XXII.

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„Alles Gute zum Jahrestag", zwinkerte mir Edgar zu. Ich starrte ihn nur noch perplexer an, als er mir ein rechteckiges Päckchen entgegen warf. Knapp fing ich es noch ab, knallte aber in eines der Pulte im Klassenraum in dem wir uns befanden.

„Danke. Aber unser Jahrestag war vor einem guten Monat?", sagte ich. Mein Blick war auf das Päckchen gerichtet, welches ich verwirrt in meiner Hand hin und her wandte.

Edgar zuckte mit den Schultern. „Mein Geschenk kam aber leider erst gestern an."

Es war noch keiner ausser uns im Klassenzimmer. Obwohl – eigentlich durfte Edgar auch nicht hier sein. Er war dieses Semester nicht mit mir im Literaturkurs. Trotzdem sass dieser jetzt auf einem der Pulte und grinste mich schief an. Das erfreulichste war, dass seine Haare nach der Schur endlich wieder nachwuchsen. Edgar hatte sie seit dem nicht wieder gefärbt, doch ich musste gestehen, dass die dunkelblonden Kringel, welche sich jetzt auf seinem Kopf bildeten unglaublich süss waren.

„Pack es aus!", quiekte Edgar ungeduldig. Leise seufzend rollte ich die Augen und begann das Papier abzureisen. Es kam ein Buch zum Vorschein. Doch nicht irgendein Buch. „Dämlicher Volltrottel", lachte ich. Edgar sprang vom Tisch herunter und sprintete zu mir rüber. Kopfschüttelnd hielt ich eine Sonderausgabe der Göttlichen Komödie in den Fingern. Als Edgar breitgrinsend vor mir stand, konnte ich nicht anders als ihm diese schmunzelnd über den Kopf zu ziehen. „Eine mächtige Flamme entsteht aus einem winzigen Funken", grinste ich flüsternd, was Edgar dazu brachte lachend die Augen zu verdrehen. „Ich seh das Zitat jetzt einfach als Liebeserklärung an, okay?" Ich nickte.

Edgar griff nach dem Kragen meines Hemdes und zog mich näher an sich heran. Etwas ungeschickt drückte er seine Lippen auf meine. Trotzdem war es ein sanfter Kuss.

Für einen Moment vergass ich alles. Ich erwiderte Edgars Kuss und vertiefte ihn. Es verging ein kurzer Moment, ehe ich einen verlegenen Rückzieher machte. Schliesslich befanden wir uns immer noch in einem Klassenzimmer...

„Wir sehen uns später?", fragte Edgar, als ich dabei war ihn ein Stück von ihm fortzubewegen. „Nach Algebra bei deinem Schliessfach?" Edgar lächelte, während seine Hand vorsichtig erst meine Schulter tätschelte, ehe sie über meinen Arm glitt und kurz meine Hand kniff. Am liebsten hätte ich sie nicht losgelassen.

Während ich Edgar dabei zusah, wie er liebestrunken aus dem Klassenzimmer stolperte, wurde mit bewusst, dass ich mich je länger je wohler in meiner eigenen Haut fühlte. Dank Edgar.

scharlachrotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt