Kapitel 8

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Neo

Das Haus war unscheinbar. Es war ein ganz gewöhnliches Einfamilienhaus. Oryx bückte sich und zog etwas aus seinem Schuh. Als er die Tür aufschloss merkte ich, dass es ein Schlüssel war. Und nicht nur das: das Haus war kein gewöhnliches Haus, da schon die Tür aus Metall war. Wir traten ein und schlossen die Tür wieder hinter uns. Oryx öffnete eine weitere Tür, die in ein Untergeschoss führte. Es war eine große helle Lagerhalle, an deren hoher Decke Metallstreben waren. Die Wände schienen nur aus Zielscheiben zu bestehen und weiter hinten in einer Ecke gab es eine Tür. „Er ist nicht da", sagte ich enttäuscht. „Oh, doch", erwiderte Oryx und grinste, „Er spielt mit uns. Neo hat uns schon längst gesehen." Wie eine Raubkatze auf der Jagd sah er sich um. Er verengte die Augen und rief dann: „Runter!" Ich warf mich auf den Boden und ein Pfeil sauste an meinem Ohr vorbei. Ein Pfeil? Tatsächlich. Ein schwarzer Pfeil war mit so hoher Geschwindigkeit abgeschossen worden, dass er im Betonboden neben mir steckte. „Hallo, Neo." Ich sah mich um. Ein Mann von etwa dreißig Jahren stand vor uns. Er trug Jeans, ein schwarzes Jackett und eine Sonnenbrille. Neo musterte mich skeptisch und mir fiel auf, dass ich noch immer auf dem Boden lag. Schnell stand ich auf. „Noch genauso wie damals. Sobald jemand dein Haus betritt, musst du auf ihn schießen", beschwerte sich Oryx, doch es schwang ein Lachen in seiner Stimme mit. „Hi", begrüßte uns Neo, „Muss ja was Ernstes passiert sein, denn sonst wärst du nicht gekommen. Und wer bist du?" „Susan Brickland", antwortete ich, „Ich bin Oryx'... äh?" Welches Verhältnis hatte ich eigentlich zu ihm? „Sie ist eine zukünftige Kollegin. Ich bin ihr Mentor", sprang Oryx ein. „Junge, Junge, Oryx. Du hast dich ganz schön gemacht. Mentor. Letztes Mal hattest du deinen ersten Einsatz und hast Quira hinterher getrauert", staunte Neo und nahm die Sonnenbrille ab. Seine Augen waren leuchtend blau. Er war ein Halbvampir. Der Geruch seines Blutes fehlte. Wie kam es, das Oryx mit diesem Typen befreundet war? „Ich bin auf der Flucht. Mal wieder. Können wir ein paar Tage hier bleiben?", fragte Oryx. „Wieso nicht? Kommt mit." Wir folgten Neo aus der Halle heraus in einen Korridor, von dem mehrere Türen abgingen. Oryx hatte den Pfeil aus dem Boden genommen und betrachtete ihn im Gehen. „Was ist mit dir passiert, Susan?", fragte Neo und musterte meine noch nicht ganz verheilte Haut. „Timothy. Er hat Susans Haut mehrmals verbrannt um von mir die Position der Zentrale zu erfahren", erwiderte Oryx knapp, ehe ich etwas sagen konnte. Neo grinste. „Ihr beiden also. Sieht ganz so aus als wärt ihr mehr als Mentor und Schüler. So viel also zu deinem Schwur, Oryx." Keiner von uns ging darauf ein. Neo öffnete eine Tür. „Hier könnt ihr schlafen", sagte er. Wir betraten das Zimmer. Es war nicht besonders groß und in etwa so spartanisch eingerichtet wie mein Zimmer beim VSS. Nur gab es hier zwei Betten. „Ich lasse euch kurz alleine", verabschiedete sich Neo mit einem Lächeln und zwinkerte Oryx zu. Dieser hielt noch immer den Pfeil in Händen. „Seit wann sind deine Pfeile aus Metall?", fragte er. Ganz kurz sah Neo erschrocken aus, doch dann winkte er ab: „Ach, schon länger. Die sind einfach schneller." Dann schloss er die Tür und ließ Oryx und mich alleine. Oryx warf den Pfeil in eine Ecke. Jetzt erst bemerkte ich, dass er wütend war. „Was ist los?" „Irgendetwas stimmt hier nicht", sagte Oryx, „Neo ist anders. Früher hat er nie Jacketts getragen und seine Pfeile waren immer aus Holz, weil sie schneller waren. Es ist zwar fast zehn Jahre her, dass ich ihn zum letzten Mal gesehen habe und es kann natürlich sein, dass er sich verändert hat, aber er ist wütend. Auch wenn er versucht es nicht zu zeigen. Ich kann aber nicht sehen weshalb. Neo versucht mich heraus zu halten." Es musste unheimlich frustrierend für ihn sein, Neos Gedanken nicht lesen zu können. Aber für mich sah es so aus, als würden sich die beiden wirklich gut kennen. „Hey, es kann schon mal sein, dass Leute sich verändern. Vielleicht ist in letzter Zeit etwas passiert, worüber er sich aufregt, aber du machst dir zu viele Sorgen", versuchte ich ihn zu beruhigen. „Nein", erwiderte er verbittert, „Wir müssen hier weg, aber unbewaffnet schaffen wir das nicht. Neo wird uns nicht gehen lassen. Aber wenn wir Waffen haben verschwinden wir." „Du kennst ihn besser als ich. Entscheide, was das Richtige ist. Wir werden es machen", flüsterte ich und strich mit der Hand über seine Wange. „Danke", hauchte Oryx zurück. Dann machte er den letzten Schritt, der uns noch trennte und drückte seine Lippen auf meine. Schmerz durchzuckte mich. Meine Lippen taten noch immer weh. Ich wich zurück. „Tut mir Leid", sagte Oryx und wirkte enttäuscht. „Es ist nicht wegen dir", entgegnete ich, „es tut nur weh. Von dem Feuer. Jetzt kann ich dich nicht einmal mehr küssen." „Aber du kannst dich doch heilen." Ich konzentrierte mich auf die Genesung meines Körpers, doch nichts geschah. „Ich schaffe es nicht." Oryx kniff die Lippen zusammen. „Wohin gehen wir, wenn wir von hier weg sind?", fragte ich um das Thema zu wechseln. „Zum VSS. Cory muss wissen was passiert ist. Diese Wölfe werden immer schlauer. Es gibt nur einen Grund aus dem sie uns noch nicht getötet haben: Sie müssen wissen wo die Zentrale ist, um so viele von uns zu töten wie möglich. Ein Monster weniger, was ist das schon? Sollten sie die Zentrale finden, werden sie sie im schlimmsten Fall sofort sprengen. Im besten befinden wir uns danach im Krieg. Ein Krieg, den wir vor den Menschen geheim halten sollten, es sei denn, wir wollen England in eine Monsterinsel verwandeln. So gesehen wäre die Sprengung wahrscheinlich doch besser", erklärte Oryx. Na, toll. Ein Krieg zwischen übermenschlichen Wesen. Das waren doch gute Aussichten für die nächste Zeit.

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Es klopfte an der Tür. Oryx stand auf und öffnete sie. „Wollt ihr was essen?", fragte Neo. Ich hatte tatsächlich Hunger. Seit wie vielen Tagen hatte ich nichts mehr gegessen. „Klar", sagte ich. Oryx zuckte die Achseln. „Na, dann", sagte Neo. Wir folgten ihm in eine Küche. Es gab Hühnchen. „Sag mal, Oryx, ist der Haupteingang zur Zentrale immer noch dort, wo er früher war?", fragte Neo. Diese Frage kam selbst mir merkwürdig vor. Oryx legte das Besteck zur Seite. „Ja", antwortete er kühl, „Wieso fragst du?" „Nur so", winkte Neo ab. „So eine Frage stellt man nicht nur so. Was ist los, Neo?", knurrte Oryx. „Du kennst mich schon ewig", wich Neo aus. „Und deshalb weiß ich auch, dass du so eine Frage nie gestellt hast. Du wusstest nie, wo die Zentrale ist. Ich habe es dir nie erzählt", sagte Oryx. Seine Augen wurden rot. „Susan, tritt mit aller Kraft auf die Fliese links neben dir", wandte sich Oryx an mich, jedoch ohne Neo aus dem Auge zu lassen. Ich sah nach unten. Die Fliese kam mir normal vor, aber ich tat wie befohlen. Sie zersplitterte und ein Fach kam zum Vorschein. Ein Fach, das mit einem vierstelligen Code gesichert war. „Du kennst die Zahl. Du hast sie gesehen. Am Auto." Ich ging in Gedanken zurück zu allem was ich im Auto erlabt hatte. Wir waren zum See gefahren, aber es hatte keine vierstellige Nummer gegeben. Oryx hatte die Pistolen aus dem Fach im Kofferraum genommen. Dafür hatte er vier Ziffern eingegeben: 0-1-0-8. Ich gab die Zahl ein. Das Fach öffnete sich. Zwei Pistolen waren darin. Ich nahm sie heraus. „Wie hast du das geschafft?", fragte Neo überrascht. „Ich habe...", begann ich, doch Oryx unterbrach mich: „Er meint mich. Für den Fall, dass sich jemand als mein Freund ausgeben sollte oder ich mal eine Waffe brauche habe ich vor zehn Jahren Geheimfächer in diesem Haus angelegt. Nicht einmal Neo weiß davon." Er nahm mir eine der Waffen aus der Hand. „Aber ich bin dein Freund. Ich bin Neo", warf Neo ein. „Lüg mich nicht an!", brüllte Oryx, „Susan und ich werden jetzt gehen." Die Waffe auf Neo richtend verließen wir die Küche. „Lauf!", rief Oryx und wir rannten den Gang entlang. Als wir in der Lagerhalle ankamen, versperrte uns Neo jedoch den Weg. Er hatte seinen Bogen gespannt und zwei Pfeile aufgelegt. Es war ein schwarzer Reflexbogen, der Pfeile mit über 300 Kilometer pro Stunde abfeuern konnte. Bevor er etwas machen konnte, hatte Oryx aber schon geschossen und jetzt wusste ich, welche Ähnlichkeit er mit dem Neo aus Matrix hatte. Er wich jeder Kugel aus. In Zeitlupe flogen die Pfeile auf mich zu und ich fing sie ab. Dann lief alles in normaler Geschwindigkeit weiter. Oryx war vorgeschnellt und drückte dem angeblichen Neo den Lauf der Pistole an den Kopf. „Wo ist Neo?" „Hier" Ich sah nach oben. Ein anderer Bogenschütze mit Kapuzenpulli sprang von einer der Metallstreben. Er sah genauso aus wie der andere Neo. Sie waren... „Zwillinge. Warum hast du mir nie gesagt, dass dein Bruder noch lebt? Du hast gesagt, Thomas sei gestorben", sagte Oryx wütend. „Das ist aber nicht unser größtes Problem. Das ist mein Bruder. Dein Sicherheitssystem hat große Lücken, Thomas", erklärte der hoffentlich richtige Neo, „War nicht besonders schwer aus dem Zimmer zu kommen. Das hier ist mein Haus." „Und was willst du jetzt machen?", fragte Thomas, der die Pistole völlig vergessen zu haben schien. „Wie wäre es damit dich umzubringen?" Thomas schien Angst zu bekommen. „Versuch es doch", flüsterte er, doch er schien sich damit eher selbst ermutigen zu wollen. „Oryx, geh besser aus dem Weg" Das ließ sich Oryx nicht zweimal sagen. Er nahm meine Hand und es folgte der spektakulärste Kampf den ich je gesehen hatte. Beide warfen ihre Bögen weg und stürzten aufeinander zu. Die beiden Rivalen waren gleich schnell und es war schwer zu sehen, ob sie einen Treffer landeten oder nicht. Irgendwann sprang Thomas Auf die Metallstangen und Neo sprang hinterher. Dieser trat seinem Bruder so hart vor die Brust, dass Thomas zu Boden fiel. Neo sprang hinterher und setzte ihm einen Fuß auf die Brust. „Willst du mich wirklich umbringen, Bruder?", krächzte Thomas. „Was habe ich für eine Wahl? Du würdest uns alle verraten", erwiderte Neo. Er musste seinen Bruder wirklich hassen. Neo warf einen Blick zu seinem Bogen, der außerhalb seiner Reichweite lag. „Was willst du jetzt tun? Du kannst mich nur erschießen", lachte Thomas verbittert. Neo holte aus und rammte seinem Bruder den Ellenbogen ins Gesicht. Dann rannte er zu seinem Bogen hinüber, legte einen Pfeil auf die Sehne und schoss in der Drehung auf seinen Bruder, der ihm hinterher gesprungen war. Der Pfeil steckte direkt in Thomas' Herz. Neo hatte wirklich seinen Zwillingsbruder erschossen. „Es ist zu spät. Sie werden gleich hier sein", röchelte Thomas noch. Dann sackte er in sich zusammen. Neo wandte sich Oryx und mir zu. „ihr solltet echt abhauen. Timothy wird bald hier sein", riet Neo. „Was ist mit dir?", fragte Oryx. „Ich werde auf den Dächern sein."

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Auch Kapitel acht ist vollständig. Es fehlen nur noch zwei.

So, hier nochmal die Frage, auf die es bisher niemand für nötig hielt zu antworten, wer wäre an einem zweiten Teil interessiert? Bitte schreibt eure Meinung dazu als Kommentar.

~BookEntertainment

The Black AgentsWhere stories live. Discover now