Kapitel 8

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September 2013, Hanna

Mein Praktikum ist wirklich behindert anstrengend. Die ganze Zeit darf ich irgendwelche Kabel und Leitungen von der einen Seite der  Lanxess Arena zur anderen bringen. Und diese ist wirklich nicht klein. Jeder normale Mensch hätte sich ein gechilltes Praktikum ausgesucht- aber natürlich nicht ich. Tontechnik. Wie kam ich überhaupt auf die Idee? Ich bin heute mindestens 15 km durch diese Halle gelaufen und das nur, weil ein paar Kids irgendwelchen YouTube Stars zujubeln wollen. Was ist bitte spannend daran, wildfremde Menschen beim Computer spielen oder schminken zu beobachten? Ich versteh den Hype wirklich nicht. "Hanna, kannst du mal bitte das Mikrofon hinter die Bühne bringen? Irgendwas stimmt damit nicht." Mein Chef lächelt mich freundlich an und drückt mir das Mikro in die Hand. Verzweifelt dreh ich mich um und mach mich auf den Weg hinter die Bühne, vorbei an den schweren Vorhängen die diese vor den Zuschauern verdeckt. Und ehe ich mich versehe laufe ich geradeaus in jemanden rein- props an meine Tollpatschigkeit. "Verdammt, kannst du nicht mal aufpassen?" schnauzt mich eine Jungen Stimme an. "Wie bitte? Das kannst du doch genauso. Schwachkopf." Ich schiebe mich an den Jungen und schaue demonstrativ auf den Boden. "Wenn man nicht gerade ausschaut, muss man sich nicht wundern". Oh, er war schlagfertig. Nicht schlecht. Vielleicht sollte ich doch mal einen Blick wagen. Mein Blick wanderte nach oben und um ehrlich zu sein habe ich mit viel gerechnet - aber nicht mit solchen Augen. Es war nicht die Farbe oder wie sie aussahen sondern das Leuchten was sein Lachen im Gesicht widerspiegelte. Mit schwacher Stimme sage ich schließlich " Wenn  man so groß ist, sollte man vielleicht ab und zu auch mal nach unten gucken." Sein Lächeln vertieft sich.

Peinlich. Ja, nach über einem Jahr finde ich mein Verhalten bei unseren ersten Treffen ziemlich peinlich. Halbherzig versuche ich Benni zuzuhören, welcher gerade von seiner Geburtstagfeier erzählt: "Du  kannst natürlich auch deinen Freund mitnehmen. Hmm, mal schauen ich finde 70 Leute sind zu wenig. Wie wärs noch mit deiner Schwester?"Geschockt gucke ich Benni an. "Du willst, dass ich meine kleine Schwester zu deiner Besauf-Party mitnehme? Kannst du vergessen, Schwachkopf." Schuldig hebt Benni seine Hände hoch. "Ich will doch nur für mich und meine besten Freunde einen mega nicen Abend planen. Ein bisschen saufen, ein bisschen die Sau rauslassen. Hanna, wenn du nicht kommst dann bin ich sehr sehr verletzt.  Wie soll mein Ego das nur verkraften?" Benni zieht einen übertriebenen Schmollmund und bringt mich damit zum Lachen. "Keine Sorge, ich werde da sein. Aber mein Freund nicht, der ist am Wochenende irgendwo in den Bergen. Ich kann ja noch jemanden anderen mitbringen oder?""Klar, solange die Person hundertprozentig trinkt und gerne Spaß hat." "Benni, ohne Witz, du bist der größte Schwachkopf denn ich kenne." Eigentlich habe ich mich am Wochenende mit Ardy verabredet, weil wir in Köln ein bisschen Longboard fahren wollten, aber gegen ein bisschen Party wird er  hoffentlich nichts haben. Nach diesen kurzen Gespräch kam mir die Schule langweiliger denn je vor. Zu wenig Schlaf und nur langweiliger Unterricht ist nicht gerade die perfekte Mischung für gute Laune. Mies gelaunt gehe ich also nach Hause und verpenn den ganzen Tag.

Am Abend schau ich mir noch kurz ein paar Vlogs an und telefoniere mit Vera. Zusammen gefasst kann mal also sagen, dass mein Leben momentan nicht gerade so spannend ist, was mich mit viel Neid auf meine "Youtube-Freunde" blicken lässt, da sie zu jeden Zeitpunkt reisen können. Ich beschließe Ardy wegen der Geburtstagfeier anzurufen, welche auch schon morgen ist. Wie erwartet hat er nichts dagegen. Ich bin mir unsicher ob ich Felix schon davon erzählen soll deswegen schiebe ich den Gedanken lieber schnell weg. Es kann ja sein, dass er mich nicht mit "seinen Freunden" (was ja auch irgendwie meine sind) feiern lassen will. Aber bei Felix und mir ging es immer nach dem Prinzip, dass ich ihm jegliche Freiheiten lasse und er mir meine. Unsere Beziehung basiert mehr auf Vertrauen als auf Kontrolle. Nach dem Telefonat fühle ich mich wieder so müde, dass ich direkt schlafen gehe. Trotzdem sind mir sieben Stunden Schlaf zu wenig und ohne meinen Kaffee am Morgen hätte man mich heute nicht aus dem Haus bekommen. Aber heute ist Bennis Party was auch gleichzeitig heißt, dass ich Ardy wiedersehe. Nicht das wir uns selten sehen, aber ohne die anderen Youtuber machen wir selten was zusammen. Glücklicherweise feiert Benni in einen sehr schönen Club im Köln, so dass ich theoretisch bei Felix übernachten kann. Er ist ja sowieso nicht da und von Simon kann ich mir den Schlüssel rauslegen lassen. Bei mir fällt heute  viel Unterricht aus, so dass ich nach der vierten Stunde nach Hause fahre und meine Sachen für den Geburtstag kaufe. Als Geschenk für Benni hab ich etwas Alkohol und ein Fotoalbum von uns. Den restlichen Tag räume ich endlich mal mein Zimmer auf und erledige ein paar Sachen für die Schule. Mittlerweile haben wir vier Uhr was bedeutet, dass ich echt los zum Zug muss. Ich verabschiede mich von Marie und sprinte wie immer aus dem Haus. Die Zugfahrt ist heute echt langweilig, denn all meine Freunde fahren erst eine Stunde später los. Richtig fertig machen tue ich mich aber erst bei Taddl und Ardy weshalb ich auch schon früher gefahren bin. Als ich bei den beiden ankomme  wird mir die Tür von Taddl geöffnet. Er zieht mich in eine lange Umarmung "Ich würde heute ja auch gerne mitkommen aber ich muss noch ein bisschen arbeiten. Pass mir auf Ardy auf und bring ihn nicht besoffen nach Hause haha." "Keine Sorge, er wird wieder unversehrt hier ankommen" ich lache Taddl an und gebe ihn einen Klaps auf die Schulter. Zwei Stunden später bin ich endlich fertig geschminkt und angezogen und Ardy war auch endlich aufgewacht. Eine weitere halbe Stunde später konnten wir ihn dann auch ansprechen. "Also Hanna, wer ist denn dieser Benni?" Ardy guckte mich forschend an. "Ein Freund von mir denn ich schon seit dem Kindergarten kenne. Er ist vielleicht ein bisschen ...impulsiv aber sonst möchte ich ihn echt nicht missen." "Alles klar, sollen wir dann los?" Ich nicke Ardy zu und zog mir meine Jacke an. Taddl verabschiedete sich noch mit einen Handschlag von uns und schon standen wir in der Kälte. Vergnügt harkt ich mich bei Ardy unter. "Ich freue mich, dass wir mal mehr oder weniger etwas zu zweit machen." Ardy mustert mich kurz von der Seite. "Ich mich auch Hanna, wirklich." Er grinst unsicher und wir gehen beide vor Kälte ein bisschen schneller. Als wir bei der Party ankommen, ist diese schon in vollen Gange. Ich erinnere mich schwach daran, dass Benni von 70 Leuten geredet hat. Weit gefehlt, es sind locker über 100. Nachdem wir dem Geburtstagkind gratuliert haben stellen wir uns beide an die Seite. "Willst du was trinken?" Ardy muss mir fast in das Ohr brüllen um die laute Musik zu übertönen. "Gerne, holst du etwas? Ich suche dann mal kurz nach Vera." Ardy streckt den Daumen nach oben und wir drängeln uns beide in das Getümmel. Vera steht natürlich genau in der Mitte der Tanzfläche. Ein bisschen angetrunken fällt sie mir um den Hals "Du hast ja den Arrrrrrrrdy mitgebracht, den lannst du mir auch gern vorstellen", lallt sie mir ins Ohr und gibt mir ein Kuss auf die Wange. Ich sehe Ardy schon mit den Getränken warten und wechsel nur noch schnell ein paar Worte mit Vera bevor ich mich wieder auf den Weg zu Ardy mache. "Hanna, die haben hier nichts ohne Alkohol" sagt Ardy kopfschüttelnd. Traurig sieht er deswegen aber nicht aus. Ich zucke kurz mit den Schultern und nehme dankend das Getränk an.

Ardy sollte recht behalten, Benni hat wirklich nur Alkohol gekauft. Nach zwei Stunden bin ich wirklich schon gut dabei und sehe alles nicht mehr ganz so klar. Schwer atmend verlasse ich die Tanzfläche auf der ich mich die letzte halbe Stunde aufgehalten habe. Mein Blick sucht nach Ardy, denn dieser hat sich vorhin irgendwo mit Vera am Rand unterhalten. Glücklicherweise finde ich ihn schon schnell. "Ardy, ichh has dik wirklich vermisst." Ich umarme ihn fest und versuche ihn mit auf die Tanzfläche zu ziehen. Dieser zieht mich jedoch an der Hüfte zurück und so stehe ich ihn direkt gegenüber und mein Gesicht ist vier cm von seinen entfernt. Anstatt zurück zuweichen fange ich an zu lachen. "Ardllyy, deine Augren sint schööeen." Ardy schüttelt einmal kurz den Kopf "Komm Hanna, wir gehen mal was an die frische Luft. Du laberst nur Schwachsinn." Auf den Weg hinaus beschimpfe ich ihn leise, ich würde nie, niemals Schwachsinn reden. Draußen angekommen versuche ich mich wieder an Ardy zu kuscheln denn es ist wirklich kalt. Gut, ohne Alkohol würde ich das wahrscheinlich nicht machen aber das ist mir momentan ziemlich egal. Ardy verkrampft sich und geht ein paar Meter weg. "Was ist los Ardy?". "Nur weil du etwas getrunken hast, sollte ich die Situation hier nicht ausnutzen. Hmm, das war seltsam ausgedrückt. "Denkst du etwa weil Felix etwas dagegen hat wenn ich dich umarme?" Ardy hatte recht, die frische Luft lässt meinen Kopf wirklich etwas klarer werden. Er reißt seine Augen auf und kommt wieder auf mich zu. Kurz vor mir bleibt er stehen und guckt mir in die Augen. "Muss denn immer alles mit Felix zutun haben? Felix hier und Felix da. Nein Hanna, denk mal ein bisschen nach." Er kommt noch ein Schritt näher und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht. Ardy dreht sich um und lässt mich alleine draußen stehen.






There is no one like you | Dner | Felix von der Laden |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt