Polly allein zu Haus

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Ferienkapitel

*Pollys Sicht*
4 von 5 Kindern fahren mit ihren Eltern gemeinsam in den Urlaub.
Meine Eltern haben es fertig gebracht, mich zu Hause zu vergessen.
Die Ferien hätten nicht besser beginnen können. Es sollte einer der der schönsten Sommer seit vielen Jahren werden. Ich hatte dieses unfassbare Glück gehabt, mit meinen besten Freundinnen zusammen Teil einer Geheimorganisation zu werden, die uns für eine ihre Sondereinheiten ausbilden wollte. Kann es etwas besseres geben?
Da ich aufgrund dieser Begebenheit die nächste Zeit wo auch immer verbringen würde, hatte meine Familie beschlossen, diese Ferien so viel Zeit wie möglich gemeinsam zu verbringen. Ohne großes Zögern packten mich meine Eltern noch am letzten Schultag in den Koffer und 20 Stunden später stand ich in der glühenden Hitze Frankreichs. Hatte ich Lust auf diesen Urlaub? Nein, so überhaupt gar nicht. Aber ich ertrug es heldenhaft.
Nach vier Tagen, in denen ich bei über 40 Grad durch die Pampa Frankreichs gestapft war machte ich mir innerlich eine Notiz, kommende Unternehmung, die eine Temperaturmarke von 25 Grad überschreiten würden, zu boykottieren.
Noch weitere 6 Tage später hätte ich mich ohne Probleme vor einen Stand Sommertomaten stellen können. Ich hätte eine Tarnung gehabt, die der eines S.H.I.EL.D. Agents mehr als würdig gewesen wäre. Mein kompletter Körper strahlte nur so vor Sonnenbrand.
Dieser Urlaub war meine persönliche Folterkammer. Ich wollte nur noch nach Hause, in mein Bett. Oder in einen kühlen Wald. Eine Tiefkühltruhe (ich konnte nicht mal mehr Witze über Tiefkühltruhen machen). Alles nur nicht das hier.
3 Tage später hatte ich aufgegeben. Dieses Land musste mich hassen. Dessen war ich mir inzwischen ziemlich sicher. Nachdem ich mich zwei Tage lang nicht bewegen konnte, da ich die ganze Zeit das Gefühl hatte am lebendigen Leib zu verbrennen ließ der Sonnenbrand nach und ich sah „nur noch" aus wie ein wandelndes Stoppschild.
Konnte es etwas schlimmeres geben? Aber natürlich. Da ich mich außerhalb der Landesgrenzen befand, war mein Handy absolut nutzlos. Ich war völlig abgeschirmt von allem und jedem. Weder meinen Freunden, geschweige denn die Avengers oder nur einen Pizzaboten hätte ich kontaktieren können. Im Laufe der Zeit entwickelte ich zwar ziemlich konstruktive Methoden, um eine Nachricht zu übermitteln, aber weder auf meine Flaschenpost, noch auf meine selbst erzeugten Rauchzeichen bekam ich je eine Antwort.
Ich quengelte. Und wie ich quengelte. Es dauerte nicht lange und meine Eltern waren so genervt von mir, dass sie kurzerhand unsere Sachen packten und wir frühzeitig das Projekt „heileweltfamilienurlaub" abbrachen und wieder nach Hause fuhren. Ich war überglücklich.
Meine Eltern arrangierten es, den anschließenden Trip nach Amerika vorzuverlegen, sodass wir schon am nächsten Tag den Flieger nehmen konnten.
Die ganze Autofahrt vermied ich es, in spiegelnde Oberflächen zu schauen, da ich immer noch aussah wie das Ampelmännchen persönlich. Sobald wir die Landesgrenze erreicht hatten steckte ich mir meine Kopfhörer ins Ohr und holte nach, was ich verpasst hatte. Ich musste mir ein Quietschen verkneifen, als Maya mir ein Bild schickte, das ein kleines grünes Irgendwas zeigte, das versuchte, einen Kaktus zu fressen.
Zu mehr als einer hochgezogenen Augenbraue war ich bei dem nächsten Bild nicht möglich. Das Bild zeigte ein kleines Bonsaibäumchen auf meinen Schreibtisch. Dazu die Unterschrift „Der sollte sogar bei dir überleben. :) Passt gut aufeinander auf" Ich schnaubte und beschloss, Tony für die nächsten Tage zu ignorieren. Okay, besser gesagt, ich nahm es mir fest vor.
Als nächstes bekam ich ein Bild, das eine handvoll Avengers beim Eis essen zeigte, zusammen mit Nala und ihrer Schwester, die stark danach aussah als würde sie einen Exorzismus durchführen. Das sollte mich wahrscheinlich irritieren, aber inzwischen akzeptierte ich so einiges.
Mehr Sorgen machte mir Leia, die irgendwo in England hockte und langsam versauerte. Ich beschloss, dass ich mich darum kümmern würde.
Ein paar Stunden später öffnete ich freudestrahlend meine heimische Zimmertür. Das Erste, was mir ins Auge viel war dieser verdammte Bonsai. Ich hatte keine Ahnung, was ich damit machen sollte, also nahm ich ihn und stellte ihn in den Flur neben die Treppe. Da es schon spät war, ließ ich meinen Koffer neben meinem Bett stehen, zog mir mein Schlaftop an und warf mich in mein Bett. So schnell würde ich freiwillig nicht wieder aufstehen.
12 Stunden später hatte sich mein Zimmer so aufgeheizt, dass ich beschloss, aufzustehen. Ich schwang die Beine aus dem Bett und wollte zur Tür gehen. Dass ich meinen Koffer am Vorabend verdammt ungünstig platziert hatte fiel mir in dem Moment wieder ein, als ich mit dem Fuß daran hängen blieb, das Gleichgewicht verlor und mit voller Wucht nach vorne fiel. Mein Tag begann damit, dass mein Kopf Bekanntschaft mit meinem Nachtschrank machte.
Ich hatte fast das Gefühl, Frankreich nahm es mir übel, dass ich vorzeitig entkommen war. Irgendwann hörte ich auf, Sterne zu sehen und fand meinen Weg ins Bad. Nachdem ich mich von meinen verklebten Klamotten trennen konnte, stellte ich mich eine Ewigkeit unter die eiskalte Dusche. Als ich fertig war schnappte ich mir ein großes Handtuch und stellte mich vor den Spiegel. Ew, das war ein Fehler. Ich hätte einem schlechten Horrorfilm entsprungen sein können. Meine Haut hatte das Sonnenfiasko immer noch nicht überwunden, ich sah aus, als hätte man mir stundenlang mit einer groben Waschbürste über das Gesicht und den Rest des Körpers geschrubbt. Meine Haare klebten klatschnass auf meinen Schultern und rote Haarfarbe sickerte langsam in das weise Handtuch. Den krönenden Abschluss bildete mein neuestes Accessoires. Um mein rechtes Auge hatte sich ein blaugrüner Bluterguss gebildet und oberhalb der Augenbraue hatte ich eine ziemliche Schramme abbekommen. Blöder Nachtschrank.
Ich wuschelte mir einmal durch die Haare und ging hinaus in den Flur.
Und da fiel es mir auf. Es war viel zu still. Normalerweise herrschte eine unglaubliche Hektik, kurz bevor meine Familie in den Urlaub aufbrach. Aber es war alles still. Ich hörte weder meine Eltern, noch ein Auto, dass gepackt wurde, oder ein Koffer der durch das Haus gezogen wurde.
Tropfend wie ich war ging ich durch das Haus, schaute in jedes Zimmer und rief nach meinen Eltern. Wäre irgendwo im Haus ein Heuballen an mir vorbei gerollt, es hätte mich nicht gewundert. Ich lief durch das ganze Hause, doch ich musste der Wahrheit ins Auge sehen:
ich war allein zu Haus.
Plötzlich klingelte das Telefon. In der Hoffnung auf ein Lebenszeichen meiner Erzeuger, rannte ich in die Küche. Was ich dabei vergaß war der neue Couchtisch im Wohnzimmer. Der Tisch hatte eine super Schienbeinhöhe. Kurzerhand rammte ich den Tisch voller Schwung und jaulte laut auf. Tränen schossen mir in die Augen. Ich umfasste beinahe weinend mein linkes Bein und schleppte mich zum Telefon.
„...hallo..?" Brachte ich schließlich heraus.
„POLLY?! POLLY!" Beinahe hätte ich das Telefon fallen lassen. Ich fing es kurz vor dem Fließenboden auf und hielt es eine Armlänge von meinem Ohr entfernt, ich konnte auch so jedes Wort verstehen, obwohl ich den Verdacht hatte, dass mein Trommelfell ernsthaften Schaden genommen hatte.
„Oh Gott Polly! Du lebst! Es tut mir so leid!" Mit zusammengekniffenen Augen versuchte ich, die geschluchzten Ausrufe meiner Mutter zu verstehen.
„Mama? ... Mama wo seid ihr?" Ich musste mehrere Male ansetzen, um meine Frage durch das Telefon quetschen zu können.
„Es tut mir so leid, mein Schatz, aber es war heute früh so hektisch... und dann wurde unser Flug vorverlegt! Und du warst in deinem Zimmer. Dann mussten wir los. Und erst im Flugzeug ist uns aufgefallen, dass du nicht da warst!"
Ich stand an die Wand gelehnt und starrte die Küchenfließen an...es dauerte etwas länger.
„Polly?" Schluchzte es aus dem Telefon.
„IHR HABT MICH ZU HAUSE VERGESSEN?!" Ich umklammerte die Küchenzeile, da ich nicht ein zweites Mal schneller als gewollt auf dem Boden aufkommen wollte.
„Ja..also nein.. du... das wollten wir nicht...aber wir können ja jetzt auch nicht wieder zurück.." Ja, nein, warum auch, ihr habt ja nur eure Tochter zu Hause vergessen.
„Und was soll ich jetzt machen?" Kleine pinke Pfützen aus Haarfarbe sammelten sich zu meinen nackten Füßen. In Gedanken überlegte ich, was meine Freunde gerade machten und bei wem ich Zuflucht suchen konnte. Währenddessen fiel mir auf, dass unser Couchtisch wohl über eine spitze Ecke verfügt, denn an meinem Schienbein hatte sich ein kleines Rinnsal aus Blut gebildet. Das...schockierte mich inzwischen auch nicht mehr wirklich.
„Also Schätzchen, pass auf du..." Schniefte meine Mutter ins Telefon. Ich drückte mir den Hörer fest ans Ohr, da ich sie kaum verstehen konnte.
„OH MEIN GOTT!" Heilige Schei**! Diesmal ließ ich den Hörer vor Schreck wirklich fallen. Ich warf mich auf meine Knie und rutschte über den Fließenboden zum Telefon. Hinter mir eine Schmierspur aus Haarfarbe und Blut.
„Mama?!"
„Pollyyyy, es ist jemand im Haus! Die Alarmanlage hat einen stummen Alarm gemeldet!" flüsterte meine Mutter ins Telefon.
„Ja Mama, ich bin doch im Haus!" Lieber Gott, was hatte ich verbrochen? Jetzt mal ganz ehrlich?
„Neiiiin, jemand hat ein Fenster von außen geöffnet." Meine Mutter stand kurz vor einem Herzinfarkt.
„Polly, geh und versteck dich in einem Schrank, ich ruf jetzt die Polizei." Krrrk. Ich blinzelte und blickte ungläubig das Telefon an. Aufgelegt. Sie hatte ernsthaft aufgelegt. Mein Kopf ruckte in Richtung Flur, als ich ein Knacken hörte. Das wars.
Ich straffte meine Schultern und zog mich mit schmerzverzerrtem Gesicht an unserem Kühlschrank hoch. So stand ich nun in der Küche. Immer noch halb nass vom Duschen, mein Handtuch mit Farbe getränkt, wo ich inzwischen nicht mehr sagen konnte, ob es Blut war oder nicht. Meine Haare klebten irgendwo an mir und entweder war ich rot gebruzelt oder blaugrün verstümmelt.
Ich hatte nicht vor, so zu sterben oder besser gesagt, wenn mich jetzt ein Killer umlegen würde, würde man mich später so finden...wie ich jetzt aussah und dass würde ich nicht zulassen. Ich blickte mich um und griff das Erste, was mir als Waffe geeignet erschien. Eine gusseiserne Bratpfanne. Super Wahl Polly, in den Horrorfilmen überleben auch immer die, die eine Pfanne bei sich hatten.
Während ich mir innerlich vorstellte, was Fury wohl dazu sagen würde, wenn man einen seiner neu zusammengestellten EAGLE Agenten tot, aber mit einer Pfanne bewaffnet auffinden würde, rannte ich so leise wie möglich die Treppe hoch in mein Zimmer.
Kurzerhand versteckte ich mich, wie befohlen, in meinem Schrank. Genau 18 Sekunden. Dann fragte ich mich selber, was ich hier machte.
Ich hatte einen grausamen Urlaub verbracht, meine Freunde seit einer Ewigkeit nicht gesehen, geschweige denn einen gewissen Kerl, der mir zuletzt einen Bonsai geschenkt hatte. Man hatte mir eine Zukunft bei EAGLE ermöglicht und ich, seit dem ich aufgewacht bin, sämtliche Mordversuche unsere Hauses überlebt. Langsam war ich wirklich angepisst von meinen Ferien.
Ich stieß meine Schranktür auf und stapfte samt meiner Pfanne in den Flur. Dort stand ich nun und lauschte auf die Geräusch im Haus. Gleichzeitig viel mein Blick auf diesen blöden Bonsai in einem massiven Tontopf. Wie war das? Passt aufeinander auf. Pff, dass konnte er gerne haben. Kurzerhand griff ich besagten Topf samt Bonsai und stellte mich an das Treppengeländer.
Ich hörte leise Schritte, die sich durch das Haus bewegten. Langsam schob ich meinen Kopf über das Geländer und konnte einen Schatten erkennen.
„Wer auch immer dort unten ist!" Da mein Tag nicht schlimmer werden konnte, beschloss ich, mich nicht kampflos zu ergeben.
„Ich habe eine Pfanne, einen Bonsai und einen echt beschissenen Tag. Und ich werde all das benutzen, um Sie dort unten zu zerstören!" Warum ich den Einbrecher mit Sie ansprach? Keine Ahnung, aber ein bisschen Höflichkeit muss ja sein.
Mein ungebetener Gast ließ sich von mir nicht wirklich beeindrucken und ich hörte, wie er die erste Treppenstufe betrat.
War das sein Ernst? Meine EAGLE Ausbildung hatte noch nicht einmal begonnen und ich musste mir schon einen Kampf um Leben und tot liefern?
Ich schluckte schwer und umgriff meine Pfanne fester. Knarz. Knarz. Knarz.
Als ich den Schatten auf der Treppe sah, hob ich leicht meinen einen Arm. Nur ein paar Sekunden später erschien ein Mann auf der Treppe.
„ICH HABE EINEN BONSAI VERDAMMT!" Ich fackelte nicht lange und schmiss den Bonsai samt Topf in Richtung des Einbrechers. Zumindest verfehlte ich ihn nicht komplett. Der Topf streifte ihn leicht am Kopf. Als nächstes hob ich meine effektive Waffe, die Küchenpfanne und setzte zum nächsten Wurf an.
„Hast du gerade einen Bonsai nach mir geworfen?!"
Ach du Schei**!
„Der hat ja nicht mal zwei Tage überlebt!" Tony Stark. Tony Stark stand halb auf meiner Treppe und blickte ungläubig zwischen dem zerschellten Bonsaibäumchen und mir hinterher. Und dann blieb sein Blick ungläubig an mir hängen. Er musterte mich von oben nach unten. Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich aussah.
Ich stand hinter dem Geländer, die Arme über den Kopf, eine Bratpfanne umklammernd. Meine Haare standen halb angetrocknet in wilden Büscheln von meinem Kopf ab. Eine mittelgroße Schramme zierte meine Stirn über dem augenbetonenden Bluterguss. Mein Bein sah aus, als hätte es jemand mit einem Beil durchhacken wollen und der Rest meines Körpers war verziert mit roten Striemen und Flecken. Das ganze wurde abgerundet, durch ein ehemals weises Handtuch mit roter Musterung. Ich sah absolut hinreißend aus.
Das zumindest war die Beschreibung, die Tony später in seinen Einsatzbericht schrieb, den er Fury vorlegte und mit dem er rechtfertigte, dass es mich aus meinem Elternhaus zu sich geholt hatte, damit ich den Rest meiner Ferien bei ihm verbringen konnte und mich nicht schon vor Beginn des EAGLE Projektes selbst umbringen würde.
Kurzerhand zog ich in den Avengers Tower, zusammen mit Bob. Bob der Bonsai.
Damit konnte ich leben.

-EAGLE- Ein Anderes Großkotziges Liebevolles Experiment (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt