Über Hass

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Ich spielte oft mit dem Gedanken Evelyns Nummer zu wählen und Deans Ratschlag nach zu gehen.

Einfach zu streiten, darüber, wie scheiße ich es fand, dass sie einfach abgehauen war.

Denn im Gegensatz zu damals, als sie aus England geflohen war, hatte ich ihre Kontaktdaten, ich wusste sogar wo Benny wohnte und wo das Haus ihrer Eltern stand. Ich wusste ganz genau wo sie war. Anders als ihre früheren Freunde, wobei Eve immer behauptet hatte, sie habe nicht sonderlich viele davon gehabt, konnte ich sie anrufen und mit ihr darüber streiten. Ich wollte mit ihr darüber streiten.

»Megan? Alles okay?«, fragte Mandy und legte den Kopf schief. Spike bewegte sich zwischen unseren Füßen und ich musste unwillkürlich lächeln, als ich daran dachte, wie Eve in dieser Situation durchdrehen würde.

»Ja, klar.«, seufzte ich und hob meine Tasse an um einen Schluck von dem Kaffee zu nehmen, den Dean mir gebracht hatte. Und obwohl ich seit Eves Kündigung in Judiths Café keinen Grund mehr hatte hier her zu kommen, kam ich trotzdem immer wieder. Ich kam her, um Aufsätze zu schreiben, in dicken Büchern aus der Staatsbibliothek zu lesen und einfach mit meiner Schwester Kaffee zu trinken.

Außerdem war es das Einzige Café in der Spike mit rein durfte, dafür hatte Eve in den ersten Wochen gesorgt, auch wenn ich ihr schwören musste, dass ich die Hündin, niemals zu einem unserer Treffen mitnehmen würde. Vermutlich hatte Judith es mir letztendlich erlaubt, weil sie gedacht hatte, dass ich den Hund niemals herbringen würde.

»Tante Wendys Geburtstag steht an und deiner auch.«, sprach Mandy weiter.

»So lange Mom nichts sagt, haben wir keinen Grund um nach Texas zu fliegen.«, erwiderte ich und sah meine Schwester skeptisch an. »Es ist doch unklar, ob Tante Wendy da sein wird.«

»Ich dachte eigentlich, ich könnte hinfahren. Ich nach Texas und du könntest nach England.«

Ich lachte auf ihren Vorschlag hin. »Ja, klar. Mandy, das ist eine ganz nette Idee, aber kaum durch zu setzen.«

Mandy lehnte sich zurück uns verschränkte die Arme vor der Brust. Manchmal erinnerte sie mich an ein trotziges Kind, obwohl sie Ende des Jahres noch zwanzig werden würde. Sie würde für immer meine kleine Schwester bleiben, auch wenn uns kaum drei Jahre voneinander trennten.

»Okay, Mandy, ich verziehe mich langsam, muss noch unbedingt Evelyn anrufen.« Meine Schwester schnaubte, doch ich ließ mich davon nicht beirren und lächelte stattdessen. »Es gibt einiges zu klären, tut mir leid. Soll ich den Hund mitnehmen?«

»Ne, lass nur. Ich spaziere nachher mit ihr zurück.«, behauptete sie und umarmte mich zum Abschied. Ich kraulte Spike ein letztes Mal hinter den Ohren, schulterte meine Tasche und verließ dann das Café. Auch wenn es mich in den Fingern juckte, Evelyn jetzt sofort anzurufen um ihr meine Meinung zu sagen, schämte ich mich dafür, mich mitten in der Öffentlichkeit mit meiner besten Freundin zu streiten.

Die noch dazu schwanger war und deren Freund in Amerika lebte, während sie ihre Zeit in England absaß. Jedenfalls hoffte ein Teil von mir, dass Evelyn wieder zurückkehren würde. Dass Fynn ebenso gut nach London ziehen könnte, verdrängte ich gekonnt.

So musste ich also die Zeit, die es dauerte um nach Hause zu fahren, ausharren und geduldig warten. In der Zeit legte ich mir bereits Argumente und Fragen zusammen, überlegte, was ich Eve vorwerfen konnte, ohne wie ein komplettes Arschloch da zu stehen. Das Arschloch war ihre Rolle und ich war nicht danach aus. Noch während ich mit einer Hand nach meinen Hausschlüsseln in meiner Tasche kramte, wählte ich mit meiner Linken Eves Nummer. Mein Daumen schwebte über dem Grünen Hörer.

Ich beschwerte mich nie, jedenfalls selten. Als Kind habe ich immer das getan, was meine Eltern auch immer verlangt hatten, ich war nett zu Mandy und teilte mein Spielzeug mit anderen Kindern. Obwohl mir Dinge oft nicht passten, fügte ich mich dem kommenden einfach und verschwendete meine kostbare Zeit und Energie nicht darauf, mich mit jemandem zu streiten.

Allerdings hatte Dean recht: So lange ich Evelyn nicht sagte, was mich so sehr störte, wäre ich dauernd wütend auf sie und würde irgendwann explodieren.

Entschlossen davon, mein Vorhaben durchzuziehen, rief ich sie an und schloss meine Wohnungstür auf. Evelyn ging ran, kaum dass ich meine Tür geschlossen hatte.

»Hey, Megan. Das kommt aber unerwartet.«, begrüßte sie mich. Sie klang beschissen. So richtig mies beschissen. Seit Fynn wieder zurück war, hatte ich noch nicht mit ihr telefoniert gehabt, doch ihm zu Folge, war es ein „tränenreicher" Rückflug. Jedenfalls habe Eve viel geheult, er war natürlich der harte Brocken, der nie auch nur eine Träne vergoss.

»Eve, wir müssen reden.«, platze ich heraus, bevor ich einen Rückzieher machen konnte.

Evelyn stöhnte am anderen Ende und schien sich aufzurichten. »Okay, was gibt's?« Sie sprach wieder britisches Englisch, genauso wie vor einem Jahr, als sie hergezogen kam.

»Wirst du wieder kommen?«, fragte ich vorsichtig. Ich hatte Angst davor, gleich eine gewaltige Bombe platzen zu lassen.

»Ich habe jedenfalls nicht vor Benny länger als nötig zur Last zu fallen oder auf meine Eltern angewiesen zu sein.«

»Aber es waren genau die Worte, mit denen du dich damals verzogen hast.«, entgegnete ich.

»Weil ich pleite bin, falls dir das noch nicht aufgefallen ist. Du kannst dir nicht vorstellen wie viel ich fresse und wie viel ein Kind kostet.«

»Du widersprichst dir wieder selbst!«, keifte ich sie an. Ihre Antworten brachten mich in Rage und ich wollte am liebsten schreien. Schreien und Sachen zerschmettern. Das war's dann mit „keine gewaltige Bombe platzen zu lassen". Da Eve nichts darauf sagte, sprach ich gleich weiter: »Du sagst, du willst nicht in England bleiben, doch dann wieder behauptest du, du seist pleite und könnest das Kind nicht großziehen!«

»Es gibt Dinge die man nun Mal tun muss, ich bin hier auf die Hilfe meiner Eltern angewiesen, du weißt ganz genau, wie wenig mir das passt.« Ihre Stimme war noch ruhig, doch ein bissiger Unterton schwang mit. Es tat gut, wieder ihren bissigen Tonfall zu hören.

»Du hättest zurück fliegen sollen.«, behauptete ich. »Fynn liebt dich, überhaupt hättest du niemals abhauen sollen.«


Couple in a roundabout wayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt