einen Kühlakku zu holen, stürmte wieder auf sie zu und rempelte mich an, riss mich aus meiner Trance.
„Stuart? Wir rufen Stacey an, sie wird so schnell wie möglich herkommen und sie tanzt dann mit Ed weiter. Vor allem nach dem, was Nina heute geboten hat... und dann drehen wir mit Stacey in zwei Wochen das Video", meinte Tabitha, die auf meinen Manager zugelaufen kam, und mein Blick ging direkt zu Nina, die die Tränen mittlerweile nicht mehr zurück halten konnte. Tabs Worte gaben ihr den Rest.
„NEIN!", mischte ich mich so aber ins Gespräch ein, ließ meinen Blick dabei immer noch auf Nina ruhen, die mich verzweifelt anstarrte.
„Das Video wird mit Nina gedreht, mit niemand anderem", meinte ich und mein Tonfall duldete keine Widerrede. Es reichte mir.
„Aber Ed, der Zeitplan und ...", wollte Stuart auf mich einreden, ich schüttelte nur den Kopf.
„Nein. Meine Entscheidung. Ohne Nina kein Videodreh. Dann drehen wir das Video eben erst ein paar Wochen später. Ist mit scheißegal. Wir werden sie nicht einfach ersetzen. Ausgeschlossen."
„Aber sie kann die Emotionen doch eh nicht rüberbringen und wie sie heute getanzt hat, war katastrophal!", wiedersprach Napoleon und ich atmete tief durch. Sie hatten ja die Chance gehabt, nicht zu widersprechen und mir einfach meinen Willen zu geben, es war immerhin MEIN Video, aber so langsam war ich auf 180!
„WENN MAN EINMAL EINEN SCHLECHTEN TAG HAT, IST MAN ALSO GLEICH UNTEN DURCH. UND AUSSERDEM WÜRDE ICH ERSTMAL GENAU SCHAUEN, WAS ÜBERHAUPT PASSIERT IST. ICH HABE SIE ZU FRÜH LOSGELASSEN, ALSO IST DAS GANZE HIER MEINE SCHULD UND NICHT IHRE. UND JETZT SCHLUSS DAMIT, ICH HABE DAS LETZTE WORT", brüllte ich die anderen an, die nur schockiert ihre Köpfe einzogen. „Wir werden den Dreh verschieben. Und ich bringe Nina jetzt auf ihr Zimmer. Sie muss sich ausruhen, damit sie schnell wieder fit wird", setzte ich leiser hinzu und ging auf die schockierte junge Frau zu, die gar nicht wirklich realisierte, was um sie herum abging. Totalausfall.
Ohne auf die Proteste der anderen zu hören griff ich unter Ninas Rücken und Kniebeugen und hob sie hoch, ging einfach an allen vorbei. Raus aus diesem Chaos. Ich wollte nicht, dass sie ihr noch mehr weh taten.
„Nina, es tut mir leid wegen deinem Fuß. Ich hätte diese ganze Probe gleich absagen sollen, aber da Tabs und Napoleon und Stuart kommen wollten, hab ich es nicht übers Herz gebracht. Ich wollte nicht, dass es so endet und du dich wegen mir auch noch verletzt. Das war ganz sicher nicht meine Absicht. Es tut mir leid", redete ich leise auf sie ein. Das wollte ich wirklich nicht. Ich wollte ihr doch keinen Schaden zufügen.
„Schon okay", murmelte sie zögerlich, als ich sie in ihr Zimmer trug und sie aufs Bett legte. Ich holte ihr einen neuen Kühlakku, legte ihren Fuß hoch und brachte ihr noch etwas zu trinken. Sie sah mich nur aus ihren verweinten Augen an und ich merkte, wie sie immer kaputter und müder wurde.
Ohne weiter darüber nachzudenken setze ich mich zu ihr an die Bettkannte und fing an, das erstbeste Schlaflied zu summen, das mir einfiel. Sie brauchte erst mal Ruhe. Und die würde sie bekommen.


+


Wieder ein Tag wie jeder andere. Fuß hochlegen, eincremen und warten. Ich war am Tag nach dem Unfall direkt zum Arzt gegangen, hatte alles untersuchen lassen. Nichts gebrochen, aber die Prognose mit zwei Wochen Ruhe, die Napoleon gestellt hatte, stimmte. Und ich hielt schon den zweiten Tag nicht mehr aus. Denn das einzige, was ich hier, alleine in meinem Zimmer, machen konnte, war nachdenken. Und das wollte ich eigentlich absolut nicht tun, denn egal, über was ich nachdachte, ich kam am Ende immer wieder zu Ed und zu seinem geschockten Gesichtsausdruck, als er realisierte, dass ich ich war. Warum zum Teufel hatte ich es ihm nicht gleich gesagt?
Und so zogen die Tage vorbei. Ich lag im Bett, wurde ab und an von Paul besucht, der mich auch nicht wirklich aufheitern konnte, und ich weinte. Viel. Und lange.
„So kann das doch nicht weitergehen", murmelte ich und versuchte so aus dem Bett zu klettern, dass es nicht all zu sehr wehtat. Das Gleiche wiederholte ich mit dem Anziehen – vor allem bei meiner Hose.
Ich musste hier raus. Auch wenn ich mit meinem Fuß wahrscheinlich nicht all zu weit kommen würde.

Thinking out loud (Ed Sheeran)Where stories live. Discover now