Kapitel 4 Part 2

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Drei Wochen später

Oryx' Hand hätte sich schnell bewegen müssen, doch das tat sie nicht. Wie in Zeitlupe flog sie auf mich zu. Verwundert ließ ich meine Hand nach vorne schnellen und hielt Oryx' Faust fest. Sofort endete die Zeitlupe. „Nicht schlecht", kommentierte Oryx, „Dann können wir jetzt kämpfen." Eine Reihe von Schlägen und Tritten folgte, die ich trotz meiner neuen Fähigkeit nicht alle abwehren konnte. Oryx sprang zu den Stangen hoch und ich tauchte unter seinen Beinen durch. Aber irgendwie war er trotzdem noch schneller. Er sprang herunter, griff einmal um mich herum und verdrehte mir die Arme auf dem Rücken. Ich konnte es mir nicht erklären, aber immer wenn Oryx so nah vor mir stand, atmete ich entweder schneller oder ich hörte ganz damit auf. Typische Anzeichen von Verliebtheit. Aber ich liebte ihn nicht. Und er liebte mich nicht. Ich musste ihn täuschen. Dann hätte ich vielleicht eine Chance gegen ihn. Also schob ich mein Gesicht so nah an seins heran wie ich konnte, ohne ihn zu berühren. Verwundert stellte ich fest, dass Oryx auch schneller atmete. „Du sagtest mal, dass sich alles als Waffe verwenden lässt", flüsterte ich bedrohlich. Mein Gesicht kam seinem noch etwas näher. Und dann lockerte er seinen Griff. Auf diesen Moment hatte ich gewartet. Ich riss mich los und wirbelte herum, bereit ihn zu treten. Der Erfolg blieb aus. Stattdessen fand ich mich mit dem Bauch auf dem Boden wieder. Oryx drückte mich, dem Gewicht nach zu urteilen, zu Boden. Als er sprach war seine Stimme unglaublich kalt. „Hast du allen Ernstes gedacht, du könntest mich mit so was aus der Fassung bringen? Du bedeutest mir nichts. Deine Nähe ist mir scheißegal. Ich. Mache. Hier. Nur. Meinen. Job. Du kannst aufhören so hektisch zu atmen. Ich weiß genau, dass du auf mich stehst. Und deshalb wirst du mich auch nie im Kampf besiegen können." „Nein!", presste ich wütend zwischen den Zähnen hervor, „Das einzige Gefühl, dass ich dir gegenüber empfinde, ist Hass." „Rede dir das ruhig weiter ein. Und selbst wenn du mich hasst, dein Körper sehnt sich nach meinem. Du weißt es und hasst dich dafür." Mit diesen Worten stand er auf und auch ich rappelte mich hoch. „Du denkst wohl, ich würde sterben, um mit dir zusammen zu sein, weil du es von den Frauen hier nicht anders gewohnt bist. Nur eine Sache entgeht dir dabei: du hast mir mein Leben genommen. Ich hatte Freunde, einen festen Freund und eine Familie. Also warum sollte ich mit dem Monster zusammen sein wollen, dass mir all diese Menschen genommen hat? Warum?", platzte es aus mir heraus. Was genug war, war genug. „Lass mich überlegen", knurrte Oryx sarkastisch, „Vielleicht, weil ich alles bin, was du dir je gewünscht hast. Du hast Charlie schon nicht mehr geliebt, als ich dich geholt habe. Deine Freunde standen dir nicht so nahe, wie du es gerne gehabt hättest und deine Familie hast du, obwohl sie in der gleichen Stadt lebt, seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen. Und Obwohl du es nicht wahrhaben willst, fehlt dir ein Mann, der dich beschützt. Nicht so ein Weichei wie Charlie. Und ganz tief in deinem Inneren weißt du, dass ich dieser Mann bin. Das Training ist beendet." „Woher weißt du, dass mein Freund Charlie heißt?", brachte ich zitternd heraus. „ich sagte, dass Training ist beendet. Vielleicht solltest du dich, was Charlie betrifft, lieber an den Begriff Ex-Freund gewöhnen", sagte Oryx kalt. Und dann konnte ich nicht anders als zu weinen. Nur das keine Tränen kamen. Natürlich. Mit einem letzten kalten Blick versuchte ich, halbwegs würdevoll, den Raum zu verlassen.

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„Was ist los?", fragte Leaf in der Kantine. Sie sah mir immer an, wenn etwas nicht stimmte und das war in letzter Zeit leider öfter der Fall. Rose stimmte ihr zu. Es hatte sowieso keinen Sinn sie anzulügen. „Können wir das irgendwo besprechen, wo es nicht so voll ist?", fragte ich. „Klar", erwiderte Rose. Wir aßen unser Essen auf und verließen die Kantine. Auf dem Weg begrüßte ich noch John, der uns entgegen kam. In meinem Zimmer ließ ich mich aufs Bett fallen. „Also, schieß los. Was ist passiert?", fragte Rose. Ich atmete tief durch, dann fing ich an, ihnen alles zu erzählen: „Also, alles hat eigentlich damit angefangen, dass ich jede von Oryx' Bewegungen in Zeitlupe gesehen habe. Keine Ahnung, ob das normal ist. Trotzdem war Oryx besser und dann habe ich ihn angegriffen, aber da war er auch schneller. Und dann hat er mich zu Boden gedrückt und mir Dinge erzählt, die er gar nicht hätte wissen dürfen." „Was hat er erzählt?", fragte Rose angespannt. „Er wusste, wie mein Freund heißt, obwohl ich ihm das nie erzählt habe. Er wusste, dass ich Charlie nicht so liebe, wie ich es sollte. Und er hat gesagt, dass ich auf ihn stehe. Also auf Oryx. Nicht auf Charlie." „Stimmt das denn?", fragte nun Leaf. „Ich denke schon. Aber er darf nicht merken, dass er Recht hat. Ich gebe schließlich immer noch vor, ihn zu hassen. Aber es ist so merkwürdig. Oryx ist eigentlich der letzte Idiot. Er macht mich immer zur Schnecke und blamiert mich, wann immer es geht. Und dann fühle ich mich immer als würde ich hyperventilieren, wenn er mich berührt. Ich meine, es ist doch nicht normal, jemanden zu hassen und sich ihm gleichzeitig in die Arme werfen zu wollen", sagte ich und war kurz davor zu jammern. „Na, wenn das so ist, wirst du ihm wohl heute Abend zeigen, dass es dir egal ist, was er gesagt hat", sagte Rose, verschmitzt grinsend. „Was ist denn heute Abend?", fragte ich verwirrt. „Oh, Oryx ist echt fies. Er hätte es dir sagen sollen. Heute Abend findet ein Ball statt. Oder besser ein historischer. Mit weiten Kleidern und so. Alle Neuen und Mentoren müssen kommen. Wenn Oryx dir das nicht gesagt hat, kann das nur bedeuten, dass er dich blamieren will, indem du ohne Kleid dastehst. Aber das wird er nicht schaffen, stimmt's Leaf?", sagte Rose. Auch Leaf grinste. „Komm mal mit", sagte sie.

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Rose und Leaf teilten sich ein Zimmer und es war andersals meins. Die beiden hatten nicht nur dunkle, sondern ein paar weiße Möbel.„Jeder bekommt –mit Anmeldung natürlich- zwei Kleider zur Verfügung gestellt.Ich habe aber keine Ahnung, woher die unsere Größen haben." Rose und Leafholten je zwei Kleider aus ihrem Schrank. Alle vier waren schwarz, jedoch mitfarbigen Akzenten. Diese waren rot, blau, lila und rosa. Bevor ich sie daranhindern konnte, berieten sich Rose und Leaf, welches Kleid mir am bestenstünde. „Nein, Leute", sagte ich, „Das sind eure Kleider. Sucht ihr euch zuerstwas aus. Im Notfall verstecke ich mich heute irgendwo und gehe nicht zu demBall." Aber Leaf widersprach sofort: „Sue, du wirst da hin gehen. Wir werdenjetzt Klarheit in die Sache mit deinem Mentor bringen, denn eins ist klar: derTyp hat Gefühle für dich, Sue. Die Frage ist nur: gute oder schlechte. Unddeshalb wirst du heute so scharf aussehen, dass Oryx sich blöd vorkommen muss,wenn er nicht mit dir tanzt. Wenn er es trotzdem nicht tut, kannst du dirimmerhin ziemlich sicher sein, dass er dich nicht mag." „Das Rote für Sue wasmeinst du Leaf?", fragte Rose. Leaf nickte. Bevor ich irgendwas sagen konnte,hatten mich die beiden gezwungen, meine Trainingsklamotten aus- und das Kleidanzuziehen. Es passte fast tadellos, da Rose und ich gleichgroß waren, nur umdie Taille war es etwas weit. „Oh, das haben wir gleich", warf Rose ein, die esebenfalls bemerkt hatte. Sie eilte zu einer Kommode und öffnete eine Schublade.Dann kam mit einem roten Band wieder, und schnürte es mir um die Taille.„Problem gelöst." An den tiefen Ausschnitt hatte ich mich mittlerweile gewöhnt.„Danke", sagte ich. „Hey, wir sind noch nicht fertig!"

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