Im Leben gab es Höhen und Tiefen, es war also an uns sie zu meistern. Die Ironie daran? Gerade ich hatte mir diesen Spruch ausgedacht, aber das war lange vor dem Unfall gewesen, nämlich als Lucys Hund gestorben war. Ich war natürlich ebenfalls traurig gewesen, wir waren noch Kinder und hatten Taby, wie sie die Hündin genannt hatte, sogar bei ihr im Garten beerdigt. Ich erinnerte mich noch genau an unsere Grabreden, die wir auf die Schnelle geschrieben hatten. Sie waren nicht lang, aber allemal besser als die Rede, die ich für Lucy gehalten hatte. Man stellte es sich immer so leicht vor etwas über einen geliebten Menschen zu schreiben, dabei war es schwerer als an einem Tag Profiturnerin zu werden.

Ich schleppte mich müde in den Klassenraum und ließ mich auf meinen neuen Platz fallen. Da es den Mrs. Abbington anscheinend so gut gefallen hatte Ashley allein sitzen zu lassen, musste ich nun neben dem Monster sitzen, welches man Tyler nannte. Vielleicht war es auch ganz gut, immerhin sprachen wir nur das Nötigste und ignorierten uns den Rest der Zeit. Vielleicht waren wir doch gar nicht so verschieden, obwohl ich nie so mit meiner Schwester umgehen würde wie er mit Ned. Ich wusste, dass etwas nicht mit ihm stimmte, deswegen sah ich es irgendwie als mein neues Ziel zu erfahren was genau es war.

»Guten Morgen, ich hoffe-«

»Spar dir das.«, unterbrach Tyler mich. Er dachte anscheinend gar nicht daran es mir leicht zu machen. Vielleicht sollte ich versuchen das Gespräch etwas aufzulockern, doch wie? Immerhin sah er nicht so aus als ob er sich gern mit mir unterhalten würde. Ich ließ meinen Blick durch die Klasse schweifen, um ein geeignetes Thema zu finden, doch da fiel mir Ashleys energischer Blick auf. Die Party am Freitag! Ich wollte zwar selbst nicht hin, aber vielleicht würde er sich ja auf ein Gespräch einlassen.

»Bevor ich es vergesse, Ashley hatte mich gestern gebeten dich auf ihre Party am Freitag einzuladen.«, meinte ich schnell. Er lachte trocken, man musste kein Sherlock sein, um zu wissen dass er wahrscheinlich genauso wenig Lust darauf hatte wie ich.

»Ich wusste nicht, dass ihr Freunde seid. Sagt ihr auch schon ABF zueinander?«

»Nein!«, platzte es ohne weiteres aus mir heraus. Verdammt, das konnte nicht wahr sein... Er wusste es nicht. Ich hatte überreagiert. Vielleicht hätte ich es auf die leichte Schulter nehmen sollen, doch das konnte ich einfach nicht.

»Da wird sie bestimmt ziemlich enttäuscht sein, wenn du so überzeugt bist.« Meine Zähne malten aufeinander, kapierte er denn gar nichts? Allein der Ausdruck ABF, wir waren keine zwölf mehr. Es zerstörte eigentlich alles. Ich konnte so etwas noch nie ernst nehmen.

»Wir sollten langsam etwas für den Vortrag tun.«, wechselte ich abrupt das Thema.

»Natürlich, dann gehen wir heute nach der Schule zu mir.«, bestimmte er. Ich in seinem Haus? Warum musste ich gerade nur an jeden schlechten Horrorfilm denken, den ich jemals gesehen hatte? Vielleicht hatte er in seinem Keller einen Brunnen und eine weiße Kampfameise von Hund.

»Gut wir fahren, aber warte vor der Schule.«, sagte ich schnell, da Mrs. Abbington auch schon den Klassenraum betrat. Ich ging sofort wieder etwas auf Abstand und malte etwas auf meinem Block herum. Vielleicht hatte Dr. Grayson doch irgendwo recht, irgendwie musste ich wieder so werden wie früher und alles was passiert war vergessen.

Ich dachte ich hätte mich verhört, als Lucys Vater den Satz, der alles veränderte, ausgesprochen hatte, aber als ich spürte wie meine Mutter mir über den Rücken strich, wusste ich dass es Wunschdenken war. Es fühlte sich so an als würde die gesamte Welt innerhalb einer einzigen Sekunde über mich zusammenbrechen. Es reichte eine Sekunde, um aus jemanden einen komplett anderen Menschen zu verwandeln und das war sie, die eine Sekunde.

»Warum?«, hörte ich meine eigene zitternder Stimme sprechen. Sie hörte sich nicht nach mir an, eher wie die eines Kindes als ob sie jeder brechen könnte. In meinen Augen füllten sich die Tränen und in meinem Kopf sammelten sich die Fragen an. Fragen nach dem Wieso, Weshalb, Warum... War es meine Schuld? Hätte ich sie gestern nicht verlassen, hätte sie es vielleicht nicht getan. Warum hatte ich nicht gemerkt was mit ihr los gewesen war?

Die Stille nach dirWhere stories live. Discover now