Tony: Tell me. I wanna hear it.

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Da ich Jennas Nummer nicht hatte, war das Einzige, was mir übrig blieb zu ihrem Haus zu fahren.
Kaum kam ich in die ungemütliche Gegend, wurde ich bereits schief angeguckt. Ein leicht bekleidetes Mädchen warf mir einen Handkuss zu. Eine Gruppe von Jungs warfen mir abwertende Blicke zu. Ich senkte den Blick und ging schnell an ihnen vorbei. Nun stand ich vor dem Block, in dem sie wohnte. Wie hieß sie mit Nachnamen? Ich glaubte sie zu lieben, wusste aber nicht einmal ihren Nachnamen. Ich war ein Idiot. Jefferson. Average. Smith. Baker. Cooper.
,,Was willst du hier?" Einer dieser komischen Jungs stand auf einmal neben mir. Sein Arm war mit Tattoos überseht. Er trug ein Tanktop und zerrissene Jeans. ,,Eine Freundin besuchen", antwortete ich leise. Der Typ jagte mir ein bisschen Angst ein, um ehrlich zu sein. ,,Warum stehst du dann hier rum, anstatt zu klingeln?", fragte er amüsiert. ,,Weil ich... ich kenne ihren Nachnamen nicht", gab ich zu. ,,Ich wohne auch hier. Vielleicht kann ich dir ja weiterhelfen", bot er an. Ich nickte. ,,Jenna" Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich. ,,Die ist nicht Zuhause und jetzt verschwinde", sagte er schroff. Ich konnte mir sein Verhalten nicht erklären. ,,Ich muss aber... ich muss mit ihr sprechen. Es ist wichtig", sagte ich. Er packte mich am Shirt und schlug mich gegen die Haustür. ,,Ich habe gesagt, du sollst verschwinden" Er ließ mich los und ich ging schnell davon. Der Typ musste riesige Agressionsprobleme haben... Ich lief den selben Weg zurück. Ich drehte mich noch einmal um. Der Typ stand immer noch da und beobachtete mich. Unheimlich. Ich drehte mich wieder um und lief in Jemanden hinein. Das Mädchen, welches sich als Jenna herausstellte, fiel zu Boden. Schnell half ich ihr auf. ,,Sorry, tut mir leid. Geht es dir gut?", entschuldigte ich mich schnell. Sie wollte etwas sagen, blickte aber auf etwas hinter mir. ,,Ich hab doch gesagt du sollst dich verpissen!" Der Typ von vorhin stellte sich vor Jenna und baute sich vor mir auf. War er etwa ihr Freund? ,,Mike, was soll das?", fragte Jenna den Typen und berührte ihn an der nicht-tätowierten Schulter. Er drehte sich zu ihr um. ,,Du kennst den?", fragte er sie. Ich konnte sie nicht sehen, aber ich nehme an, sie nickte. ,,Wie weit bist du bitte gesunken, Schwesterchen? Erst dieser Nerd und jetzt der Waschlappen da. Ich bin echt enttäuscht"
,,Halt die Klappe und geh wieder zu deinen Gangster-Freunden! Es geht dich nichts an mit wem ich mich treffe", sagte sie bestimmt. Er erhob die,zu einer Faust geballten,Hand. Er wollte sie schlagen. Blitzschnell stellte ich mich zwischen die beiden. Er erwischte nur leicht meine Wange. ,,Verpiss dich verdammt nochmal!", sagte er an mich gewandt. ,,Und du! Sprich nicht so mit mir, kapiert? Sonst erzähl ich Dad, was für eine Schlampe du wirklich bist" Er stapfte davon.Jenna schlang ihre Arme um mich. ,,Danke", murmelte sie. Weinte sie etwa? Ich ließ sie los, um sie ansehen zu können. Erst jetzt nahm ich ihre leicht geschwollene Wange war. Sie war bereits etwas blau. ,,War er das?", fragte ich wütend. Sie nickte kaum erkennbar. ,,Wer ist er?"
,,Mein Bruder" Ich hätte diesen Typen umbringen können. Sowas tat man niemandem an, schon gar nicht der eigenen Schwester. ,,Warum hat er das getan?", wollte ich wissen. Wie konnte man sowas nur tun? ,,Lass uns zuerst ins Haus gehen. Er wird heute sowieso nicht mehr nah Hause kommen", sagte sie und ich folgte ihr.

Die Wohnung war ziemlich klein. Trotzdem hatte sie ein eigenes Zimmer. ,,Mike schläft immer auf der Couch", erklärte sie. Es war mir egal, wo der Penner schlief. Sollte er doch...
,,Setz dich", sagte sie und zeigte auf ihr kleines Bett. Ein Wunder, das sie darin schlafen konnte. Sie ließ sich neben mir nieder. ,,Gestern Abend. Als ich abgehauen bin, da hab ich meinen Bus verpasst. Deswegen bin ich noch zu der Pizzeria in der Nähe und hab was gegessen. Ich kam erst um elf nach Hause, weil ich ja dann noch ein Stück mit dem Zug fahren musste. Und das hat Mike eben nicht gepasst. Er wollte wissen, wo ich war und ich habe ihm die Wahrheit gesagt. Dann hat er mir eine Ohrfeige gegeben und mich beschimpft. Er hat mich fertig gemacht. Aber ich bin das ja gewohnt", erklärte sie traurig. ,,Er schlägt dich also öfter?", fragte ich. Sie zuckte mit den Schultern. ,,Naja ja, aber ich weiß, das er mich nur beschützen will. Er weiß nur nicht, wie man das macht. Er ist kein Vater. Er ist gerade mal neunzehn. Er hat mich großgezogen", sie schien in Erinnerungen zu schwelgen. ,,Was ist mit deinen Eltern?", fragte ich. Mike hatte ja einen Vater erwähnt. Sie seufzte. ,,Mein Vater arbeitet in einer Fabrik, weshalb er fast nie Zuhause ist. Er trinkt gerne und er hat Mike früher oft geschlagen"
,,Wieso?"
,,Mike ist nicht sportlich oder besonders schlau. Er wollte Sänger werden, aber das konnte Dad nicht verstehen. Mike ist einfach nicht so, wie Dad ihn gerne hätte. Dazu kommt, das er ziemlich rebellisch ist", erklärte sie.
,,Hat dein Dad dich auch...?" Sie schüttelte den Kopf. ,,Nein. Dad liebt mich über Alles. Ich glaube, deswegen verliert Mike bei mir manchmal die Fassung. Er ist eifersüchtig und ich kann es ihm nicht verübeln"
,,Das ist noch lange kein Grund dich zu schlagen, Jenna" Sie nickte. ,,Was ist mit deiner Mum?"
,,Sie hat uns verlassen als ich ganz klein war. Deswegen musste Mike mich auch großziehen. Dad war schließlich immer arbeiten"
,,Weißt du warum sie gegangen ist?", fragte ich.
,,Nein. Ich habe mich so oft gefragt, wieso sie einfach ging. Warum sie nie angerufen hat. Ich schätze Mike und ich sind ihr einfach egal" Ich verstand sie. Mir ging es mit meinem Vater nicht anders.
Ich nahm sie in den Arm. Sie fing an zu weinen. ,,Du kannst dir nicht vorstellen, wie weh es tut zu glauben, das du deiner Mutter egal bist. Der Frau, die dich auf die Welt gebracht hat. Wegen der du jetzt hier bist. Ich hätte sie so oft gebraucht" Jenna redete immer weiter. Sie brauchte das. Sie brauchte jemanden, der ihr zuhörte. ,,Ich hatte als Kind solche Angst im Dunkeln. Es hat ewig gebraucht bis ich eingeschlafen bin, aber Dad blieb immer so lange bei mir bis ich schlief"
,,Er scheint wohl doch ein guter Mann zu sein", sagte ich. ,,Er war einer. Bis er anfing zu trinken. Ich weiß noch das erste Mal als er betrunken nach Hause kam. Aber i-ich will dich nicht nerven. Du solltest dir das...nicht anhören müssen" Sie schniefte. ,,Nein. Erzähl es mir. Ich will es hören"
,,Es war Mikes 13. Geburtstag. Dad war total betrunken. Er konnte nicht mehr mal gerade gehen. Mike hatte mich bereits ins Bett gebracht. Jeden Abend laß er mir Arielle die Meerjungfrau vor. Das war jeden Tag mein Highlight.
Ich hörte wie sie miteinander sprachen. Auf einmal hörte ich einen Schrei. Es war Mike. Er beleidigte Dad und dieser schlug als Antwort jedes Mal zu. Ich stand auf und beobachtete die beiden heimlich. Mikes Gesicht war blutüberströmt. Es war furchtbar. Dann sagte Mike etwas, das ich nie vergessen werde. Ist es das was du eine Familie nennst? Und er hatte irgendwie recht. Dad behandelte Mike immer anders als mich. So sollte das in einer Familie nicht sein. Dazu kam noch die Sache mit Mum. Ich ging wieder ins Bett. Eine Stunde später kam Mike. Er legte sich neben mich und sang mir etwas vor. Er hatte mich gesehen"
,,Das klingt furchtbar",flüsterte ich. Sie löste sich aus meiner Umarmung, setzte sich aufrecht hin und strich sich durch die Haare. ,,Nochmal Danke",sagte sie. ,,Kein Problem"
,,Können wir das gestern einfach vergessen und Freunde sein?", fragte sie. Ich stutze. Freunde? Das war nicht das, was ich wollte. Aber ich dachte kurz darüber nach. Vor ein paar Tagen, dachte ich noch Jamie wäre die Richtige für mich und sie hatte Interesse an mir. Es war bereits ein Fehler gewesen, diesen Tag alleine mit Jenna zu verbringen. Wir hätten uns nicht hinreißen lassen dürfen. Es war Jamie gegenüber nicht fair. Ich musste einfach nur den Kopf frei griegen und mich dann wieder auf Jamie konzentrieren. Vielleicht fühlte ich mich zu Jenna hingezogen, aber das hieß noch lange nicht, das sie auch die Richtige für mich war. Jamie hatte eine Chance verdient, wenn sie denn eine wollte. Ich konnte nicht vergessen, was Jenna einmal gesagt hatte.
,,Ja, das können wir" Sie schenkte mir ein Lächeln. Ein ehrliches.

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