Kapitel 4

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Aus der Küche war das Geräusch des Wasserkochers zu hören, während der Doktor und der Detektiv auf ihren Sesseln im Wohnzimmer verharrten. Es würde nicht mehr lange dauern bis der Fünf-Uhr-Tee fertig wäre, doch das schien selbst Sherlock in diesem Augenblick kaum etwas auszumachen. Normalerweise war er die Ungeduld in Person, aber selbst die Tatsache, dass Johns Pünktlichkeit seit Marys Schwangerschaft enorm nachgelassen hatte, hatte ihn im Verlauf des Tages kaum aus der Ruhe bringen können.

Der ehemalige Militärarzt hatte gleich mehrere Stunden gebraucht, ehe er endlich erschienen war, obgleich er Sherlock mit seiner Anwesenheit allerdings kaum hätte helfen können. Alles was der Consulting Detective benötigte waren Informationen über die vorherigen Drogenopfer. Alter, Herkunft, Todesart und Zeitpunkt des Todes. Alles andere war unwichtig, geradezu langweilig.

Und obwohl er es vorerst nicht zugeben würde, musste er sich insgeheim eingestehen, dass ihm Molly durchaus eine Hilfe dabei gewesen war, diese Informationen zu bekommen. Molly, die inzwischen nicht mehr auf seine Versuche sie zu manipulieren hereinfiel, was ihn einerseits ärgerte, ihr andererseits jedoch auch ein wenig stand. Nicht, dass er das jemals zugegeben hätte, um ihr ein wenig mehr Selbstbewusstsein ihm gegenüber zu garantieren.

Schließlich brachte ihn der Geruch von Earl Grey in die Wirklichkeit zurück. John hatte in der Zwischenzeit den Tee aus der Küche geholt und serviert. Da Mrs. Hudson diesen Nachmittag mehr oder weniger nicht verfügbar war, - sie war mit dem Besitzer des Speedys unterwegs - war John dazu übergegangen ihre Aufgaben ebenfalls zu übernehmen. Obgleich er wusste, dass Mary ihn zuhause durchaus hätte gebrauchen können, war es gleichzeitig offensichtlich, dass Sherlock ohne ihn verhungert wäre. Jedenfalls konnte sich der Doktor kaum daran erinnern, dass der Consulting Detective in all den Jahren in denen sie sich eine Wohnung geteilt hatten, jemals öfter als einmal im Jahr gekocht hatte.

,,Ich nehme an du warst zwischenzeitlich in der Pathologie." fing John an und sah zu Sherlock herüber. Er ahnte bereits, dass sein Mitbewohner einmal mehr versucht hatte, mithilfe von Manipulation an die Informationen zu gelangen, die ihm, meist nicht ohne Grund, vorenthalten wurden - und sie wussten beide wer sein aktuelles Opfer gewesen war.

,,Offenkundig, John.". erwiderte Sherlock und lehnte sich gemächlich in seinem Sessel zurück, so als sei alles andere nicht von Belang. ,,Glaubt man Mollys Ergebnissen - und das tue ich, da ich sie nochmals überprüft habe - sind die bisherigen Toten allesamt Opfer ihrer Drogensucht, obwohl sie schon seit Jahren clean waren. Ihr Blut weist jedenfalls, abgesehen von der letzten Einnahme, nicht auf die geringsten Anzeichen einer erst vor kurzer Zeit entstandenen Sucht hin, was ich ebenfalls durch die bereits abgeheilten Narben von Heroinnadeln, sowie die lediglich minimalen Kokainresten unter den Fingernägeln und an den Nasenschleimhäuten feststellen konnte. Die einzige Möglichkeit ist daher, - wenn man bedenkt, dass die Drogentoten alle unweit der Baker Street gefunden wurden - dass jemand beabsichtigt mein Interesse für diesen Fall zu wecken. Aber wer nutzt dafür ehemalige Süchtige, die sich bis auf die Todesursache nicht im Geringsten ähneln? Und weshalb lassen die Opfer ihren Tod zu?"

,,Womöglich droht er ihnen." murmelte John, während er einen Schluck aus seiner Teetasse nahm. Eigentlich hätte er in diesem Augenblick bei Mary sein sollen und auch die Tatsache, dass sie ihn praktisch dazu gezwungen hatte, endlich Sherlock zur Seite zu stehen, konnte nicht verhindern, dass sich sein schlechtes Gewissen Stück für Stück zurückmeldete. Vielleicht...

Es war das Klingeln von Sherlocks Handy, welches Johns Gedanken unterbrach, wobei dieser es wie so oft ignorierte.

,,Es ist Mycroft." murmelte John, nachdem er sich erbarmt und anstelle von Sherlock nach dessen Handy gegriffen hatte. ,,Er fragt..."

Bevor Watson den Satz auch nur beenden konnte, griff der Consulting Detective nach seinem Handy, wobei er den Grund für Mycrofts Nachricht bereits erahnte. Sein Bruder hatte bisher keine Ruhe gegeben und würde es auch dieses Mal nicht tun. Sobald Sherlock einem Fall von vermeintlich internationaler Bedeutung nachging, schien Mycroft seine eigene Wichtigkeit umso mehr hervorzuheben.

Sherlock - Count on meWhere stories live. Discover now