~19.

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Vera kannte Neymar da Silva Santos Junior nun schon seit einigen Wochen. Sie kannte seine Freunde, seine Hobbies und mittlerweile auch immer stärker seine Persönlichkeit.

Sie kannte den Blick, den er aufsetzte, wenn ihn der Ehrgeiz gepackt hatte - egal, ob es sich um eine Partie FIFA oder Futtoc oder Basketball handelte. Sie erkannte, wenn und warum er genervt das Gesicht verzog und sie erkannte, wie er sich verhielt, wenn er eine Niederlage einstecken musste.

Als Vera am Donnerstag den Ausgang des Auswärtsspiels in Vigo erfragte, erkannte sie an der Art, wie er mit den Schultern zuckte und ihr das - nicht unbedingt erfreuliche Ergebnis - mitteilte, dass er nur den Unbekümmerten mimte und er in Wahrheit schwer enttäuscht von dem 0-1 gegen Vigo war.

Neymar war ein absoluter Ambitionist. Er hasste es zu verlieren und er hasste es, sich einzugestehen, dass er verloren hatte. Aber genau dies trieb ihn zu Höchstleistungen, wie Vera inzwischen verstand. Wenn er verlor, gab er nicht kleinbei, nein, er versuchte es einfach nochmal. Und dann gewann er. Er gewann immer.

Und genau darin unterschied er sich so stark von Analu. Analu war ebenso ehrgeizig und steckte sich große Ziele. Aber für Analu war es nicht schwer, eine Niederlage einzugestehen. Im Gegenteil, sie liebte es, Niederlagen zu erwähnen - um einen Grund zu finden, ihren Pessimismus auf alles auszuweiten. Sie war jemand, der schnell aufgab. Und nur durch Mühe wieder Hoffnung zum Weitermachen fand.

Je mehr Zeit Vera mit Neymar verbrachte, desto unverkennbarer war eine wichtige Tatsache, die das flaue Gefühl in Veras Magen immer weiter verstärkte.

Analu und Neymar passten in ihrer Persönlichkeit nicht zusammen.

Sie waren ein tolles Paar, sie sahen großartig zusammen aus und ganz offensichtlich bestand auch eine nicht zu übersehende Anziehungskraft zwischen den beiden. Aber ihre Charakterzüge schienen nicht miteinander kompatibel zu sein.

Und trotz allem wusste Vera, dass die beiden schwer verliebt ineinander waren. Gegensätze zogen sich doch bekanntlich an, nicht wahr? Vielleicht sollte man in einer Beziehung so verschieden wie nur möglich sein, damit es funktionierte; damit man sich gegenseitig ergänzen konnte.

"Tooor! Roberto Firmino macht das 2-0!", dröhnte die Stimme des virtuellen Moderators, als der animierte Spieler in Torjubel ausbrach.

Veras Blick schnellte vom Anblick Neymars ruckartig zum Bildschirm und ihre Augen weiteten sich. „Verdammt, Gustavo!", fluchte sie sauer und stierte den Kumpel Neymars an, der bis vor kurzem noch verzweifelt willkürlich auf die Knöpfe des Controllers gehämmert hatte und nun die Schultern hängen ließ.

Neymar, sein Gegner, der seinen lächerlichen im-Sitzen-ausgeführten Siegestanz beendet hatte, grinste nur und beugte sich zu ihr hinüber.

"Zwei Tore Unterschied in der ersten Hälfte! Du schuldest mir nochmal Zehn!", feixte er und Vera presste die Lippen zusammen.

Ein weiterer Unterschied, der nicht zu übersehen war. Analu hasste Wetten und Glücksspiele. Neymar hingegen liebte sie. Leider so auch Vera, was ihr in den letzten Wochen mehrmals zum Verhängnis wurde.

Die Katalanin stöhnte auf und musste sich - da ihre Beine über die Couchlehne gebeugt waren (eine Position, die wirklich sehr ladylike aussehen musste) erstmal schwerfällig aufrichten und ihr Becken anheben, bevor sie in ihre Hosentasche greifen konnte.

Genervt klatschte sie den Geldschein in Neymars ausgestreckte Hand, der nur breit grinste.

„Wegen dir muss ich bald Kredit aufnehmen...", zischte sie. „Komm schon, du musst aber gestehen, dass das zweite Tor gut war.", gab Neymar zu bedenken und deutete auf den Bildschirm, an dem eben die Highlights der FIFA-Partie gezeigt wurden.

Tudo Passa // Neymar JRWo Geschichten leben. Entdecke jetzt