41. "Sing mir was vor"

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Ich hatte die Tische von Andrew und Aiden zur Seite geschoben, damit ich freien Ausblick auf Sophie und Ginger hatte. Meine Kamera filmte all das Geschehen. Doch nun schaltete ich sie aus. Jetzt hatte ich genug Filmmaterial für einen schönen Filmabend mit June. Der Gedanke an sie ließ meine Laune einen Abgrund hinunter springen. Ich konnte während den letzten paar Stunden kein Lächeln aufsetzen, sei es auch ein gespieltes. Meine Gedanken schwirrten nur so herum und jede einzelne drehte sich um June. Mir war bewusst, dass ich die vier, Naja, eher gesagt drei und dass, was noch von Ginger noch übrig ist, nicht hier alleine lassen könnte, doch es zog mich immer wieder zu ihr, sodass ich endlich aufgab um nach ihr zu sehen. Mit scharfen blicken musterte ich alle hier in diesem Raum. "Ich hoffe, dass war euch eine Lehre. Wenn ich wiederkomme, verlange ich die Wahrheit."
Ich überprüfte nun zum siebten Mal die Fesseln, Sicherungen und die Schlösser der Tür, bis ich mich auf den Weg machte. Ich drückte vorsichtig die Tür auf. "Was macht er hier, Michael?", zischte ich durch meine Zähne hindurch und verengte meine Augen, als sie auf, den im Bett hockenden, Antonie trafen. "Ich wollte sie sehen!", verteidigte sich Antonie monoton. Es war keine Spur von Reue oder Angst in seiner Stimme zu finden. "Halt deine klappe verdammt noch mal! Niemand redet mit dir und keinen interessiert deine Meinung. Du bist auch nur eins meiner Opfer und wirst es, genauso wie June, nicht überleben", schrie ich ihn voller Verachtung an. Mein Blut kochte, mein Herz raste, ich fing an zu schwitzen und ballte meine Hände so fest zusammen, dass es schmerzte und die Knochen weiß hervor stachen. Er stand vorsichtig vom Bett auf und zitterte vor Anspannung. "Wenn es dir egal ist ob sie stirbt oder nicht, dann bring sie doch um!", brüllte er und schloss dabei seine Augen. Er atmete schwer und schien sich wahrscheinlich nicht im klaren darüber zu sein, was er gerade gesagt hatte. "Bring sie doch endlich um, dann muss sie nicht mehr leiden und ihre Zeit mit jemanden wie dir verbringen", wiederholte er in einem sanften und verzweifelten flüster Ton. Er sagte den letzten Teil so herablassend und respektlos, dass ich mit meiner rechten ausholte und mit geballter Faust auf ihn einschlug. Ich traf seinen Kiefer, der laut knackte. Schwer atmend richtete ich mich wieder auf. Keine Millisekunde später trat der Mistkerl mit seinem Fuß seitlich gegen mein Schienbein, was mich zu Boden fallen ließ. Mit einem unterdrückten Schrei landete ich mit meinem ganzen Gewicht auf mein Schulterblatt auf den harten Fliesen. Ich tat es ihm gleich und brachte ihn ebenfalls mit einem kick in die Kniekehle zu Fall. Ich versuchte mich aufzurichten, doch mein Knochen im Bein schmerzte höllisch. Es war wahrscheinlich eine kleine innere Fraktur, da ich ihn kaum spüren konnte. So schmiss ich mich auf Antonie und versuchte ihn unter Gewalt zu bringen, was nicht so leicht war wie gedacht, da er in etwa die gleiche Statur wie ich besaß. "Verdammt Michael, wieso hilfst du mir nicht!", forderte ich ihn aufgebracht auf. Er saß gemütlich, mit überschlagen Beinen, auf einem Sessel und betrachtete das ganze Geschehen. Er schien sichtlich darüber amüsiert zu sein. "Das ist ein Kampf zwischen euch beiden, den ihr alleine zu ende bringen müsst. Ich misch mich da nicht ein. Und außerdem ist es interessant euch dabei zu beobachten, wie ihr um June kämpft", antwortete er ruhig und gelassen. Ich musste mich viel zu sehr auf Antonie konzentrieren, sodass ich nicht kontern und ihm widersprechen konnte. Antonie nutzte die kleine Ablenkung meinerseits und beförderte mich mit einer schnellen Bewegung unter sich, sodass er nun den Vorteil nutzte. Wir lagen knapp neben dem Bett. Er hatte meine Handgelenke im festen Griff. Mehrere Male versuchte ich mich von ihm zu lösen, doch irgendetwas stimmte nicht. Er ließ nicht nach, keinen Millimeter. Wieso war er auf einmal so stark? Er schien selbst nicht so überrascht zu sein, im Gegenteil, in seinen Augen schimmerte deutlich die Entschlossenheit. Erneut versuchte ich ihn weg zu drücken, diesmal mit meinem ganzen Körper. "Ich werde immer für June kämpfen! Immer einen Ausweg für sie suchen und finden, auch wenn es der Tod ist. Für sie würde ich durch die Hölle gehen. In gewisser Weise müsste ich dir sogar dankbar sein, denn ohne dich wäre ich mir bis heute meiner Gefühle ihr gegenüber nicht bewusst." Wir starrten uns giftig in die verengten Augen. "Manchmal ist es nicht die richtige Lösung vor etwas weg zu laufen! Der Tod ist nur der Weg für die Versager, die zu feige sind um sich den Dingen zu stellen und keinen Mut besitzen. Sie ist nicht so! Sie ist anders als die anderen. Sie wird für immer nach dem Ausweg suchen und niemals aufgeben. Ich weiß es! Ich weiß es einfach!"
Eine dünne, kratzende und angestrengte Stimme lies die Luft in meiner Lunge nur noch stoß weise nach außen dringen.
"J-Joel? S-Sing mir was vor."

TorturedWhere stories live. Discover now