Vortex | 9.11.2011 | 26

5 0 0
                                    

Sie fror erbärmlich auf ihrem Ast. Warum war sie weggelaufen? Sie hätte wenigstens etwas zu Essen mitnehmen sollen. Ihr Magen rumorte schon verdächtig laut, womöglich hörte man es schon im Haus. Sie rieb sich an der rauen Rinde, um ihr ein bisschen Wärme abzugewinnen, aber es half nicht. Allmählich war ihr Körper eiskalt und sie dämmerte weg.
Sie schreckte hoch, als jemand seine Hand auf ihre Schulter legte. Panisch zog sie die Beine an und fiel dabei fast vom Ast. „Hey, du musst keine Angst haben. Ich tu dir nichts. Möchtest du etwas essen? Ich hab unten ein paar Sandwiches und Tee." Schon wieder dieser durchgeknallte Typ mit der viel zu guten Laune. Er nervte jetzt schon, weshalb sie einfach noch weiter hinauf kletterte. Die ganze Sache hatte nur einen Haken: Der Kerl schien ein halber Affe zu sein. Er war ihr schon wieder bis in den hohen Wipfel gefolgt. Wütend starrte sie ihn an, hoffte, dass er sie endlich in Ruhe lassen würde. „Sweetie, ich tu dir ehrlich nichts. Wenn du was essen willst, unten sind Tee und Sandwiches. Ich lass dich jetzt erstmal in Ruhe." Damit verschwand er endlich. Leise seufzte sie auf. Sie durfte diese Nähe nicht zulassen, womöglich würde er sie wieder ihrem Eigentümer ausliefern, sobald sie wieder bei Kräften war. Und da wollte sie nie wieder hin zurück. Sie erzitterte bei dem Gedanken an diesen abscheulichen Menschen. Ängstlich tastete sie nach ihrem Bauch und nach den Handgelenken. All die Narben taten so unfassbar doll weh, einige waren nicht einmal ganz verheilt. Es juckte und brannte alles, sobald ihre Kleider die Stellen berührten. Die Tränen quollen in ihren Augen hoch und rannen über ihre Wangen. Mit verschleiertem Blick ließ sie sich am Baum hinabgleiten, riss sich dabei die Hände auf und sank gegen die rissige Borke. Als sie sich über die Augen wischte, brannte das Salz ihrer Tränen in den frischen Wunden. Sie war einfach nur am Ende und fertig mit der Welt. Er hatte es tatsächlich geschafft. Er hatte sie gebrochen und ihr jeden Lebenswillen genommen.

FlashbackWhere stories live. Discover now