Verhängnisvoller Flug

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Niklas lachte und wir flogen durch die Luft. Es entspannte mich den Wind im Gesicht zu spüren. Meine Flügel fühlten sich groß und Federlicht an.

Mit jedem Flügelschlag verschwand meine schlechte Laune und wandelte sich in gute. Es tat auch Nik gut, der immer noch ein wenig unsicher war in der Luft. Das war vollkommen in Ordnung. Er war noch jung und flog viel zu wenig um perfekt zu fliegen. Ich liebte es zwar ohne Ende. Aber Technik und geschickt, war nicht meine.

Das war einfach die Kehrseite des Lebens hier hoch auf den Bergen. Eigentlich müsste man davon ausgehen dass wir dort frei wären.

Aber die Berge gaben uns keine Freiheit. Nein. Die Berge erdrückten uns. Wir hockten auf einander, gemeinsam. Es gab jeden Tag nur die gleichen Leute. Der Tag fing jeden Tag gleich an. Es gab hier keine Abwechslung. Ich war kein großer Menschenfreund. Aber dennoch beneidete ich sie. Menschen konnten einfach tun und lassen was sie wollten. Ohne Kompromisse. Ohne Sorge. Bei ihnen gab es nicht so drastische Straßen oder Maßnahmen wie bei uns. Menschen waren einfach ruhiger als wir. Sie hatten ein Rechtssystem. Bei uns galt das Gesetz oder besser gesagt das Wort des Alphas. Das war nicht immer leicht.

Schließlich war der Alpha ein starrköpfiger Steindrache, der meistens einfach nur seinen Willen durchbringen wollte, was es für uns nicht leichter machte als Gemeinschaft zusammen zu leben. Aber wir taten es trotzdem. Aus Angst. Angst vor den Jägern. Die Jäger wurden über die Jahre hinweg gefährlicher denn je. Ihre Waffen wurden immer besser. Das war auch der einzige Grund, weswegen sie überhaupt eine Chance gegen uns Drachen hatten.

Ich spürte wie gut es Niklas tat mit mir zu fliegen. Er war noch ein kleiner Junge. Und gerade die kleinen brauchten ihre Flugeinheiten. Warum verstand das niemand im Rudel? Ich war ein Feuerdrache, ich konnte auf mich und Niklas aufpassen. Das war mir klar und das war auch Niklas klar. Wir flogen noch eine Weile bevor ich wieder auf den Boden landete. Ich sah zu Niklas und wartete geduldig bis er ebenfalls genug hatte. Wir mussten aufpassen. Ich wusste das. Wenn uns jemand aus dem Rudel fliegen sah würden sie es dem Alpha erzählen und dann würden wir Ärger bekommen.

Nun gut. Niklas würde Ärger bekommen. Ich würde bestraft werden. Niklas war noch in einem Alter in dem man sich kleinere Vergehen leisten konnte. Ich hingegen nicht mehr. Mit Vollendung meines 18. Lebensjahr war ich in den Augen des Rudels Erwachsen. Aber noch nicht Erwachsen genug. Denn das war man bei uns erst mit 21 Jahren.

Niklas landete ungeschickt auf dem Boden und wäre beinahe hin gefallen, doch er konnte sich im letzten Monat auf den Beinen halten Er sah mich stolz an und lächelte. „Na wie mach ich mich?", fragte er.

„Ausgesprochen gut.", lobte ich ihn und holte Luft. „Hast du geübt?"

Niklas nickte aufgeregt. „Jaaa. Warte... ich zeig es dir.", er konzentrierte sich und ich konnte sehen wie seine Brust hell wurde. Ich fing an zu lächeln. Er war auf dem besten Weg zu lernen wie man gezielt Feuer spuckte. Momentan konnte er das nur unbewusst und ungewollt. Zum Beispiel wenn er nießen musste. Für uns anderen war das lustig. Aber für ihn nicht wirklich.

„Sehr gut, Nik.", ich sah ihn an und verwandelte mich wieder. Immer wenn ich ihm etwas erklärte tat ich das in meiner Menschlichen Form. Das war einfach. Ich setzte mich in den Schneidersitz auf dem Boden. „Du bist auf einem guten Weg. Du musst wissen, dass bewusste Feuer spucken dauert seine Zeit. Es ist nicht leicht, und es wird auch nicht leichter. Du darfst nicht vergessen, dass Feuer Tödlich ist. Dir muss jedes mal bewusst sein, was dein Feuer anrichtet und anrichten kann."

Niklas nickte und versucht zu pusten, doch statt Feuer kam dort nur Rauch heraus. Ich musste mich schwer zusammen reißen um nicht zu lachen. „DU hast es fast.", gab ich zu. Und dann tatsächlich. Eine kleine Flamme kam aus seinen Mund. Ich kreischte auf und sprang hoch. „Nik! Du hast es geschafft!", sagte ich stolz.

Nik verwandelte sich und warf sich mir in die Arme. „Ich habe es geschafft. Hast du die Flamme gesehen?", fragte er stolz und aufgeregt.

Ich nickte, „Ja! Nik, das war super! Einfach nur toll.", ich strich ihm über die Haare. „Ich bin wahnsinnig Stolz auf dich." Nik brauchte noch einige Minuten um sich wieder zu beruhigen, doch er schaffte es kein zweites mal eine Flamme entstehen zu lassen. Es tat mir leid, dass sein Erflog nicht größer war. Aber dennoch gingen wir zufrieden zurück zum Dorf. Den ganzen Weg sprach er von nichts anderem als dieser Flamme.

„Aber irgendwann, Sin, dann wird die so groß!", behauptete er stolz.

„Ganz bestimmt!", versprach ich mit einem Zwinkern. Eines Tages wäre er ein guter Alpha. Das wusste ich. Das spürte ich.

Wir kamen am Dorf an als Tegan sich mir in den Weg stellte. Sofort war Nik hellhörig. „Lass sie in Ruhe!", befahl er. „Oder ich verbrenne dich!", drohte er.

Tegan sah seinen kleinen Bruder an und verdrehte die Augen. „Du kannst ja noch nicht mal mit einem Feuerzeug eine Flamme entfachen, Knirps."

Ich legte den Arm um Nik, bevor er zu enttäuscht war. „Das stimmt so nicht, Tegan. Er hat heute zum ersten mal Feuer gespuckt. Etwas, was du niemals schaffen wirst.", sagte ich ruhig. Nik lächelte mich an. Ich wusste wie angespannt das Verhältnis zwischen den Bürden war. Das lag an der Tatsache, dass die beiden Jungen sehr dominant waren. Die beiden würden in jedem fall eine Alpha Kampf austragen, wenn die beiden Alt genug waren. Das war mir klar. Aber war es auch den anderen klar?

Tegan sah mich warnend an. „Knirps, lass mich alleine mit Sienna.", befahl er. Bevor Nik sein Du-hast-mir-gar-nichts-zu-sagen Blick aufsetzten konnte, grummelte Tegan. Der Laut kam aus seiner Brust und es war in etwa gleich zusetzten mit dem Knurren eines Hundes. Es war eine Warnung. Nik zuckte zusammen und sah mich entschuldigend an. Dann drehte er sich um und rannte davon.

Wieder einmal stand ich allein mit Tegan im Dorf. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und hob mein Kinn. Was wollte er jetzt schon wieder? Er kam einen Schritt näher und ich war nicht gewillt auch nur einen Millimeter zurück zu weichen. „Hör auf!", sagte ich scharf. „Du bist nicht mein Alpha. Also versuch diese Nummer erst gar nicht."

„Noch bin ich es nicht. Aber bald.", sagte er. „Du wirst dich an die Vereinbarung halten, Sienna."

Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Werde ich nicht. Erstens hast du eine Freundin, zweitens will ich dich nicht und drittens kann mich selbst der Alpha nicht zwingen wenn ich nicht will. Das ganze Dorf müsste zu stimmen. Und das, Tegan, wird niemals passieren."

„Ach...Sienna, Sienna. Ich wollte es wirklich auf die nette Tour versuchen aber du lässt mir keine Wahl.", er umfasste mein Arm und zog mich mit sich. Ich versuchte mich zu wehren aber er war zu stark. Viel zu Stark. „Du hast jetzt die Wahl... entweder du stimmst der Vereinbarung zu oder aber ich erzähle Vater von deinem kleinen Geheimnis." Er blieb vor einem Haus stehen und drückte mich gegen eine Hauswand. Als ich nach Luft schnappte strichen seine Finger über meine Schulterblätter. „Ja, Sienna. Ich weiß von deinem Flug. Ich hab euch beiden gesehen."

Meine Haltung veränderte sich. Ich sah Tegan flehend an. „Tegan, bitte nicht. Du weißt, was das für mich bedeutet, wenn du es deinen Vater erzählst.", meine Stimme klang panisch.

Tegan lächelte überlegen. „Deine Situation ändert sich sowieso nicht. Die Vereinigung findet statt. Wobei ich lieber eine Frau mit Flügeln hätte.", wieder fuhren seine Finger über die Stelle wo meine Flügel waren. Es war eine perfide Erpressung. Mehr nicht. Aber wenn Lucas von meinem Flug erfuhr... Er würde mir zu Strafe die Flügel abschneiden lassen. Tegan wusste es. Ich wusste es. Ich musste eine Entscheidung treffen. Schnell. Tegan lächelte. Er kannte meine Entscheidung lange bevor ich es selbst wusste. „Ich wusste doch, dass du vernünftig bist." Seine Hand fuhr über meine Wange und ich schluckte hart.

Ja, meine Entscheidung stand fest. Ich würde meine Freiheit im Gegenzug für meine Flügel eintauschen. 




DrachenjagdWhere stories live. Discover now