2. Kapitel (5)

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»Hey!«, rief ich hinter ihr her. Sie schien mich nicht zu hören.

***

Nach sechs Stunden hatte die Tortur des ersten Schultags ein Ende. Der Strom der anderen Schüler trieb mich durch den Haupteingang und unter das Vordach beim großen Parkplatz. Erleichtert atmete ich die schwüle Luft ein. Endlich frei!

Von wegen!

»Hey! Ja, du! Die Neue!« Corrie, Joshs Prinzessin mit den schwarzen Locken und ein blondes Püppchen in einem schwarz-pink gemusterten Babydoll-Kleid schlenderten auf mich zu. Die anderen Schüler wichen zurück. Alle Gespräche um mich herum verstummten: Jeder wollte hören, was passierte.

Zeit, abzuhauen! Zu spät sah ich mich nach einem Fluchtweg um. Sie umzingelten mich: Corrie links, das blonde Püppchen rechts und dazwischen Joshs schwarzgelockte Prinzessin. Sie trug goldene Ohrringe und ein goldenes Halskettchen, an dem als Anhänger eine zierliche Krone hing. Ihre dunklen Augen musterten mich hochmütig. Plötzlich wusste ich, dass sie keine Prinzessin wie die anderen war, sondern die Königin der High School.

»Tut mir echt leid«, begann sie mitfühlend.

»Äh, was?«

»Na, dass bei dem Umzug deine Klamotten verloren gegangen sind.«

»Meine Klamotten? Wovon redest du?«

Corrie neben mir lachte. Die Blonde riss theatralisch die Augen weit auf. »Oder ziehst du dich absichtlich so an?«

Wütend fuhr ich herum. Wenn sie glaubte, dass ich mir das bieten lassen würde ... »O Gott! Was ist das für ein Riesenpickel?«, rief ich und setzte eine übertrieben schockierte Miene auf. Ich starrte Blondie ins Gesicht, bis sie in ihrer Umhängetasche nach einem Spiegel zu kramen begann. »Sorry, falscher Alarm. War nur deine Nase!«

Niemand lachte.

Blondie lief knallrot an. »Du siehst aus, als würdest du in einem Trailer wohnen!«, fauchte sie und schien noch mehr sagen zu wollen, aber die Königin schnippte mit den Fingern und sie verstummte.

Unsere Blicke trafen sich. Die Königin schenkte mir ein zuckersüßes Lächeln. Ich war mir plötzlich sicher, dass sie von meinen Gefühlen für Josh Mercer wusste – und es witzig fand, weil ich gegen sie nicht die geringste Chance hatte.

»Wir sehen uns.« Das klang wie eine Drohung.

Sie stolzierte davon. Ihr Hofstaat folgte ihr.

Sobald sie weg waren, nahmen die anderen um mich herum ihre Gespräche wieder auf. Niemand bezog mich mit ein. Mir kam es sogar vor, als wollte niemand in meiner Nähe stehen. Mein erster Tag und obwohl ich nicht wusste, wie, hatte ich die Chance, hier Freunde zu finden, gründlich vermasselt!

Hoch erhobenen Hauptes stapfte ich hinüber zum kleineren Parkplatz. Zwischen all den Pickup-Trucks stach ein Auto hervor, das grün wie eine Kolibrifeder schillerte. Grün wie Joshs Augen. Während ich mich fragte, wem es gehörte, räusperte sich jemand dicht neben mir.

Ich fuhr herum.

»Hey.« Er grinste mich an. »Fliegt dein Kolibri wieder?«

KolibriküsseWhere stories live. Discover now