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Nur noch 3 Kapitel. Geht es euch wie mir?

I can barely breathe, so don't give me another reason to stop.
- Hedonist Poet

Since I met you, I've felt abandoned without your nearness; your nearness is all I ever dream of, the only thing.
- Franz Kafka
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Ich frage mich oft, was ins den Köpfen meiner Mitmenschen vorgeht. Manchmal wünsche ich mir, dass ich Gedanken lesen könnte, um denen zu helfen die nicht reden. Aber wenn ich Gedanken lesen könnte, dann würde ich Dinge erfahren, die eigentlich gar nicht für meine Ohren bestimmt waren. Dinge, von denen ich nicht mal etwas geahnt habe. Es hat doch einen bestimmten Grund, dass es uns verwehrt geblieben ist, in die Gedanken eines anderen zuschauen. Vielleicht hätte man vielen Menschen helfen können, aber was wäre wenn noch mehr Menschen schaden genommen hätten? Ich meine manche Dinge dürfen nicht laut ausgesprochen werden. Der beste Freund des Bräutigams liebt die Braut, er darf es ihr niemals sagen, doch wenn jeder seine Gedanken kennen würde, dann würden Herzen gebrochen werden. Manchmal ist es besser, nichts zu wissen, anstatt die ganze zerstörerische Wahrheit.

Schweigen brach über uns herein. Keiner traute sich etwas zu sagen, obwohl doch eigentlich so viel zwischen uns stand. Rein theoretisch hätten wir stunden- wenn nichts sogar tagelang erzählen können, doch keiner brach das Schweigen. Wir wussten einfach nicht wie wir auf unser Gegenüber reagieren sollen. Wie denn auch? Ich sah in zum ersten mal wirklich und nicht auf Bildern und er sah mich vielleicht auch zu ersten mal seit Jahren. "Ich denke es wäre besser, wenn du zuerst anfängst.", ich zuckte beim Klang meiner eigenen Stimme zusammen. Ich hatte nicht realisiert das ich sprechen wollte, bevor ich es dann letzten Endes tat. Scott räusperte sich verlegen und fuhr sich einmal durch die Haare, eine Angewohnheit die ich wohl von ihm geerbt habe. "Ich weiß gar nicht- Ich denke du weißt wer ich bin?", seine Stimme war rauer als vorhin, aber dennoch angenehm. Das einzige was ich erwiderte, war ein leichtes Nicken. "Ok. Ich weiß, dass das alles für dich jetzt ganz plötzlich kommt, aber ich konnte einfach nicht mehr warten dich kenne zu lernen. Dein Vater- hm also Christian er dachte es ist besser, wenn ich dich erstmal nicht kennen lerne, also solange du- solange es dir noch schlecht geht.", Scott hielt inne. Das was er bis jetzt von sich gegen hatte, war mehr ein Stottern als ein vernünftiger Satz, aber was wollte ich schon verlangen. "Es tut mir alles so unglaublich Leid das musst du mir glauben Hennah. Ich wollte euch wirklich nie alleine lassen, aber ich wäre nie ein guter Vater geworden. Euch ging es so viel besser.", Tränen hatten sich in seinen Augen gebildet und er fummelte nervös an seinem T-Shirt. Es tat mir weh ihn so zu sehen. Eine vereinzelte Träne rann seine Wange hinab bevor er seine Schultern straffte und mir wieder in die Augen sah. "Kann ich dich etwas fragen?", ich sah ihn unsicher an. Vielleicht würde er mich wieder rauswerfen, weil ich nicht gut genug für ihn war. Hennah, du wirst für niemanden je gut genug sein, vielleicht solltest du wieder abnehmen, du bist fett geworden. Ich schloss meine Augen, sie sollte still sein, ich konnte sie jetzt keines Wegs gebrauchen. "Mein Gott ja, alles was du willst.", ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. Allmählich entspannten wir uns beide und setzten uns in eine bequeme Position. Scott beugte sich leicht zu mir rüber und ich lehnte mich an die Couch und dachte über meine Fragen nach.

"Wie alt bist du? Was arbeitest du? Hast du eine Familie, wenn ja hast du jetzt noch andere Kinder? Was isst du am liebsten, welche Musik hörst du gerne?", ich ratterte meine Fragen schnell runter, aus Angst ich könnte die Hälfte vergessen, wenn ich zu lange überlege. Scott fing herzhaft an zu lachen und klopfte mit seiner Hand auf sein Bein. "Hen, also das schnelle reden hat du aufjedenfall von deiner Mutter. Also ich bin 45- ziemlich alt, wenn man bedenkt das du erst 16 bist. Ich bin Lehrer an einem Gymnasium und ja ich habe eine Frau und zwei Kinder.", interessiert blickte ich ihn an und sah ihn auffordernd an. Wahrscheinlich hatte er damit gerechnet, dass ich ausrasten würde, doch nichts der gleichen geschah. Was dachte er, was ich dachte? Dass er sich nicht versucht hat, ein neues Leben auf zubauen. Ich denke, dass es verständlich ist und ich nehme es ihm auch überhaupt nicht übel. "Ich habe noch einen Sohn und eine Tochter. Mein Sohn- Paul- ist 9 und ein richtiger Wirbelwind und meine kleine Tochter- Phoebe- ist 3 und ganz genauso wie du es damals warst. Sie erinnert mich immer wieder ein kleines bisschen an dich.", während er über seine Familie sprach schlich sich ein verräterisches Funkeln in seine Augen. Das Funkeln hatte man, wenn man von etwas sprach, dass man wirklich gerne hatte. "Du warst doch schon kurz vor meiner Geburt weg, wie kannst du wissen wie ich mit drei Jahren war?", misstrauisch sah ich an und wartet gespannt auf seine Antwort. Ich ahnte was er mir nun zu sagen versuchte, doch glauben konnte ich es noch nicht ganz. "Ich habe dich bis du ungefähr 5 warst immer wieder besucht, aber der Kontakt ist irgendwann abgebrochen.", ein entschuldigender Ausdruck schlich sich in sein Gesicht und ich seufzte einmal laut. Wie viel hatten meine Eltern mir noch verschwiegen. "Ich weiß du rechnest mit anderen Reaktionen, aber ich bin nicht sauer. Ich hatte eine gute Kindheit. Ich wurde geliebt und ich habe geliebt, auch wenn Mum uns verlassen hat. Mein Dad hat mich immer abgöttisch geliebt. Du hattest deine Gründe zu gehen, genauso wie sie Mum hat und ich weiß das es nichts bringt wütend zu werden. Das was damals geschehen ist, kann ich nicht mehr ändern und das will ich auch gar nicht. Wir haben alle unser eigenes Leben weiter gelebt und dafür mache ich dir sicherlich keine Vorwürfe.", verwirrt zieht er eine Augenbraue hoch und mustert mich skeptisch. Ich weiß nicht, was er erwartet hat, doch anscheinend etwas ganz anderes, als das was ich ihm jetzt biete. Zwei starke Arme schlossen sich um meinen Körper, "Ich bin so stolz auf dich. Du bist so erwachsen Hennah, ich kann gar nicht glauben das mein kleines Mädchen schon so vernünftig ist.", ich lachte leise, ehe ich seine Umarmung erwiderte.

Und es wurde eine lange Nacht, in der wir lachten, als würden wir uns ewig kennen, was teilweise sogar zutraf. Ich hasste den Mann vor mir in keiner Weise, ich war froh das er wieder bei mir war und das ich mit ihm lachen, reden und leben konnte. Und ich wusste das es an der Zeit war mich meiner Mutter, meinem Vater aber vor allem auch Tyler zu stellen.

The Way of Life (Anorexia Nervosa)✔️Where stories live. Discover now