Kapitel 11

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"Hyacinth Jones?" brach Joey's Stimme schließlich das Schweigen. Marco's Blick war noch nicht einmal in die Nähe ihres Gesichts gerichtet und beim vollen Namen seines Freundes sank sein Kopf noch weiter in die Schultern und die Ohren begannen ebenfalls zu glühen. Seine Wangen waren bereits heiß wie ein Vulkan.
"Kennst du noch einen anderen?" er versuchte es bissig klingen zu lassen, aber es gelang ihm nicht. Stattdessen wirkte es verzweifelt und brüchig.
In der Zeit, in der nichts gesagt wurde, spannte sich Marco weiter an. Er bereute es sich offenbart zu haben und wünschte sich fünf Minuten in der Zeit zurück. Mit jeder verstreichenden Sekunde wurde er nervöser und er wollte einfach aufspringen und wieder verschwinden.
Doch plötzlich lag ein dürrer Arm über seinen Schultern und ein Gesicht tauchte neben seinem auf. Joey hatte sich endlich befreien können. "Na und?"
Marco sah zu ihr und baute Augenkontakt mit ihr auf. Ihr Blick hatte bereits auf ihm gelegen und er war unfassbar gleichgültig. Es wirkte, als hätte Marco ihr gerade erzählt wie das Wetter momentan war. "Ist doch nichts dabei, oder?" Sei starrte weiterhin in seine Augen ohne mit der Wimper zu zucken und der Blonde wusste keine Antwort darauf. Zuerst jedenfalls nicht.
"Ist es wohl! Das ist so, als würdest du dich in mich verlieben. Ein Geschlecht was dich null interessiert und dazu noch dein bester Freund."
Joey schubste ihren Freund überraschend kräftig von sich und sah nun ein wenig beleidigt aus.
"Vollidiot" sie stand auf und stellte sich breitbeinig vor ihn. Gereizt stemmte sie die Hände in die Hüften und bohrte sich weiter in die Augen des Verzweifelten. "Du bist echt beschränkt"
"Was?" fragte er, obwohl er sowohl den Satz als auch den Inhalt verstanden hatte. Er wusste, dass jetzt eine Predigt folgte.
"Wen interessierts was du zwischen den Beinen hast? Und wen kümmert's was Cindy zwischen den Beinen hat? Wenn du ihn liebst, liebst du ihn halt. Du stellst dich vielleicht an. Und wo ist das Problem seinen besten Freund zu lieben?"
"Wenn du dich in mich verlieben würdest, was würdest du tun?"
"Dich flachlegen" Joey zuckte mit den Schultern.
Marco nahm es weniger locker und schenkte ihr ein ernstes Funkeln. "Ich mein's ernst"
"Keine Ahnung, was weiß ich! Wahrscheinlich würde ich es dir irgendwann einfach sagen, weil ich sowas eh nie für mich behalten kann. Und da du so wie so mein Kummerkasten bist, kann ich damit auch niemandem sonst in den Ohren hängen. Wir verstehen uns zu gut, du würdest mich nicht wegen sowas abstoßen. Und ich bin zu schlau um so ne Alles oder Nichts Nummer abzuziehen, genau wie du"
War das jetzt ein Kompliment? Marco war leicht verwirrt und er beschloss einfach es als eines aufzunehmen. Er wartete darauf, dass die weiter reden würde denn ihm fehlten die nötigen Worte. Er konnte nicht klar denken und war sich nicht sicher für welche Seite er sich entscheiden sollte. Eines stand fest, er würde es Hyacinth nicht beichten, erst recht nicht wegen Lia. Die Situation war so befremdend und ungemütlich, dass Marco sich in seiner eigenen Haut nicht wohl fühlte. Konnte er überhaupt Ratschläge annehmen? Joey selbst war ja nicht in einer solchen Lage und konnte es nicht wirklich beurteilen, wenn er das grob behaupten durfte. Natürlich, sie verbrachte diese Zeit mit Menschen ihres eigenen Geschlechts aber sie hatte sich ja seit Ewigkeiten zu diesem hingezogen gefühlt. Die Gefühle die Marco hingegen für Cinth hegte, tanzten jedoch total aus der Reihe und machten es dadurch nicht gerade leichter sie zu verstehen geschweige denn sie zu verarbeiten.
Als das Mädchen mit den kurzen Haaren den verzweifelten Gesichtsausdruck ihres Freundes, der für sie schon fast wie ein Bruder war, sah entspannte sich ihre ernste Miene wieder und sie hatte plötzlich Mitleid. "Man." sagte sie und schmiss sich wieder zu Marco aufs Bett. "Und was willst du jetzt machen?"
Der junge Mann saß noch immer ungemütlich auf der Bettkante und starrte auf seine Fingerspitzen, ratlos und niedergeschlagen. "Um es ihm zu sagen hast du zu wenig Eier in der Hose. Außerdem ist da noch Lia, der kleine Giftzwerg. Und Hyacinth ist halt zu hundert Prozent hetero..."
"Ich auch!" warf Marco ein "Das ist doch das, was mich stört! Ich wäre nicht halb so aufgeschmissen, wäre Cindy ein Mädchen. Ganz im Gegenteil..." Sein letzter Satz wurde wieder erbärmlich leise und das Gesicht seines besten Freundes blitzte kurz vor seinem inneren Auge auf. Ein ungewohntes Kribbeln breitete sich bei dem unbewussten Gedanken an ihn in seiner Magengegend aus und ergriff erneut die Gewalt über seine Gesichtsfarbe.
"Naja. Immerhin stehst du auf 'nen Typen"
"Ey, du bist diejenige die mich wegen dieser Einstellung als beschränkt beschimpft hat, also vorsichtig" nichtmal seine Mahnung wirkte ernst, da er sich nicht einmal Mühe dabei gab sie zu betonen.
"Okay, nehmen wir mal an Hyacinth ist auch..." sie suchte nach den passenden Worten "...sagen wir mal offen für das Ganze. Was würdest du tun?"
"Nichts" sagte Marco grade heraus.
"Nichts?" Er musste sich nicht einmal umdrehen um zu wissen wie sie grade seinen Hinterkopf anstarrte. Eine Augenbraue nach oben gezogen, den Mund zu einer Geraden gezogen.
"Ich will nichts riskieren. Was wenn er offen " er betonte es extra bissig "ist, aber nichts von mir will? Oder was wenn wir wirklich was versuchen und dadurch unsere Freundschaft zerstören? Oder-"
"Meine Fresse, willst du ewig in der Friendzone vergammeln, ohne irgendwas versucht zu haben? Wie wenig Mumm in den Knochen besitzt du eigentlich? Du bist doch sonst nicht so 'ne Pussy, hör auf den Schwanz einzuziehen und nimm es wie ein Mann. Das kann man sich ja nicht angucken" sie schlug auf seinen Rücken, aufbauend, unterstützend. "Du bist cool, man. Dein Humor ist der hässlichste dem ich je begegnet bin und ich bin dankbar dafür. Zugegebener Maßen siehst du gar nicht mal so scheiße aus, würde ich auf Männer stehen würden wir hier nicht nur liegen, glaub mir. Du bist charmant und man klebt förmlich an deinen Lippen. Reicht das jetzt, oder brauchst du noch mehr Bestätigung um mal wieder klar im Kopf zu werden?"
Sie hatte recht, er war sonst nicht so zerstreut und er benahm sich auch nicht gern wie ein vierzehn Jahre altes schwärmendes Mädchen. Er war ihr außerordentlich dankbar für die netten Worte und ihre Unterstützung, auf die er immer zählen konnte. "Und wenn du dich schon dafür entscheidest dich davon abzuwenden, schließ komplett ab damit."
"Ich hab es doch grade erst realisiert, wie soll ich das anstellen?" er würde sich definitiv davon abwenden, hatte er anfangs schon vor gehabt... irgendwie.
Sein Kopf richtete sich endlich zu seiner Freundin und er hatte die Augenbrauen erwartungsvoll nach oben gezogen.
Diese machte das Gleiche mit ihren eigenen Brauen, an denen sie erneut rumspielte, und erwiderte seinen Blick, als wäre es vollkommen offensichtlich. "Ich glaub du hast jemanden in deiner Nähe der nicht ganz uninteressiert an dir zu sein scheint"
Ein riesiges Fragezeichen bildete sich auf seinem Gesichtsausdruck und war schon bei nahe zu greifen.
Als er nicht drauf kam rollte sie übertrieben mit den Augen und seufzte laut vor sich hin. "Deine kleine Nachbarin, du Genie"

》Colourful《Where stories live. Discover now