Kapitel 12

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Bild: Tybalt (Dylans Freund, der die Tür aufgemacht hat)

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Nach einer halben Stunde Fußmarsch waren wir in dem besagten Viertel, wo sich dieser Harry aufhalten sollte. Es sah nicht gerade schön aus hier und mit der Zeit wurde der Himmel immer dunkler und Lena immer angespannter. Da es langsam Winter wurde, wurde es dementsprechend schnell dunkel, obwohl wir erst halb fünf hatten. Es wunderte mich, dass Lena nicht protestierte, wie sie es sonst ziemlich oft tat, aber sie blieb ruhig und lief neben mir her. Ich war froh sie bei mir zu haben, die meisten anderen hätten sich gar nicht auf meine dumme Idee eingelassen. Meine Idee war dumm, dass hatte ich mir mittlerweile selbst eingestehen müssen.

„Laut meinem Handy müssen wir da lang" meinte sie und zeigte mit dem Finger zu einer engen Gasse. Augenblicklich schossen mir die Erinnerungen an den Partyabend wieder in den Kopf. Der Junge mit den blutigen Händen. Wie paralysiert blieb ich stehen, als sich die Bilder von meinem inneren Auge erneut abspielten.

„Bella?" hörte ich jemanden sagen und merkte wie jemand vor meinem Gesicht mit einer Hand wedelte. Etwas benebelt schüttelte ich den Kopf und sah in Lenas besorgte Augen. „Tut mir leid, ich hab mich nur an etwas erinnert" entschuldigte ich mich. Ich hatte ihr nie von der Sache erzählt und hatte es ehrlich gesagt auch nicht vor. Das Ganze war für mich als Traum abgestempelt worden, es gab keine andere Möglichkeit. Bloß ein Traum, weiter nichts.

Entschieden ignorierte ich die prüfenden Blicke meiner Freundin und trat in die Gasse, in der es so finster war, dass ich kaum irgendetwas erkennen konnte.

„Hier muss es irgendwo sein" Lena sah noch einmal prüfend auf ihr Smartphone, das uns den Weg hierher gezeigt hatte und nickte mir zu „Wir sind da."

Wir standen genau zwischen zwei dreckigen, hohen Gebäuden, die beide nicht sehr einladend aussahen. Einige Fenster waren eingeschlagen, auf dem Boden lagen Unmengen von Zigarettenresten und zertrümmerte Energiedosen. Nett.

Lena schritt auf den linken Block zu, um auf dem Klingelschild nach dem richtigen Namen zu suchen. Ich folgte ihr und sah über ihre Schulter zu den Klingelschildern. Nichts. Die Klingelschilder waren völlig zerstört worden, alles was man sah, war ein großes schwarzes Loch, als hätte jemand einen Feuerwerkskörper an das Ding geworfen. Also keine Namen, auch gut.

Frustriert lehnte ich mich an die beschmutze Haustür, gleichgültig darüber, ob ich meine Jacke danach je wieder sauber kriegen würde.

Unerwarteter Weise schwang die Tür allerdings auf, als ich mein Gewicht dagegen stämmte, sodass ich in den Hausflur hinein fiel und auf meinem Po landete. „Autsch" keuchte ich und versuchte mich mit Hilfe des Treppengeländes hochzuziehen. Von weiter oben hörte man laute Musik und Gelächter, wahrscheinlich fand dort eine Party statt. Auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte wer freiwillig in dieses Gebiet kommt, nur um auf eine dämliche Hausparty zu gehen. „Sollen wir hochgehen?" fragte Lena unsicher und sah mich abwartend an. Nachdenklich blickte ich durch das Treppengelände durch, nach oben.

„Denke schon" Plötzlich war ich etwas beunruhigt, da ich nicht wusste, was mir bevor stand. Es konnte jedenfalls schon mal nichts Gutes sein.

Zögernd schlichen wir die Treppen hinauf bis wir vor einer lackzerkratzen Tür hielten, die schon viel mitgemacht haben muss. Lena und ich guckten uns noch ein letztes Mal an, sahen jeweils in den anderen Augen Angst und Zweifel, doch nickten uns trotzdem tapfer an. Meine Hand glitt zur Klingel und drückte einmal drauf, wodurch wir es gedämpftes Klingelgeräusch in der Wohnung vor uns hörten. Daraufhin wurde es ganz ruhig darin, die Musik wurde abgestellt und die Gespräche verstummten.

Schwere Schritte machten sich zur Tür und rissen diese gewaltsam auf. Zum Vorschein kam ein großer, komplett schwarz gekleideter Junge mit tattowierten Armen, die sehr muskulös schienen. Seine dunkelblonden, fast braunen Haare waren gestylt und sahen nahezu makellos aus. Als ich sein Gesicht sah, erkannte ich ihn sofort wieder, er war einer von Dylans Kumpeln. Ich war also richtig.

„Was zur Hölle wollt ihr hier?" zischte er uns an, wodurch noch mehr Jungs auf dem Flur erschienen, die uns teilweise neugierig, teilweise gierig musterten.

Unerwartet wuchs meine Wut wieder, verlasste mich etwas zu tun, was ich mich sonst noch nicht einmal in meinen Träumen wagen würde. Ich schob mich vorbei an dem Muskelprotz, der mir ein „Hey!" hinterher schrie und kämpfte mich durch die Masse an Kerlen in stickigen Raum. Hauptsächlich leuchteten meine Augen den Raum nach Dylan ab, bemerkten nebenbei aber auch noch die leicht bekleideten Mädchen, die sich dazwischen gemischt hatten.

„Ey Kleine! Was machst du da?" rief ein Braunhaariger aufgebracht, der sich mit einem Mädchen auf dem Schoss auf die kleine Couch gequetscht hatte.

Ich beachtete ihn jedoch nicht weiter, da ich neben ihm auf dem Sofa Dylan ausmachte, welcher mich überrascht betrachtete. Zielstrebig kam ich auf ihn zu, während er unbewusst immer weiter wegrückte. Grimmig griff ich an seinen Kragen von dem schwarzen Shirt, das er trug und schleifte ihn so aus der Wohnung. Hinter uns grölten die zugedröhnten Partygäste, doch das war mir mehr als egal. Ich schleppte ihn die Treppen runter, nach draußen, wo ich in wenigstens in Ruhe zur Rede stellen konnte. Auch wenn ich wahrscheinlich diejenige war, die als einzige redete.

Als wir vor dem Haus standen, ließ ich von ihm ab und stellte mich gegenüber von ihm. Wahrscheinlich sah das Ganze aus anderer Perspektive betrachtet lächerlich aus, da ich fast einen ganzen Kopf kleiner war als er. Abwartend verschränkte er die Arme vor seiner Brust und blickte auf mich herunter. Ab diesem Moment wünschte ich, ich hätte mir wenigstens vorher einen Plan gemacht, was ich ihm überhaupt sagen wollte, denn nun wusste ich so gut wie gar nichts mehr. Verzweifelt versuchte ich meine Gedanken zu sortieren.

„Wozu hast du mich jetzt hier her geschleift?" Seine Stimme war ohne jegliche Emotionen, sorgte aber trotzdem dafür, dass sich eine Gänsehaut über meine Arme zog.

„Ich wollte dich fragen, was das mit dem Zettel sollte" Dylan zog eine Augenbraue hoch. Super, jetzt hielt er mich für dämlich.

Mit etwas Nachdruck in der Stimme fuhr ich fort „Ich meine, du kannst doch nicht einfach in meinen Kurs kommen-„

„Der übrigens auch mein Kurs ist" unterbrach er mich besserwisserisch.

Ich ignorierte ihn „und mir diesen Scheiß in die Hand drücken. Ich hab dich verdammt nochmal bei mir schlafen lassen, obwohl du für mich ein Fremder bist. Ich habe einen Fremden bei mir übernachten lassen! Du hättest dich wenigstens dafür bedanken können und mir nicht noch drohen. Für wen hältst du dich eigentlich?" Zum Schluss hin wurde meine Stimme immer lauter.

„Erstens, habe ich mich bei dir bedankt. Zweitens, ich habe lediglich darum gebeten, dass du es nicht gleich in die Weltgeschichte hinaus schreist." Verteidigte er sich unbeeindruckt.

Dieser dreiste Typ. „DARUM GEBETEN? ICH GLAUB ES HACKT BEI DIR!" keifte ich ihn an, was ihm nur ein schiefes Grinsen hervor lockte.

„Hör zu, verrat es niemanden, dann bekommst du auch keine Probleme mit mir." Sagte er und setzte zum Gehen an. Da ich nicht zulassen konnte, dass er sich wieder mal einfach so aus dem Staub macht, griff ich nach seinem Arm.



JUST ONE TOUCH x Dylan O'BrienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt