~ Kapitel 14 ~

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„Scheiße", murmelte ich leise und las immer wieder diesen verdammten Brief durch. Warum? Warum nur? Warum gerade jetzt?
„Jackie? Essen?!", rief meine Mutter mir durch die Tür zu und klopfte dreimal laut mit der Faust dagegen. Ich erschrak fürchterlich und seufzte wieder, stand dann aber mit einem Blick zur Uhr auf. 15:07 Uhr. Perfekte Zeit fürs Mittagessen...
„Bin ja schon da", murmelte ich leise, als ich mich zu meiner Mutter setzte, die mich von der Seite her betrachtete, als sie mir meinen Teller mit Essen füllte. Es sah ziemlich farblos aus, leblos und grau. Das Kartoffelpüree war mehr weiß als gelb – wurde wohl ziemlich gestreckt – und die Fischstäbchen ertranken in Fett. Und der Spinat sah auch nicht mehr so grün aus, wie er mal gewesen war. Aber hey, immerhin war es heiß.
Demotiviert steckte ich mir eine Gabel beladen mit Essen in den Mund und kaute. Okay, ich nahm alles zurück. Gerade noch lauwarm war es, die Fischstäbchen schon kalt... Aber was sollte ich mich beschweren? Es war der einzige Tag, wo meine Mutter frei hatte und kochte, was sollte ich da auch erwarten?
„Was ist denn los, Schätzchen, schmeckt es nicht?", fragte sie wie jeden Mittwoch und ich lächelte sie an. Ich versuchte es jedenfalls.
„Nein, ist lecker... ich fahr bloß nicht mehr nach London am Wochenende", murmelte ich und senkte den Kopf.
„Jackie? Geht es dir nicht gut? Du hast zwei Monate dafür gespart? Bist in jeder freien Minute draußen mit der Gitarre gewesen und jetzt fährst du nicht mehr? Haben Ed und du euch gestritten?", fragte sie überfürsorglich und ich schüttelte nur den Kopf. Wenn es das nur wäre...
„Nein, das nicht..."



„Hey Lovely", schallte Eds gut gelaunte Stimme durch den Hörer. Wie immer, wie jeden Abend. Und ich brauchte das, ich konnte ohne diese Telefonate nicht überleben. Den ganzen Tag über freute ich mich auf nichts anderes, als seine Stimme zu hören. Doch heute war es anders. An diesem Mittwoch war ich alles andere als erpicht darauf, ihm diese Schreckensbotschaft mitzuteilen.
„Hey Teddy", murmelte ich so nur.
„Wie geht es dir? Wie war dein Tag?", fragte er und schien nebenbei noch beschäftigt zu sein, hatte meine schlechte Laune gar nicht realisiert.
„Störe ich dich?", fragte ich so zuerst und er legte sofort seine Sachen zur Seite, setzte sich wohl irgendwo hin.
„Nein, entschuldige, Jackie", antwortete er und man konnte förmlich hören, wie er den Kopf einzog, seiner guten Laune tat das aber keinen Abbruch. „Ich hab gerade nur angefangen, mein Bett von irrsinnigen Songtextideen zu befreien, damit wir ein wenig mehr Platz haben", grinste er in den Hörer. Er freute sich noch... Er dachte ja auch, dass ich noch kommen werde.
„Den brauchen wir nicht", redete ich so aber nicht lange um den lauwarmen Kartoffelbrei herum und lehnte mich vor meinem Fenster unten an die Wand, schloss die Augen. Erst antwortete Ed nicht, er war wahrscheinlich zu verwirrt von meiner Aussage, dann seufzte er.
„Du kommst nicht?", fragte er trocken, aber man merkte, dass ihn das belastete. Ich merkte es, an seiner Stimme, an diesem leichten Krächzen, als ob ihm die Luft wegbleiben würde. Anderen wäre es bestimmt nicht aufgefallen, aber ich wusste mittlerweile, wie er reagierte, wenn ihn etwas wirklich Nahe ging.
„Ja", antwortete ich so nur eben so simpel und dann war es erst mal still. Ed musste nachdenken, ich musste nachdenken.
„Warum?", fragte Ed nach einigen Minuten, in denen er sich anscheinend wieder gefangen hatte.
„Vorsprechen bei Leuten von ner Musicalschule. In Cambridge. Samstagmittag", erklärte ich so nur und seufzte, wie schon so oft in den letzten Minuten und Stunden. „Ich hab überlegt, abzusagen", begann ich, doch Ed fiel mir sofort ins Wort.
„Das wirst du ganz sicher nicht tun", meinte er aufbrausend und sprang vom Bett auf, irgendwas fiel nämlich gerade laut klappernd zu Boden. „Du wirst wegen mir ganz sicher nicht so ne Chance aufgeben!"
„Es ist doch gar nicht gesagt, dass ich gut genug bin! Dass ich das kann, was sie suchen?", wollte ich widersprechen, wusste aber, dass er Recht hatte. Ich konnte so eine Chance nicht so einfach wegwerfen, so sehr in Ed liebte. Ich würde mir das ewig vorhalten.
„Jackie! Hör auf mit dem Schwachsinn. Du bist gut genug. Ende. Da gibt es auch nichts mehr zu diskutieren. Du wirst da hingehen, sie umhauen und dann ist alles gut", meinte Ed leise und auch wenn er es so meinte, hörte ich, wie traurig er war.
„Danke", murmelte ich so nur und Ed schüttelte mit dem Kopf schüttelte, seine langen Locken rieben dabei am Handy und ein leises Rascheln drang an mein Ohr.
„Dafür, dass ich die Wahrheit sage?"

Thinking out loud (Ed Sheeran)Where stories live. Discover now