Kapitel 10

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Nach der ewig anhaltenden "Ich hasse mein Leben"-Phase folgte der Zeitraum in dem Marco am liebsten jedem, der ihm auf der Straße begegnete, ins Gesicht geschrien hätte, was er für seinen Freund empfand. Nur mit unfassbar großer Mühe und einer ungeheuren Menge an Disziplin spielte er das Ganze runter und tat so, als wäre rein gar nichts. Man merkte ihm kein Stück an, dass er diese Gefühle für Hyacinth hegte und eigentlich hatte sich ja auch überhaupt nichts geändert, abgesehen von der Sichtweise aus der Marco die Situation jetzt betrachtete. Die Lücke in seinem Geist hatte er zwar mit Wissen schließen können, doch das Loch in seinem Herz schrie weiterhin nach Cinth. Erstmals hatte Marco Angst gehabt dem Brünetten erneut gegenüber zu treten, er befürchtete er könnte es bemerken. Doch eher gesagt schämte er sich dafür ihm noch in die Augen zu sehen. Er packte seine Gefühle und drückte sie in die letzte, hinterste Ecke seines Gehirns um weiterhin bei Hyacinth sein zu können. Je länger und je weiter er sie jedoch zurück hielt, desto größer wurde das Verlangen es jemandem zu erzählen. Doch das wäre ihm niemals ernsthaft in den Sinn gekommen, er musste damit leben, alleine, für sich. Es stand immerhin Großes auf dem Spiel.
Marco stand gerade im Flur vor Joey's Haustür um sich wenigstens mal wieder ein klitzekleines Bisschen ablenken zu können. Selbst ihr würde er es nicht erzählen können, auch wenn er es liebend gern getan hätte. Mit ihrer coolen und lockeren Art würde sie sicherlich einen Ausweg für ihn finden können, das wollte der Junge mit den blonden Spitzen jedenfalls glauben. Und um seine eigene Illusion nicht zu zerstören ließ er es erst recht bleiben über seine Schwärmerei zu sprechen.
Als die Tür aufgerissen wurde stand eine lange, dünne Frau im Türrahmen und lächelte schief. Die braunen Haare hingen in ihrem Gesicht und gingen ihr inzwischen wieder bis knapp zum Kinn. Graue Augen sahen in die des Besuchers und strahlten wie der Sternenhimmel, während ihre Augenbrauen in alle Richtungen abstanden. Das war einer Joey's Ticks; wenn sie Langeweile hatte oder auf etwas Bestimmtes wartete spielte sie mit ihren Brauen herum und ließ sie immer wie kleine Vogelnester aussehen. Ihre vollen Lippen waren feucht und rot, sie kaute auf ihnen herum. Das Shirt das sie trug gehörte ursprünglich Marco, doch seitdem er es bei ihr vergessen hatte, war es Joey's Eigentum gewesen. Außerdem stand es ihr um einiges besser, so ihre Aussage.
Kaum hatte Marco ihr Grinsen gesehen, schlich sich ein Lächeln auf seine eigenen Lippen. Augenblicklich schloss er die Arme um die junge Frau und zog sie eng an seinen Oberkörper. Sie duftete blumig und viel zu weiblich für ihr sonstiges Image, doch es gefiel Marco. Als Joey die Umarmung erwiderte, wurde Marco's Lächeln noch breiter und er schob sie in die Wohnung während sie noch in seinen Armen lag.
"Na" lachte sie, als sie rum stolperte und Halt am Körper des Blonden suchte.
"Selber na" nach Ewigkeiten ließen sie sich los und Marco schloss die Haustür hinter sich mit dem Fuß. "Ist deine Mutter nicht da?" sein Zeigefinger rutschte an den kalten Reißverschluss seiner dunkelblauen Jacke und er begann damit ihn herunter zu ziehen. Zeitgleich drehte sich seine Freundin auf den nackten, kleinen Versen um und rückte ihre Boxershort zurecht.
"Ne, ist eben weg gefahren. Sturmfrei" Sie warf Marco über ihre Schulter hinweg einen scherzhaft verführerischen Blick zu, als würden sie jetzt verbotene Dinge tun können und als genau so scherzhafte Antwort leckte sich Marco über die Lippen. Die Unbeschwertheit und das Gefühl des Willkommenseins hatten sich in der Sekunde in ihm breit gemacht, in der er über die Türschwelle getreten war.
Es war so leicht sich in diese Freundschaft fallen zu lassen und es war genau das, was der junge Mann zu brauchen schien. Und auch Joey's Mutter war eine großartige Frau, jemand wie sie konnte nur eine so tolle Person wie die Neunzehnjährige großziehen.
Das Zimmer des besagten Mädchens glich dem von Marco. Spiele, DVD's und Musik überall. Das einzige was fehlte, war die Ordnung, die der Junge immer sofort wiederherstellte nachdem er Besuch hatte. Es war zwar nicht dreckig aber einfach nur unaufgeräumt. Joey ließ ihre Zimmertür offen und warf sich auf das schwarze, riesige Sofa. Nachts warf sie alle Kissen herunter, zog es aus und schlief darauf, weshalb sie immer peinlichst genau darauf achtete, dass die Tagesdecke richtig lag und man nicht krümelte wenn man aß. Sie bedeckte etwa die Hälfte der Sitzfläche und Marco setzte sich einfach auf ihre weißen Beine, da sie keine Anstalten machte weniger Platz einzunehmen.
Das Mädchen mit den wuscheligen Haaren ignorierte es einfach. Plötzlich schoss ihr Kopf in die Höhe und sie sah ihren besten Freund an. "Ach ja, du hast mir gar nicht erzählt dass du so eine niedliche Nachbarin hast, Banause" beschwerte sie sich und setzte einen Schmollmund auf.
"Banause?" Marco zog eine der buschigen Augenbrauen nach oben und belächelte das Mädchen unter sich.
Sie verdrehte grinsend die Augen und beließ es dabei. "Wann hast du denn meine Nachbarin gesehen?"
"Als ich letztens bei dir war um dir den Arsch hinterher zu tragen" damit meinte sie, dass Marco so gut wie jedes Mal einige seiner Sachen bei ihr vergaß, wenn er bei ihr übernachtete und Joey so nett war sie ihm vorbei zu bringen.
"Hast du nicht 'ne Freundin?" fragte er interessiert und lehnte sich weiter zurück, nachdem er die Jacke von seinen Schultern gezogen und auf seinem Schoß gefaltet hatte.
Genervt stöhnte Joey auf. "Hör mir bloß mit der auf" sie ließ das Gesicht in die Couch fallen und brummte in die Decke. "Zum Glück bin ich die los."
"Doch nicht so ein lustiger Zeitvertreib?"
"Auf keinen Fall! Die war anhänglicher als Lia, das muss man erstmal schaffen!" ihr Kopf tauchte wieder auf und sie fuchtelte wild mit den Händen rum.
"Was von Liz gehört?" fragte Marco jetzt ein wenig ernster und leiser.
"Nur das Übliche... aber glaub mir ich bin so kurz davor sie zurück zu bekommen" Joey formte einen minimalen Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger, etwa ein Centimeter. Das sagte sie zwar jedes Mal wenn man sie drauf ansprach, aber Marco hoffte es trotz allem. Mühsam versuchte sich das kurzhaarige Mädchen unter ihm zu drehen, scheiterte jedoch und endete in einer noch ungemütlicheren Position. "Und wie sieht's bei dir aus?" Interessiert bohrten sich ihre Augen in die vom Jungen, der auf ihr saß.
"Mit wem?"
"Mit ganz egal wem, du bist single"
"Du doch auch" Mit der Handfläche schlug Joey auf seinen Oberschenkel, weil eine andere Stelle in dieser Position nicht möglich gewesen wäre.
"Du weißt was ich meine"
Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Marco darüber nach es ihr zu erzählen. Dass er sich in Hyacinth verguckt hatte und dass er nicht wusste, wie er damit umzugehen hatte. War es nicht sogar normal mit ihr darüber reden zu können? Er wollte es so unbedingt. Verurteilen würde sie ihn mit Sicherheit nicht. Und sie konnte auch Schweigen wie ein Grab, das würde nicht das Problem sein, also was hielt ihn noch davon ab? Würde sie ihn mit anderen Augen sehen? Würde sie versuchen ihn mit anderen Männern zu verkuppeln, so wie sie es immer mit Frauen versuchte, die sie selbst aufgegabelt hatte? Oder würde sie ihn auslachen?
Marco musste ziemlich lange darüber nachgedacht und dabei auch noch ziemlich verzweifelt ausgesehen haben, denn Joeys Blick war nur noch als fragende Miene zu erkennen. "Oh man, das sieht kompliziert aus" sagte sie und schob die zerzausten Augenbrauen noch weiter in die Höhe.
Ein lautes Seufzen vom Italiener. "Ist es. Und wie" er rieb sich verzweifelt die Stirn.
"Komm schon, ich hör dir zu." sie versuchte erneut sich um zu drehen um ihn richtig ansehen zu können, und diesmal schaffte sie es auch so gut wie nur möglich.
Eine weitere Denkpause löste angenehme Stille aus, die Marco nur ungern wieder durchbrechen wollte.
Ein letztes Mal tief Luft holen war wie eine Ermutigung an sich selbst und im Kopf zählte er bis drei, bis er die Lippen öffnete.
"Ich hab mich verliebt." sagte er viel zu schnell und angespannt. Seine Wangen röteten sich und er mied den Kontakt ihrer Blicke. Doch aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie sie strahlte. "Aber ich kann dir jetzt schon sagen, dass es nichts wird" sagte er und sofort schlug ihr Gesichtsausdruck um. Sie setzte ihre Mama-Maske auf.
"Was?! Wieso? Hat sie etwa 'nen Freund? Oder hast du wieder irgendwas Komisches gemacht und sie verscheucht?"
"Was? Nein!" er sah leicht verärgert und schmollend zu ihr rüber. Nachdem sie kurz Blicke ausgetauscht hatten drehte er sich jedoch wieder weg. "Und ehrlich gesagt... ist es ein er." Wieder konnte Marco aus den Augenwinkeln erkennen wie sich ihr Gesichtsausdruck veränderte. Ihr Mund stand so weit offen, dass sie mit Sicherheit Schmerzen im Kiefer bekommen würde. Marco ballte die Hände zu Fäusten und senkte den Kopf ein wenig um seine ansteigende Röte vor ihr zu verbergen. "Und noch ehrlicher gesagt... ist es Hyacinth."

Ich fühl mich ein ganz kleines Bisschen schlecht, weil ich so lange nicht geuploaded habe und hab versucht ein bisschen was raus zu holen (was mir glaube ich nicht so wirklich gelungen ist...)
Aber ich hoffe du kannst mir verzeihen und hattest Spaß an diesen Kapitel! ( ͡° ͜ʖ ͡° )

》Colourful《Where stories live. Discover now