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Ich spürte mit geschlossenen Augen einen hellen Blitz, der weniger als eine Sekunde dauerte. Ich war so vertieft in die Musik gewesen, dass ich um mich herum kaum mehr etwas wahrnahm. Es war fast wie eine Art Gefängnis, nur in schön. Allmählich wurde mir sogar klar warum ich nach ihrem Tod nicht mehr spielen konnte, die seelischen Wunden waren zu tief. Ich hatte zwar nie gespürt, dass sie langsam heilten, doch dies schien die einzige Erklärung zu sein. Doch warum ausgerechnet ich oder sie? Warum kein böser Mensch, der ohne Grund andere umbrachte? Das konnte ich nie verstehen. Warum mussten Gute gehen und Böse bleiben?

Ich zupfte ganz leicht an den Saiten, als ich den Refrain zum letzten Mal spielte. Wer war ich, der es sich erlaubte zu entscheiden, wer gut und wer böse war? Immerhin war doch jeder Mensch irgendwo böse, oder nicht? Man nannte uns nicht umsonst die Marionette des Teufels, da wir egoistisch und dumm sein konnten. Als ich meine Augen öffnete, erblickte ich Tyler, der gerade seine Kamera zurücksteckte, daher kam wohl der Blitz. Ich ließ meinen Blick weiter zu Will schweifen, der mir ein fröhliches Lächeln zeigte, doch er war nicht der Grund, der mich zum Grinsen brachte, denn es war Dad. Er stand die ganze Zeit neben dem Pavillon. Ich hatte ihn total vergessen wenn ich ehrlich war, doch sein stolzer Blick ließ mein Herz höher schlagen, es war genau wie früher.

Ich tippte mit den Fingerspitzen den Takt des Liedes, welches im Radio lief, auf dem Lenkrad nach. Suizid, mein Käfer, lebte wieder. Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung mehr was genau ihr gefehlt hatte, doch ich glaubte, dass es etwas mit dem Motor gewesen war. Als ich, wie auch schon am Donnerstag neben Ashley parkte, stand diese schon mit einer ihrer tausend Freundinnen vor ihrem Auto und sah mich mit zu Schlitzen verformten Augen an. Ich ließ meinen Kopf in die Lehne sinken, während ich den Motor ausschaltete. Was war denn nun schon wieder?

Dabei hatte mein Morgen doch eigentlich so gut angefangen. Mom und ich hatten uns zuletzt vor Monaten so gut beim Frühstück unterhalten. Ich wusste nicht wie, aber irgendwie tat mir Bristol wohl doch ganz gut. Es schien jedenfalls alles langsam aber sicher besser zu werden, jedenfalls was mein Leben anbelangte. Ich war erst gestern auf den Dachboden gegangen und fand meine alte Gitarre mit dem Notenheft in einen der vielen Umzugskisten versteckt. Ich war sofort nach unten gerannt und hatte es nach ungefähr einer Stunde wieder im Kopf, ich ließ dabei jedoch Lucys Lieblingslieder aus, es war noch nicht an der Zeit.

»Hey, tut mir leid, ich musste echt nach Hause, ich wollte dich nicht mit Tyler stören.«, quälte ich mir eine falsche Entschuldigung ab, wobei sie misstrauisch ihre Arme vor der Brust kreuzte.

»Glaubst du wirklich ich hätte das nicht gesehen?«, fuhr sie mich an. Ich zog meine Braue hoch. Was hatte sie denn? Ich war zwar abgehauen, als sie meinte sich an Tyler ranmachen zu müssen, doch das konnte man nicht als schlimm betrachten. Außerdem konnte ich ja auch nichts dafür, wenn er nicht mit ihr reden wollte. Ich sah hinüber zu ihrer Freundin, die mich ebenso anfunkelte wie auch sie. Wie war ihr Name noch gleich? Ich hatte ihn vergessen. Wäre Lucy hier, würden wir Ashley und ihre Freundin wohl Tussy eins und Tussy zwei nennen, besonders nach der Party. Ich vermisste es wirklich mit ihr sprechen zu können.

»Wovon redest du?«, fragte ich, wobei ich die Stirn in Falten legte. Sie schnaubte nur verächtlich auf.

»Von dir und Tyler. Hat es wenigstens Spaß gemacht mich zu verarschen? Ich hoffe, dass du wenigstens bei ihm gelandet bist.«, zischte sie mich teuflisch an. War sie nun vollkommen durchgedreht? Sie musste doch total übergeschnappt sein, um mich dafür verantwortlich zu machen, dass er nichts von ihr wollte. Was dachte sie außerdem von mir? Ich wusste genau was Mädchen wie sie mit landen meinten, das hatte ich noch auf der alten Schule gelernt.

»Was redest du da? Er ist mir gefolgt, wir mussten gehen, weil Nathan Ned-«

»Schön, dass du das ansprichst. Das ist doch bitter, Nathan hat Ned nicht verfolgt, das Opfer hat nur Einbildungen, weil ihm seine Mutter damals wohl ins Hirn geschissen hat, bevor man ihn rausgeholt hat.« Meine Hände ballten sich sofort zu Fäusten. Wie konnte sie sich das nur wagen? Sie hatte doch absolut keine Ahnung, wie es war so aufzuwachsen. Sie konnte froh sein, dass Tyler es nicht gehört hatte. Aber wie konnte ein einziger Mensch nur so ignorant sein? Nicht jeder wurde reich geboren, wie konnte sie das bloß vergessen?

Die Stille nach dirWhere stories live. Discover now