London, du fehltest mir

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»Steht Jackson jetzt immer so früh auf?«, fragte ich müde und band meine Haare zu einem Dutt zusammen. Einzelne Strähnen fielen daraus heraus, da ich mich noch immer nicht daran gewöhnt hatte, dass sie so kurz waren. Benny sah mir belustigt dabei zu wie ich den Zopf genervt wieder auflöste und mir den Pony stattdessen flocht. Irgendwie hatte ich es geschafft die blauen Strähnen mit der Flechtfrisur allesamt zu bändigen und mit einem guten Gefühl ließ ich mich auf den Barhocker gegenüber von Benny nieder.

   »Wusstest du, dass er an irgendeiner Universität arbeitet? Er ist wohl jetzt ein Forscher, allerdings möchte er in einigen Jahren als Professor fungieren.«

   »Der ist ja ein richtiger Streber.«, murmelte ich mit einem Lächeln. Ich war stolz auf Jackson, eine Zeitlang hatte ich geglaubt er würde ebenfalls im Gefängnis landen. »Und du?«

   »Ich?«

   »Siehst du hier noch jemanden anderen?«

   »Guter Einwand.« Einen Moment schwieg er. »Die Videothek am Ende der Straße.«

   »Da arbeitest du?«

   »Was sollte ich da sonst tun?«

   Ich verzog mein Gesicht zu einer Grimasse und streckte ihm die Zunge raus. »Guter Einwand.«

   Einen Moment schwiegen wir und aßen schweigend trockene Brötchen mit geräuchertem Fisch. Wie in alten Zeiten, einiges blieb wohl für immer.

   »Im wievielten Monat bist du?«

   Ich verschluckte mich an meinen Brötchen und grabschte, nach Luft ringend nach meinem Tee. »Zu weit um es abzutreiben und zu wenig um etwas zu sehen.« Ich hob mein Shirt etwas an und lehnte mich zurück, doch mein Bauch schien noch immer genauso auszusehen wie vor einiger Zeit.

   »Deine Brüder freuen sich jedenfalls gewaltig ihre Biester endlich zu haben.«, bemerkte Benny und sah wieder von meinem Körper weg. Ich rückte mein Shirt wieder zurecht und aß ebenfalls weiter. »Ich bezweifle, dass du große Probleme mit 'nem Kind haben könntest.«, murmelte er mit vollen Mund und ich lachte. Ein recht bitteres Lachen.

   »Ja, nur dass ich und der Vater des Kindes uns kaum selbst über Wasser halten konnte. Wir sind beide Studenten und seine Mutter könnte uns auch nie eine große Hilfe sein.«, erwiderte ich leise und nippte an dem Tee. Er schmeckte scheußlich, doch ich trank ihn tapfer weiter. »Es ist nicht seine Bürde, er soll sich die Träume erfüllen.«

   »Wow, du hast wohl doch ein Herz.«, neckte er mich und ich lächelte. Bis wie aufgegessen hatten, sagte keiner mehr etwas, doch während ich Benny half das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen, erläuterte er seinen Plan, den er speziell für mich angefertigt hatte. »In etwa einer Stunde sollte dein Bruder auftauchen, in der Zeit räumst du all deinen Kram wieder zusammen und schiebst deinen Koffer entweder in meinen Schrank oder unter mein Bett. Währenddessen mache ich das Bett, er würde mir nie abkaufen, dass ich es war, wenn du es erledigst; und du holst meinen Anzug vom Schneider ab, kaufst dir ein nettes Kleid, es sei denn du hast eins, dann holst du dir ein Buch und leihst uns einen Film für heute Abend aus.«

   »Du willst wirklich eine Schwangere auf so eine gefährliche Reise schicken?«, fragte ich mit ernster Miene und zog eine Augenbraue hoch.

   »Wir reden noch mal darüber, wenn du Hochschwanger mit einem Monster Bauch durch die Welt torkelst und meine Wohnung voll kotzt.«, erwiderte er grinsend.

   »Ich hoffe bis dahin bin ich bei meinen Eltern.«

   »Du solltest da nicht zurück.«

   »Ich kann aber nicht von Fynn verschwinden, weil ich keine Last sein will und dann dir um den Hals fallen und meine Schwangerschaft förmlich aufzwing – «

Couple in a roundabout wayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt