Kapitel 42

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Die nächsten zwei Tage verliefen genauso wie jener, an dem der Unterricht begonnen hatte. Naya begann ihren Unterricht wie üblich mit einer lehrreichen Theoriestunde. Danach ging sie zu den praktischen Übungen über. Kimberly war mittlerweile die Einzige, die es bis jetzt noch nicht geschafft hatte, ihr Element zu finden. Folglich hatte sie die letzten zwei Nachmittage damit verbracht Atemübungen zu machen und zu meditieren. Kimberly war deswegen schon etwas ungehalten. Sie beneidete die anderen, die damit begonnen hatten, die Möglichkeiten auszutesten, die ihnen ihr jeweiliges Element bot. Ju-Mie stellte sich dabei besonders geschickt an. Jedes Mal wenn sie verträumt über den Platz spazierte, zog sie eine Spur aus verschiedensten Blumen hinter sich her, die auch gleich wieder im Boden verschwanden. Es war zwar nur eine nette Spielerei, trotzdem machte Naya einen sehr zufrieden Eindruck bei den Fortschritten, die ihre Schülerin machte.

Vin hatte eine ganz besondere Freude an seinem Element, sehr zum Ärger von Tasoka. Er konnte sich einfach nicht beherrschen und blies mit einem kleinen, aber dennoch effektiven, Windstoß immer wieder das Feuer aus, das Tasoka gerade erschaffen hatte. Es dauerte eine Weile bis sie ihm auf die Schliche kam.

„Du bist wie ein kleines Kind. Kannst du dich nicht einmal ordentlich aufführen?", schrie sie und jagte Vin über den Platz.

Auf Amalie musste Naya ebenfalls sehr stolz sein. Mittlerweile zerplatzten die Wasserkugeln nicht mehr sofort wie Seifenblasen.

Aeneo beherrschte seit kurzem dasselbe Element wie Amalie, und auch er hatte anfangs das gleiche Problem wie sie. Erst langsam wurde die Zeitspanne größer, in der er es schaffte die Wasserkugeln zu halten, bevor sie regelrecht explodierten und er feststellen musste, dass seine Kleider wieder um einiges durchnässter waren als vorher.

Tasoka hatte es aufgegeben hinter Vin her zu laufen. Er war einfach zu schnell für sie. Er konnte es jedoch nicht lassen und begann schon wieder die Mädchen zu ärgern.

Kimberly sah fragend zu Naya hinüber, die dem Ganzen lediglich gelassen zusah. Worauf wartete sie? Wollte sie nichts unternehmen? Als ihre Mentorin musste Naya Vin endlich einmal in seine Schranken verweisen. Und so kam es auch. Nur von einer völlig unerwarteten Seite...

Zu ihrer Überraschung sah Kimberly, wie Ju-Mies verträumter Ausdruck sich klärte und sich ihr funkelnder Blick auf Vin legte. Mit einer schnellen Bewegung riss sie ihren Arm hoch. Eine Liane schlang sich daraufhin um seinen Fuß und ließ ihren Mitschüler gute drei Meter kopfüber in der Luft hängen. „Lass. Es. Sein...", knurrte Ju-Mie drohend, während ihr ungewohnt scharfer Blick ihn förmlich durchbohrte.

„Ich will wieder runter!", quiekte Vin mit vor lauter Panik weißem Gesicht.

Kimberly sah ganz deutlich, wie Nayas Mund sich zu einem zufriedenen Lächeln verzog.

Eine Zeit lang beobachtete Kimberly ihre Mitschüler bei ihren Übungen, die sie nach dem kurzen Intermezzo wieder fortgesetzt hatten. Dabei musste sie sich immer wieder dieselbe Frage stellen, die ihr seit Beginn der Ausbildung durch den Kopf ging. Wieso fiel es ihr so schwer und warum spürte sie nicht wenigstens ein bisschen die Energie, die sie eigentlich durchfließen sollte?

Außerdem war ihr in den letzen Tagen eine weitere Sache aufgefallen, nämlich dass anscheinend keiner der anderen Navitari auf die besonderen Fähigkeiten zugreifen konnte, die der Stein mit sich brachte. Bisher hatte sie jedenfalls kein einziges Mal gesehen, dass einer der anderen sich annähernd so schnell bewegte, wie die übrigen Elementari. Sie dachte zurück an den Abend, als Tian sie gefunden hatte und daran, wie ein kleiner Stoß von ihr ihn quer über die Straße geschleudert hatte. Es erfüllte Kimberly tatsächlich mit einem Gefühl von grimmiger Zufriedenheit, dass ihr bereits etwas gelungen war, dass die anderen nicht schafften, auch wenn es nur ein einziges Mal gewesen war.

Elementaris - A Breath of AirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt