Kapitel 6 - Cold, colder, Joy...

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„Wow Leute, ich habe das Gefühl, als verfolge uns der Tod“, brummte Taylor und fuhr sich müde über das Gesicht. Die Gruppe stand vor dem Club und sah dem Krankenwagen zu, wie er die Leiche des Mädchens wegfuhr. Die Sanitäter hatten nichts mehr für sie tun können. Der Club hatte für den Abend dicht gemacht und alle Gäste raus geschmissen. Zeitungen und Reporter standen vor der Tür und versuchten mit dem Ladeninhaber zu sprechen, doch der blieb sicher verschlossen in seinem Club und regelte die Sache mit der Polizei.

Jason sah hoch in den Himmel und bemerkte, dass es langsam schon dämmerte. Ein Blick auf seine Armbanduhr verriet ihm, dass es schon kurz vor 5 Uhr war. Die meisten Leute waren schon nach Hause. Sie dagegen standen da und versuchten das gesehene zu verarbeiten. Jasons Blick wanderte zu Taylor und er konnte ihn nur allzu gut verstehen. Zuerst das mit Onkel John, dann der Autounfall, denn sie bezeugt hatten und nun sahen sie zu, wie ein Mädchen an einer Überdosis starb.

„Wir sollten echt nach Hause. Der Abend war lang und wir können nichts mehr tun“, begann einer von Jasons Freunden und die Gruppe nickte zustimmend. Sie hatten alle Recht, aber Jason wollte noch nicht gehen. Nicht wenn er weiter hinten Joy rauchend vor dem Clubeingang sehen konnte. Er musste mit ihr sprechen, aber wie sollte er das anstellen, ohne dabei wie ein Idiot da zu stehen. Seine Freunde würden ihn für verrückt erklären, sollten sie ihn vor dem Clubeingang alleine sprechen sehen.

„Du  hast Recht. Leute, wir sehen uns morgen. Ich bin bereit fürs Bett“, stimmte ihm Taylor zu und die Gruppe trennten sich auf. Faith blieb mit Jason übrig und sah ihn abwartend an.

„Geh schon mal zum Auto. Ich komme gleich nach“, bat er sie und küsste ihre Stirn. Faith war ein zartes Wesen und das Mädchen hatte ihr ziemlich zugesetzt. Ihr Gesicht war blass und ihre Augen sahen noch grösser aus als sonst. Jason hatte den Wunsch sie sicher zu halten, bis der ängstliche Ausdruck aus ihrem Gesicht entschwand, aber zunächst musste er mit dem Teufel sprechen. Faith nickte zögernd und begab sich Richtung Wagen. Da sie nichts getrunken hatte, würde sie die beiden nach Hause fahren. Jason wandte sich wieder Richtung Clubeingang und bemerkte, das Joy sie beobachtet hatte. Langsam schritt er auf sie zu, löste seinen Blick nicht von ihr.

„Süsse Freundin hast du da“, bemerkte Joy, als er vor ihr stehen blieb. Jason packte ein Schauer, als er Joy über Faith sprechen hörte. Die Angst, dass sie auch ihr etwas antun könnte, wuchs in ihm.

„Fass sie nicht an“, warnte er sie leise. Auch wenn Jason keine Partie für Joy war, so würde er nicht zulassen, dass Joy Faith etwas antun würde. Diese verdrehte bei Jasons Warnung nur die Augen.

„Keine Sorge. Die kleine sprüht vor Liebe, Freude und Leben… Ich könnte sie nicht mal mit einer Kneifzange anfassen.“ Er sah ihr zu, wie sie bei der Beschreibung über Faith, das Gesicht angeekelt verzog und an ihrer Zigarette zog.

„Der Teufel raucht?“, fragte er ohne eine Spur von Witz darin. Sie lächelte und betrachtete die Zigarette in der Hand.

„Davon sterben kann ich nicht, also weshalb nicht? Wenn man Tausende von Jahren existiert, will man alles ausprobieren“, entgegnete sie und sah wieder zu ihm hoch. Dieser riss die Augen erstaunt auf. So alt war sie schon?

„Wieso hast du den Sanitätern nicht die Zeit gegeben, sie retten zu können? Womöglich hätte sie noch eine Chance gehabt“, begann er mit einem neuen Thema. Sie zuckte mit den Schultern und drückte den Zigarettenstummel mit dem Fuss gegen den Asphalt.

„Womöglich hätte sie das, aber ich hatte keine Lust und Zeit zu warten, ob da noch etwas gemacht werden konnte. Es war Zeit für sie zu gehen“, antwortete sie schlicht und betrachtete dabei ihr Nägel, als spreche sie über das Wetter. Jason spürte die Wut in ihm aufkochen, als er Joy so desinteressiert sah. Sie sprachen hier immer noch über ein Menschenleben!

„Sie war gerade mal 16, wenn nicht jünger! Was in aller Welt soll das bedeuten, es war Zeit für sie zu gehen?! Mit 16 Jahren muss man nicht gehen!“, rief er aufgebracht aus, doch Joy schien nicht davon bewegt zu sein.

„Du kennst das System nicht, Süsser. Ich weiss wovon ich spreche, wogegen du hier nur typische menschliche Allüren aufweist“, entgegnete sie gelangweilt und steckte sich wieder eine Zigarette in den Mund. Das ging Jason zu weit. Er riss ihr das verdammte Ding aus dem Mund und warf es zu Boden.

„Menschliche Allüren? Falls es dir aufgefallen ist, bin ich einer! Ich sehe hier nur ein eiskaltes Mädchen, das Langeweile hat und deshalb einem jungen Menschen, wegen eines Fehlers das Leben nimmt. Du hättest warten können, dich hat nichts daran gehindert, aber du wolltest sie sterben sehen!“ Jason war ihr während seines Ausrasters ins Gesicht gesprungen und sah sie nun schwer atmend an. Alles was Joy jedoch machte war ihn ausdruckslos ansehen. Keine Schuld, kein Gewissen, nichts. Sie sah so emotionslos aus, dass der Teufel in ihr unverkennbar war.

„Du kennst das System nicht, Jason. Du hast keinen Funken Ahnung wovon du hier sprichst, geschweige mit wem du dich hier anlegst. Du willst mich nicht als Feind haben, glaub mir. Ich erledige nur meine Arbeit, ob sie mir dabei Freude macht, hat dich nicht zu interessieren. Der Tod brauchte jemanden und sie war die Nächste. Wenn ich sie nicht genommen hätte, wäre jemand anderes dran gekommen. Wie würde es dir gefallen, wenn ich sie verschont hätte, dafür dich und dein süsses Ding von Freundin in einen Unfall verwickelt hätte, den sie nicht überlebt hätte? Wäre es dann besser für dich? Ich vermute nicht…“ Jason riss den Mund auf, aber er bekam keine Worte heraus. War es etwa so, wie sie gesagt hatte? Ein Leben musste beendet werden, egal welches und wo?

„Hast du kein schlechtes Gewissen? All die Menschen, die du sterben siehst? Tut dir das nicht weh?“, fragte er leise nach. Während Jasons Gesichtsausdruck Schmerz beherbergte, so sah Joy aus, als hätte Jason den Witz des Jahres gerissen.

„Mitleid, schlechte Gewissen?“, fragte sie nach, „Jason, das sind Worte, die ihr Menschen erfunden habt. In welcher Welt hast du gehört, dass der Teufel Mitleid mit euch hätte? Ich bin kein Mensch, Süsser. Ich bin ein Wesen, das es liebt zu sehen, wie Menschen böse Taten durchführen. Ich existierte, dank dem Bösen, das in euch Menschen wächst und reift. Ich sehe zu, wie ihr euch selber vernichtet und sammle mir die Seelen ein, die mir Untertan werden. Ich habe kein Mitleid, wenn ich eine Seele von der Welt auslösche. Nicht wenn ich weiss, wie diese Welt ist und es keine Schande ist, nicht mehr hier weilen zu dürfen.“ Sie näherte sich ihm wieder, bis ihre Nase, die seine berührte. Ihre eiskalten Augen wanderten über sein Gesicht und blieben bei seinen Lippen hängen. Obwohl Jason sich ihrem Gesprächsthema bewusst war und auch wenn er vor sich hatte, so konnte er den stockenden Atem nicht aufhalte oder den beschleunigte Herzschlag, der sich ihm bis zum Hals meldete.

„Ich verabscheue die menschlichen Wesen. Wie sie sich mit Mitleid und Gewissen rühmen und doch schreckliche Egoisten sind. Heute werden alle Mitleid mit dem Mädchen haben, morgen werden sie neugierig sein und die Zeitungen lesen, übermorgen werden sie ihr Leben offen darlegen und jede schlechte Seite von ihr offenbaren und ein paar Tage später, wird sich niemand mehr an sie erinnern. Sie wird eine Tragödie von vielen sein. Ihr habt so viel Schlechtes auf der Erden, das ihr selbst den Überblick verloren habt. Ich bin nicht die Schuldige, Jason. Ihr seid es“, flüsterte sie gegen seine Lippen. Ein kleiner Hauch, den selbst Jason für den Kuss eines Schmetterlings hielt. Er hatte die Augen geschlossen, doch als er sie wieder öffnete, war Joy weg. Nur noch Jason und einhundert Gedanken, die in seinem Kopf wirbelten.

She DevilWhere stories live. Discover now