Kapitel 2

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VSS

Ich glitt an der Wand hinunter, als er die Zähne wieder aus meinem Hals zog. Aber bevor ich auf den Boden aufschlug, wurde ich abgefangen. Warum war ich nicht tot? Warum hatte dieser Typ mich nicht einfach umgebracht? Warum hatte dieser Vampir nicht einfach all das Leben aus mir herausgesaugt und meinen Körper auf den Müll geworfen? Warum war er jetzt noch hier und sprach mit mir? „Ich weiß, dass du zuhörst, Mädchen. Du lebst noch. Ich hätte nicht gedacht, dass du so schwach bist. Mal sehen, was mal aus dir wird, aber Cory meinte, du hättest Potential. Halt dich bitte, wenn du wieder sprechen kannst, mit dämlichen Fragen zurück. Ich habe besseres zu tun, aber ich muss hier bleiben, bis deine bescheuerte Mutation abgeschlossen ist", erklärte er. Ich wusste sofort, dass ich ihn nicht mögen würde. Und eine Mutation war gewiss nichts Positives. Meine Augen brannten vor Kälte, aber ich konnte nichts dagegen tun. Ich konnte mich nicht bewegen. Über meiner Haut bildete sich eine Eisschicht. Sie kristallisierte. Alles kristallisierte. Meine Zähne wurden schmerzhaft verrückt und in die Länge gezogen. Dann hörte der Schmerz auf. Ich wollte die Augen öffnen, doch das Eis hielt sie zu. „Bald ist es vorbei", sagte der Vampir, fast schon beruhigend. Ein lautes Knacken erfüllte die Luft. Das Eis wurde gesprengt. Und ich verlor das Bewusstsein.

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„Was hast du dir dabei gedacht, Oryx? Wir mutieren die Leute nicht ohne sie vorher informiert zu haben. Und erst Recht nicht gegen ihren Willen. Das war absolut verantwortungslos von dir. Und das wird Konsequenzen haben. Darauf kannst du dich verlassen." Ich lebte noch! Ich war wach! Erneut versuchte ich die Augen zu öffnen und diesmal war es ganz leicht. Allerdings schloss ich sie sofort wieder. Das Licht war zu grell. Also begnügte ich mich mit einem Stöhnen. „Na, also. Es geht ihr gut", sagte eine Stimme. Ich kannte diese Stimme und ihr Besitzer war die letzte Person, die ich jetzt sehen wollte. Aber der Wunsch nach Rache, für das, was passiert war, war so groß, dass ich die Augen jetzt aufriss und mich herum rollte. Das war ein Fehler, denn ich knallte auf einen gefliesten Boden. „Hoppla", sagte der Vampir, zu dessen Füßen ich nun lag. Angewidert rutschte ich bis an die Wand von ihm weg. Vor mir standen zwei Männer, ganz in schwarz gekleidet, und sahen auf mich hinunter. Einer der beiden war der Vampir aus dem Pub. Der andere war, der Augenfarbe nach zu urteilen, ebenfalls ein Vampir. „Du solltest vielleicht etwas anziehen", sagte der aus dem Pub. Großer Gott! Er hatte Recht. Ich trug nur Unterwäsche und hatte bei Momenten wie diesen immer das Gefühl rot zu werden (wirklich rot wurde ich aber nie). Dieses Mal blieb es allerdings aus. Der andere Vampir ging auf mich zu. „Weg von mir, Vampir!", schrie ich. Er warf mir eine Jacke zu, dann hob er abwehrend und zugleich besänftigend die Hände. „Schon gut. Ich tu dir ja nichts. Zieh die an. Muss nicht schön sein, vor zwei -noch fremden- Männern in Unterwäsche zu sitzen", erklärte er und ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht, verschwand aber auch. Schnell und ohne die beiden aus den Augen zu lassen, schnappte ich mir die Jacke, zog sie an und verschloss den Reisverschluss. Sofort fühlte ich mich etwas besser. „Ich denke wir sollten uns vorstellen", fiel dem, der mir die Jacke gegeben hatte ein, „Ich bin Cory. Und das ist Oryx. Wie heißt du denn?" Nicht antworten, bloß nicht antworten. Als Cory merkte, dass ich nicht reden würde, meinte er: „Wir tun dir nichts. Also ich jedenfalls nicht. Bei Oryx wäre ich mir da nicht so sicher." „Ich spreche nicht mit Vampiren", platzte es aus mir heraus, wie aus einem schmollenden Kleinkind. Oryx lachte. Es war ein wütendes herablassendes Lachen. „Sie ist ein Baby", sagte er zu Cory und wandte sich dann an mich, „Wenn das so ist, kannst du noch nicht einmal mehr mit dir selbst sprechen, Vampir." In das letzte Wort hatte er besonders viel Verachtung gelegt. Vampir? „Ich bin ein Vampir?", fragte ich verstört. „Ich dachte, du redest nicht mit Vampiren." „Oryx, bitte. Du hättest ihr das auch schonend beibringen. Was ist nur immer los mit dir?", mischte sich Cory ein, „Tut mir leid. Er ist nicht immer so. Naja, jetzt weißt du's. Ja, du bist ein Vampir. Oryx hat dich mutiert." Das durfte nicht wahr sein! Ich war ein Monster. Ich würde Blut brauchen. Ich würde Menschen töten. Meine Familie bestand aus Menschen! Sarah und Charlie waren Menschen. Dieser Mann... Dieses Monster hatte mich entstellt. Ich hasste diesen Kerl. Er hatte mir mein Leben genommen. Ein animalisches Knurren entfuhr mir und ich stürmte auf Oryx los. Auch er knurrte, doch bevor ich ihn erreicht hatte, hatte Cory mir einen Arm um die Hüfte geschlungen und mich zurückgezogen. „Ruhig. Ich verstehe, dass du Oryx jetzt hasst und ihn umbringen willst, aber du bist noch nicht bereit dazu. Oryx ist dir haushoch überlegen. Ja, ich weiß, du beherrschst einige Kampfsportarten und, und, und. Das ist genau der Grund, aus dem wir dich ausgewählt haben. Aber bedenke: das ist bei allen Neueinsteigern so. Und Oryx ist schon ein paar Jahre hier. Aber ich schlage vor, das besprechen wir später. Hier ist was zum Anziehen. Da vorne ist ein Dimmer, wenn dir das Licht zu grell ist. Hier ist noch ein Spiegel, du willst sicher sehen, wie du jetzt aussiehst. Ach und tu mir den gefallen und sieh erst in den Spiegel, wenn wir den Raum verlassen haben", beruhigte mich Cory, „Aber eine Frage habe ich noch: Wie heißt du?" Ich ließ mich auf die Pritsche fallen, auf der ich zuvor gelegen hatte. Cory hatte es geschafft, vorerst mein Vertrauen zu gewinnen. „Ich heiße Susan Brickland, aber alle nennen mich Sue." „Gut, Sue. Dann sehen wir uns gleich", verabschiedete sich Cory. Mir entging nicht, dass Oryx ihm bereits die Tür aufhielt. Ich nickte nur zum Abschied und die Tür fiel ins Schloss. Ohne Umschweife reduzierte ich die Helligkeit. Dann nahm ich den Spiegel in die Hand und sah hinein. Ich hatte mich wirklich verändert. Meine Augen, die normalerweise hellbraun waren, zeigten nun die gleichen strahlenförmigen roten Pigmente wie die von Oryx und Cory. Meine Zähne waren perfekt. Abgesehen von den Eckzähnen, die etwas länger waren, als die übrigen Zähne. Vorsichtig fuhr ich mit der Zunge darüber und fast hätte ich mich geschnitten. Sie waren messerscharf. Meine Haut war kalkweiß, was die roten Augen wieder betonte. Durch meine schwarzen Haare wurde die Haut noch blasser. Sie hingen über meine Schultern. Mir fiel wieder ein, was sich am Hals befand. Nervös, was ich jetzt zu sehen bekommen würde, schob ich die Haare zur Seite. Eine dunkle Bisswunde kam zum Vorschein. Sie stammte von scharfen Zähnen wie meinen. Von Oryx Zähnen. Zähne die mich fast getötet hatten. Aber das Eis hatte noch mehr verändert. Meine Brust war etwas größer geworden und insgesamt war ich schlanker. Alles in allem fand ich mein Vampirdasein bisher ganz gut. Nein, quatsch! Gleich würde ich womöglich noch diesem Monster dafür danken, dass er mich zu dem gemacht hatte, was ich nun war. Ich wandte mich der Kleidung zu, die Cory mir gegeben hatte. Sie war komplett schwarz. Die Hose war aus gestärktem Material. Besonders an den Oberschenkeln, Schienenbeinen und Knien. Das Top gefiel mir im ersten Moment, ebenso wie der neue BH. Der Ausschnitt war aber so tief, dass ich beides am liebsten sofort wieder ausgezogen hätte. Sonst hatte ich nur die Jacke von eben. Als ich sie anzog fühlte ich mich gleich besser. Ich sah mich im Zimmer um. Alles war weiß und steril und außer der Pritsche gab es keine Möbel. Der einzige Kontrast war ich mit meiner schwarzen Kleidung. Ich betastete die Bisswunde. Sie schien tief zu sein. Oryx hatte, nun, ja, nicht direkt menschlich, aber doch etwas, dass dem sehr nah kam, gewirkt. Auch als er mich angegriffen hatte, wusste er genau, was er tat. Aber der Angriff selber war der eines Tiers. Ein durchaus sehr attraktives Tier. Trotzdem hatte dieser Oryx mein Leben zerstört. Er hatte mir mein altes Leben genommen! Er hatte mich in ein Monster verwandelt! Ohne genau zu wissen, was ich vorhatte, rannte ich nach draußen. Ich musste Oryx finden. Und wenn ich ihn gefunden hatte, würde ich ihn verletzen. Auf dem Flur gab es einige Fenster vor denen im nächtlichen Licht die Themse schimmerte. Jetzt ärgerte ich mich, dass ich nicht gefragt hatte, was das für ein Gebäude war. Ich bog um eine Ecke und dann sah ich ihn. Oryx brauchte nicht einmal eine Sekunde, um mich zu bemerken. Im selben Moment begannen wir uns anzuknurren. Wieder auf diese abstoßende animalische Art. Aber das war das erste Geräusch, das aus mir heraus kam. Oryx ging in eine leicht gebückte Angriffshaltung. Es passte irgendwie zu ihm. Der Kampf schien zu seinem Körper zu gehören. Zu seinen muskulösen Schultern. Ich bewunderte ihn. Und ich hasste ihn. Mir kamen Corys Worte in den Sinn: Oryx ist dir haushoch überlegen. Na, das würden wir ja sehen. Ich stieß mich vom Boden ab, bereit ihn zu treten. Aber daraus wurde nichts, da er mich noch in der Luft wegschleuderte. Ich knallte schmerzhaft auf den Boden. Nicht aufhören. Nicht aufhören zu kämpfen. Den Schmerz ignorierend, rappelte ich mich auf, für einen neuen Angriff, doch dazu kam es nicht mehr. Oryx presste mich mit dem Unterarm gegen die Wand. „Okay, lass mich hier mal was klarstellen", flüsterte Oryx wütend, „ich hasse dich. Und könnte dich jeden Moment umbringen, aber Cory braucht dich. Also halte dich von mir fern. Ich bin nicht aufs Morden versessen, aber wenn ich eines noch mehr hasse, dann sind es Neumutierte, die sich an ihren Mutanten rächen wollen." Das war mir zu viel. „Ist es nicht verständlich, dass ich dich umbringen will? Du hast ohne Vorwarnung mein Leben zerstört! Du hast mich in ein Monster verwandelt!", schrie ich. In diesem Moment kam Cory um die Ecke. „Das glaube ich nicht. Oryx, was ist los mit dir?", fragte er und zerrte Oryx von mir weg. „Geht es dir gut, Susan?" Ich nickte, obwohl ich mir da doch nicht ganz so sicher war. „Dann können wir jetzt reden. Am besten in meinem Büro. Du kommst mit Oryx." Wir gingen den Gang entlang. Es stellte sich heraus, dass wir uns in einem wesentlich größeren Gebäude befanden, als ich zuerst angenommen hatte. Endlich, nachdem wir gefühlte hundert Mal abgebogen waren, öffnete Cory eine Tür, hinter der sich ein kleiner Raum mit einem Schreibtisch und ein paar Regalen befand. Cory nahm hinter dem Schreibtisch Platz, während Oryx und ich notgedrungen stehen blieben. „Ich verspreche, dass du gleich alle Fragen stellen darfst, die du hast, aber zuerst muss ich dir ein paar stellen", sagte Cory. Ich nickte. Das war ein fairer Deal. „Gut, Susan. Deinen Namen kenne ich ja schon. Also, wie alt bist du?" „Ich bin 18." „Das ist ein gutes Alter." Am liebsten hätte ich gefragt, wieso, aber ich hielt den Mund. „Hast du momentan eine feste Beziehung?" „Ja", erwiderte ich und musste an Charlie denken. Fragte er sich, wo ich war? Hatte er überhaupt von meinem Verschwinden etwas bemerkt? „Und deine Familie?", fragte Cory. „Meine Eltern halt. Ich bin Einzelkind", sagte ich. Plötzlich fühlte ich mich um Jahre jünger und wünschte mir, Dad wäre hier, um mich aus der ganzen Sache heraus zu holen. Dann war dieser „Schwächeanfall" wieder vorbei. „Das könnte zum Problem werden", murmelte Cory, „Liest du viel?" Ich stutzte. „Was ist das denn für eine Frage?", wollte ich wissen. „Eine Frage", mischte sich Oryx ein, „Beantworte sie." Doch bevor er noch weiter auf mir herumhacken konnte, mischte sich Cory ein. „Oryx reiß dich zusammen. Was hast du denn gegen Susan? Was hat sie dir getan?" Ich sah Oryx an. Er funkelte mich wütend an, sagte aber nichts. Oh, Gott, was hatte ich ihm getan? Ich wandte mich wieder Cory zu. „Eigentlich lese ich nicht so viel. Ich bin mehr der sportliche Typ", sagte ich. „Wo leben deine Eltern?" „In London." Auf diese Tour ging es noch weiter, bis Cory plötzlich sagte: „Nun, das reicht fürs erste. Bevor du das fragst: du bist hier beim VSS. Der Vampire Secret Service. Wie du wahrscheinlich am Namen erkannt hast: ein Geheimdienst. Oder besser gesagt: der Geheimdienst. Außer den Agenten weiß niemand, dass wir Vampire sind. Wir machen das, was Geheimdienste nun einmal machen: Leute ausspionieren. Oryx und ich sind hier Agenten und du bist hier, weil wir dich anwerben. Würdest du auch eine Agentin sein wollen?" Ich eine Agentin? Warum erzählte mir Cory von einem Geheimdienst, ohne eine Morddrohung, wenn ich jemandem davon erzählte? „Ich weiß nicht", überlegte ich, „So etwas muss man sich überlegen. Was würde denn passieren, wenn ich nein sagen würde?" Cory schmunzelte. „Nun, ja. Zunächst würden wir dein Gedächtnis so präparieren, dass du dich nicht mehr an dieses Gespräch erinnern könntest. Und dann würdest du auf der Straße deinem Schicksal überlassen werden. Du würdest mit größter Wahrscheinlichkeit zu dem Monster werden, dass du in uns -und auch in dir- vermutest. Du wärst eine Mörderin und könntest deine Familie nicht mehr sehen oder du würdest sie umbringen. Vielleicht würdest du wieder hier landen. Wenn Straßenvampire durchdrehen, dann werden sie in der Regel von uns eingesammelt und verbringen den Rest ihres Lebens hinter Gitter. Oder wir bringen sie um. Wenn du bleibst, hättest du einen Job, Freunde, du könntest gegen deinen Blutdurst zu kämpfen lernen. Vielleicht könntest du eines Tages sogar deine Familie wiedersehen. Du kannst dich unter Menschen begeben, wenn du auf einen Außeneinsatz geschickt wirst. Vielleicht, wenn ein Einsatz mehrere Jahre dauert, was durchaus vorkommt, würdest du eine Wohnung bekommen. Du bekommst hier Kampftraining und dein Leben wird nie langweilig. Das einzig Schlechte ist, dass du umgebracht werden könntest, aber die Sterberate unserer Agenten ist sehr niedrig. Höchstens zehn pro Jahr. In anderen Ländern sind es zehnmal so viele. Aber ich denke, dass liegt daran, dass die meisten menschliche Agenten haben. Die sind schwächer. Was sagst du dazu?", erzählte Cory. „So wie sich das anhört, habe ich keine Wahl", sagte ich. „Wenn du das so siehst." „Wie soll ich es denn sonst sehen? Ich nehme den Job an." Cory sah glücklich aus. „Wunderbar", sagte er, „Nun dann jetzt zu deinen Fragen." „Äh, ja", stammelte ich und musste mich erst sortieren, „Kann ich in der Sonne rausgehen?" „Natürlich. Es ist nicht so wie in den Geschichten. Wir unterscheiden uns gar nicht so sehr von den Menschen. Wir ernähren uns wie sie sich auch. Deshalb sprechen wir zum Beispiel auch von einer Mutation und nicht von einer Verwandlung. Unsere Gene sind nur ganz leicht verändert. Was willst du noch wissen?", antwortete Cory. „Bin ich jetzt unsterblich?" „Wir sprechen von einer sogenannten „natürlichen Unsterblichkeit". Das bedeutet, du alterst nicht und je länger du lebst, desto schwerer wird es, dich zu töten, weil du Erfahrungen machst. Trotzdem kannst du ermordet werden. Was willst du noch wissen?" „Meine Eltern. Und mein Freund. Was wird mit ihnen passieren? Sie werden mich vermissen." Darüber machte ich mir wirklich Sorgen. „Lass das mal unsere Sorge sein. Es wird alles gut", sagte Cory. Na, hoffentlich hatte er Recht. „Gibt es hier noch andere wie mich? Neue?", fragte ich weiter. „Ja, ein paar. Und ihr alle bekommt morgen euren jeweiligen Mentoren. Aber die anderen Fragen wirst du später stellen müssen. Sonst sitzen wir morgen noch hier", antwortete Cory, „Oryx, morgen hat dieses Verhalten zu enden. Ich habe schon meine Pläne mit dir." Dann musste ich noch den Arbeitsvertrag unterschreiben. Danach stand Cory auf und bedeutete mir, ihm zu folgen. Kaum auf dem Gang begann er auch schon sich für Oryx' Verhalten zu entschuldigen: „Ich weiß wirklich nicht, was mit Oryx los ist. Normalerweise geht er gut mit Neumutierten um. Deshalb habe ich ihn auch zu dir geschickt. Aber er scheint dich zu hassen. Das hat er auch schon getan, bevor er dich mutiert hat. Er hat mich förmlich angefleht, dass jemand anderes dich mutiert, aber ich habe nicht auf ihn gehört. Und jetzt haben wir den Salat. Er hasst dich und du auch bist auf dem besten Weg ihn zu hassen. Er hat kein Recht, dich so zu behandeln. Aber er wird seine Strafe bekommen. Es kann nur sein, dass du auch darunter leiden musst, aber du sollst wissen, dass das nie meine Absicht war. Hier ist vorerst dein Zimmer." „Äh, ja, danke. Für alles", sagte ich. Dann öffnete ich die Tür, betrat mein Zimmer und schloss sie wieder. Das Zimmer war klein und die Einrichtung meist schwarz. Aber es gab ein großes Fenster. Es gab einen Tisch, ein Bett, einen Schrank und einen Stuhl. Außerdem gab es noch eine Tür, die vermutlich zu einem Badezimmer führte. Ich öffnete den Schrank. Auch hier war fast alles schwarz, aber es gab auch ein paar farbige Oberteile. Diese waren allerdings auch dunkel. So gab es zum Beispiel etwas in dunkelrot und dunkelblau. Ich schloss den Schrank wieder und setzte mich aufs Bett. Und dann dachte ich an Oryx. Oryx, der mich mutiert hatte, der mich hasste, der mich im Kampf besiegt hatte. Eines Tages würde ich ihn umbringen. Ich gähnte und zog die Jacke aus. Dabei fiel mein Blick ungewollt wieder auf meinen Ausschnitt. Es war selbst für mich selbst komisch mich so freizügig zu sehen. Seufzend legte ich mich hin und nickte ziemlich schnell ein.
Mir kam es so vor, als hätte ich nur zehn Minuten geschlafen, als ich von einem Klopfen geweckt wurde. Draußen war es hell. Ich schleppte mich zur Tür und öffnete sie. Davor standen zwei Mädchen, ungefähr in meinem Alter. Die eine hatte schwarze Haare, so wie ich, und die andere blonde. Die blonde war kleiner als ich und die schwarzhaarige war ungefähr so groß wie ich. Und beide waren sie Vampire. „Hallo", begrüßte mich die Schwarzhaarige, „Ich bin Rose. Und das ist Leaf. Cory hat uns geschickt, um dich abzuholen. Er hatte schon so etwas angedeutet, von wegen, dass du gut aussiehst. Er hat Recht." „Hallo. Äh, danke", sagte ich verlegen. Leaf starrte fasziniert auf meinen Ausschnitt. „Beeindruckend", sagte sie und sah mir wieder in die Augen. „Ich, äh, ich wollte eigentlich gerade was drüber ziehen", stammelte ich. „Nicht", erwiderte Leaf und schüttelte energisch den Kopf. „Hier muss man zeigen, was man hat." Sie grinste. Ich sah die beiden an. Die Ausschnitte waren so tief wie meiner. Offenbar war das hier total angesagt. „Wollt ihr nicht reinkommen?", bot ich an. „Wieso nicht?", erwiderte Rose. Die beiden folgten mir nach drinnen. „Wie lange seid ihr schon beim VSS?", wollte ich wissen. Keine Ahnung, warum mir das jetzt als erstes einfiel. „Ich bin seit fünf Jahren hier", sagte Rose, „Und Leaf kommt heute in die Auswahl. So wie du." Ich war verwirrt. „Was für eine Auswahl?" „Einmal im Monat werden alle in diesem Monat Neumutierte den Agenten vorgestellt. Das heißt ihr Körper wird gescannt und ihr Stärkegrad wird ermittelt. Der Stärkegrad besteht aus geistiger Kompetenz und aus Körperkraft. Und es gibt ihn in fünf Unterteilungen: sehr schwach, schwach, normal, stark und sehr stark. Ich bin Normal. So wie die meisten. Wenn der Stärkegrad feststeht, melden sich die Agenten als Mentoren. Von diesem wird dann der Neumutierte ausgebildet. Aber die Mentoren müssen immer einen höheren Stärkegrad oder den gleichen haben, weil sonst die neuen innerhalb weniger Wochen stärker sind. Niemand möchte aber einen schwachen oder sehr schwachen Neumutierten unterweisen. Es ist nämlich wahrscheinlich, dass dieser bei einem der ersten Einsätze ums Leben kommt. Mentor und Schüler verbindet oft eine enge Freundschaft und die hält in der Regel, bis einer stirbt. Manchmal ist der Mentor auch der Mutant. So wird es bei Leaf und mir auch sein", erklärte Rose. Na, immerhin war jetzt klar, was ich heute machen würde. „Und irgendwann trinkt man das erste Mal Blut", fuhr Rose fort. Das schien auch für Leaf neu zu sein. „Wie ist es, Blut zu trinken?", fragte sie. Rose lächelte, wodurch ihre perfekten Zähne und die Fangzähne gut zur Geltung kamen. „Genial", sagte sie, „So berauschend. Fast so gut wie Sex." „Mit wem hattest du denn... Sex?", fragte Leaf, wobei sie das letzte Wort vorsichtig aussprach. Offenbar war es ihr peinlich. „Cory", sagte Rose. Ich hustete. „Ist der nicht ein wenig alt für dich?", fragte ich. „Naja, sein Körper ist 25, aber als Vampir ist er fünfzehn Jahre älter. Bevor ihr fragt: gewöhnt euch daran, dass fünfzehn Jahre in der Unsterblichkeit nahezu nichts sind. Und wo wir schon beim Thema sind: Habt ihr es schon getan?", erklärte Rose. Leaf sah betreten drein. Es war wohl nicht ihr Lieblingsthema. Sie schüttelte den Kopf. „Noch nie? Echt? Und was ist mit dir, Sue?" „ich schon", erwiderte ich. „Und? Wie war's?" „Es war... ganz nett. Mein Freund, Charlie, ist mehr der ruhige Typ. Und ich bin das Gegenteil", erklärte ich. Das war die Wahrheit und sie jemandem zu erzählen tat mir gut. „Aber mal ein anderes Thema", sagte ich, Leaf zu liebe, „Warum tragen hier alle schwarz?" Rose wirkte leicht verwirrt. „Schwarz macht blass und Blässe gilt als Schönheit. Sie ist geheimnisvoll und elegant. Und man fällt nachts weniger auf." „Wann müssen wir eigentlich los?", mischte Leaf sich nun ein. „Jetzt können wir uns auf den Weg machen." Wir verließen das Zimmer. Rose bewegte sich schnell sich schnell und elegant, während Leaf die Gänge eher entlang hüpfte als ging. Wir stiegen mehrere Treppen hinauf und betraten dann einen großen unglaublich hellen Raum. Mindestens 500 Leute standen hier. Alle mit roten Augen. Ich hätte nie gedacht, dass es in London so viele Vampire gab.

The Black AgentsWhere stories live. Discover now