1. Kapitel (3)

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Er runzelte die Stirn und, oh verdammt, das war eindeutig der falsche Zeitpunkt, um zu bemerken, dass seine Augen so grün wie Kolibrifedern schillerten. »Nicht ›es‹. ›Ihn‹. Er ist ein Kolibri.«


Mein Samariter hielt mich garantiert für bescheuert, doch er spielte mit. »Wir schleppen ihn ab und du kannst mit mir zur Werkstatt fahren. Ist nicht weit.«

Vor mir lagen zwei endlose, sterbenslangweilige High-School-Jahre, die ich hier in der Einöde Indianas absitzen musste, während sich meine Mom in der Karibik bräunte und Tante Mays Baby mein Zimmer kriegen würde. Die Sonne brannte glühend heiß auf uns herab. Meine schwarzen Haarsträhnen klebten am Nacken, das T-Shirt an meiner Brust. Und trotzdem fühlte ich mich ein wenig besser, als ich meinem Samariter bei der Arbeit zusah. Seine Hände wussten, was sie taten. Bald waren sie ölverschmiert wie Macks und ich wandte mich hastig ab, weil mir bei diesem Gedanken die Hitze in die Wangen stieg.

Macks Lippen und seine Hände waren das Einzige an ihm, was ich vermisste.

»Versuch jetzt zu starten. Sollte hoffentlich klappen.«

Gehorsam lehnte ich mich durch die Fahrertür ins Innere des Kolibris, fand den Zündschlüssel und war fast ein wenig enttäuscht, als der Motor ansprang.

Mein Samariter wischte sich die öligen Hände an den Jeans ab. Sein Blick fiel auf den Rücksitz. »Du hast ganz schön viel Gepäck. Machst du Urlaub?«

»Nein. Ich ziehe um.«

Er lachte, als wäre das ein Witz. War es ja auch: ein Witz auf meine Kosten! Plötzlich stürmte alles wieder auf mich ein – Indiana, Page, Tante Mays Baby.

»Danke«, stieß ich hervor.

»Kein Problem. Fahr nicht zu weit. Und nicht zu schnell.« Er klang so überfürsorglich wie Tante May. Bevor ich etwas einwerfen konnte, fügte er entschuldigend hinzu: »Wie gesagt: Ich bin kein Mechaniker.« Er rieb sich die Wange, verschmierte einen Ölrest darauf.

»Wie hoch stehen die Chancen, dass mein Auto explodiert?«

Das entlockte ihm ein Grinsen. »Wenn du da vorne rechts abbiegst, kommst du nach Lacuna. An der Main Street liegt eine Werkstatt, aber ein Tipp: Fahr lieber weiter zu Joe's Pit Stop an der River Road. Frag nach Gary und dem ›Mercer-Spezialdeal‹. Es sollte nicht mehr als fünfzig Dollar kosten.«

»Danke.«

»Kein Problem«, wiederholte er. »Ich muss jetzt los.«

»Um alten Ladys über die Straße zu helfen?«, neckte ich ihn.

»Nein, um einen Weidezaun zu streichen.«

Wir musterten einander, er mit seiner Bandana und seinen Kolibriaugen, ich mit meinem verschwitzten T-Shirt und den Haarsträhnen, von denen gefühlt jede einzelne an meiner Wange oder Stirn oder an meinem Nacken klebte.

Er schien auf etwas zu warten.

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