Kapitel 7

568 33 0
                                    


Verräter

Es war kalt und dunkel. Seit Wochen war nichts mehr kalt gewesen. Es musste unter null Grad sein. Ich setzte mich auf. Mein Kopf tat weh. Wo war ich? Ich sah mich um. Oryx lag in einer Ecke. Der Raum war dunkel kalt und mit einer Glasscheibe versehen, die mich von einem Korridor trennte. Vorsichtig stand ich auf und ging zu der Scheibe. Als ich die Hand darauf legte, zog ich sie gleich wieder weg. Sie war glühend heiß. „Hallo?", rief ich, in der Hoffnung, dass mich jemand hörte, aber es tat sich nichts. Nur Oryx hinter mir stöhnte auf. Ich wirbelte herum. Er öffnete die Augen. „Sue?", flüsterte er. Ich ließ mich neben ihm auf die Knie fallen. Als ich die Verletzung sah, konnte ich meinen Augen kaum trauen. An seinem Hals klaffte eine tiefe Wunde, nur das kein Blut zu sehen war. Es war ein kaltes Loch, groß und tief. Jeder Mensch wäre daran gestorben. Oryx war nur bewusstlos geworden. „Was haben sie mit dir gemacht?", fragte ich. Zunächst sah er verwirrt aus, doch dann fuhr er mit der Hand über das Loch in seinem Hals und der Schmerz stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Nein, bleib bei mir! Nicht schon wieder bewusstlos werden!", flehte ich. Ich wusste nicht, was ich tat, als ich seine Hand von der Wund zog, meine darauf legte, meine Stirn an seine presste und meine ganze Vorstellungskraft darauf richtete, wie diese Wund verheilte. „Susan? Wie machst du das? Sieh mal!" Ich hob den Kopf und stellte fest, dass von der Wunde nur eine feine Narbe geblieben war. Langsam kam die Erkenntnis. „Das... das ist... meine Fähigkeit", stammelte ich. Es musste so sein. Es gab einfach keine andere Erklärung. „Das ist der Wahnsinn", sagte Oryx erstaunt. „Wo sind wir?", fragte ich. „Wenn ich das wüsste", stöhnte Oryx, „Wir haben Besuch." Ich drehte mich um. Vor mir stand ein Mann, der mir sehr vertraut vorkam. „Charlie?", fragte ich. Er nickte. Eines war mir gleich klar: Charlie war kein Mensch mehr. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. „Charlie... es tut mir so leid, was ich getan habe. Ich hätte es nicht tun sollen..." „Leid? Oh, Susan, es tut dir nicht Leid. Es ist dir egal. Und ich bin dir überaus dankbar, dass du versucht hast zurückzukommen", schnaubte er. Seine Stimme hatte die Temperatur dieser Zelle. Nervös stand ich auf und Oryx tat es mir nach. Charlie streckte eine Hand aus und berührte meine Wange. Erst passierte nichts, doch dann versteinerte sein Gesicht. Dann schlug er Oryx mit aller Kraft ins Gesicht. Er schaffte es tatsächlich, er versuchte es nicht nur. Das sah ihm gar nicht ähnlich. „Du und er?", blaffte er mich an, „Susan ich kann die Berührungen aller Lebewesen innerhalb der letzten 24 Stunden sehen, wenn ich sie berühre. Warum hast du mir vorgespielt, mich zu lieben? Ich kann nur froh sein, dass ihr es noch nicht getan habt. Er hat dich in dieses Monster verwandelt, ist es nicht so? Und du liebst ihn. Ich hatte es erst nicht für wahr gehalten, als die anderen es mir erzählt haben. Zehn parallele Linien auf seinem Rücken von deinen Fingernägeln." Er schüttelte den Kopf. „Mitkommen." Oryx machte immerhin keine Anstalten, Charlie seinerseits eine reinzuhauen. Wir folgten Charlie. Ich war noch zu geschockt über Charlies Sinneswandel, um über irgendetwas nachzudenken. Irgendwann aber verließen wir die Kellergänge und betraten einen Überwachungsraum mit mehreren Bildschirmen, die verschiedene Orte zeigten: einen Hof, ein Zimmer, einen Gang. Aber wir waren nicht allein. „Timothy", knurrte Oryx. „Ja, in der Tat", lachte Timothy. Es war ein kaltes Lachen, das mir eine Gänsehaut über den Rücken trieb. „Wir kennen uns ja schon, Oryx. Du erinnerst dich sicher an mich." „Sicher. Du hast den Mordbefehl erteilt", sagte Oryx. „Aber du lebst noch. Was wieder einmal zeigt, was für Monster ihr seid. Keine Folter hat dich dazu gebracht, uns zu sagen, wo eure Zentrale liegt. Und du bist sogar abgehauen", fuhr Timothy fort. „Das Panzerglas war zu dünn", erklärte Oryx. „Deshalb ist das neue erhitzt. Und wir haben ein neues Druckmittel. Sie", sagte Timothy und nickte in meine Richtung. Oryx stellte sich vor mich. „Nur über meine Leiche", drohte er. Wieder lachte Timothy. „Ich bitte dich. Das hatten wir doch schon mal mit der anderen. Sie war am Ende Tod. Wie wäre es, wenn das Mädchen schwimmen geht?" Das konnte nichts Gutes bedeuten. Der Boden vibrierte. Eine Glasscheibe schob sich zwischen Oryx und mich. Sie leuchtete orange. Als Oryx sie berührte wich er zurück. Sie war heiß. Wasser lief um meine Füße. Kochendes Wasser. Für Menschen war es schon eine Qual, aber für meine kalte Haut... ich schrie. Oryx konnte jeden meiner Schreie hören. Wütend ging er auf Timothy los, versuchte das Glas einzuschlagen, aber nichts tat sich. Charlie war verschwunden. Warum hatte ich dem VSS zugesagt? Oryx hätte mich lieber darauf trainieren sollen, einer Folter standzuhalten, aber mir war klar, dass meine Schmerzen Oryx quälen sollten. Die Liebe tat so weh. Wie Oryx es gesagt hatte. Mein Körper wurde heiß, begann zu zerkochen. Dann war da nichts mehr.

The Black AgentsUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum