*Kapitel 9-Three Times*

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Ein normaler Montagmorgen. Mandy und Jade sind endlich wieder in der Schule. Ich sitze wieder bei ihnen. In Geschichte wundern sich die beiden ein wenig, als ich mich wie selbstverständlich neben Luke setzte, doch sie setzen sich, ohne nach zu fragen, neben mich. Im Unterricht werde ich immer wieder von Luke abgelenkt, doch es macht mir nichts aus. Wir reden über alles mögliche, wir können uns alles erzählen. In der Pause stellen Mandy, Jade und ich uns zu Jonas, Mike und Luke. Die beiden scheinen sich gut mit den Jungs zu verstehen und so ist der Schultag eigentlich ganz in Ordnung. Eigentlich. In der letzten Stunde musste es natürlich passieren. Wir haben eine Freistunde, dürfen aber noch nicht nach Hause gehen und so sitzen wir alle in der Klasse rum. Jade, Mandy und ich sitzen bei Luke und seinen Freunden, als ich plötzlich Nico's Stimme höre. Er redet leise, doch es ist nicht leise genug. "Habt ihr euch mal Scarlet angeguckt? Sie sieht aus, wie ein Kindergartenkind!" und alle seine Freunde lachen. "Es tut schon fast weh sie anzugucken!", fährt er fort. Genug ist genug. Rasch stehe ich auf, wobei mein Stuhl nach hinten kippt. "Scar?", Jade guckt mich verwirrt an, doch ich antworte ihr nicht, sondern verlasse rennend den Klassenraum. Nachdem ich das Gebäude verlassen habe, renne ich zu einem Baum in der Nähe und lehne mich an ihn. Und schon verlassen die ersten Tränen meine Augen. Ich lege mir eine Hand vor den Mund, um mein Schluchzen zu dämpfen. "Scar?", höre ich plötzlich Luke's Stimme. Zuerst dachte ich, ich hätte sie mir eingebildet, doch dann gucke ich hoch und er steht wirklich vor mir. Immer mehr Tränen verlassen meine Augen, schluchzend schließe ich meine Augen. "Hey, wein nicht. Bitte."

Plötzlich spüre ich Luke's Hände an meinen Schultern. Augenblicklich verstumme ich und sehe zu ihm hoch. Er steht mir ganz nah. "Ich habe gehört, was er gesagt hat." Beschämt senke ich meinen Kopf, doch Luke's Hand umfasst mein Kinn und drückt es sanft nach oben. "BItte glaub nicht, was er gesagt hat.", sagt er leise und nimmt mich auf einmal fest in den Arm. Zuerst bin ich etwas steif, doch dann schließe ich meine Arme um seinen Rücken und lege meinen Kopf auf seiner Brust ab. Seine Hand legt sich sanft auf meinem Kopf ab und sofort fühle ich mich von ihm beschützt. Ich weiß nicht, wie lange wir dort so stehen, doch nach einer Zeit setzen wir uns ins Gras. Es liegt nur noch wenig Schnee und der Boden ist kalt, doch das ist uns egal. Wir lehnen uns an den Baum an und starren einfach nur vor uns hin. "Luke?", hauche ich irgendwann. Meine Stimme ist kratzig. Ich spüre seinen Blick auf mir. "Wieso bist du hier?", frage ich, ohne ihn anzugucken. Ein paar Sekunden ist es still, dann antwortet er mir endlich. "Keine Ahnung, du hast mir leid getan. Und ich wollte dir sagen, dass das was Nico gesagt hat, nicht stimmt." "Danke.", nun sehe ich ihn auch an und verziehe meine Lippen zu einem Lächeln. Wir sitzen uns sehr nah, das fällt mir erst jetzt auf und so erstarre ich, als ich realisiere, wie nah sein Gesicht meinem ist. Langsam beugt Luke sich vor, sein Blick rutscht auf meine Lippen. Ich starre ihn einfach nur an, unfähig mich zu bewegen. Unsere Lippen trennen nur noch wenige Millimeter. Ich starre ihn immer noch mit großen Augen an. Plötzlich räuspert er sich und springt auf. "Wir sollten rein gehen, es ist kalt.", dann schiebt er seine Hände in seine Jackentaschen und geht aufs Gebäude zu. Etwas verdattert rappel ich mich auf und folge ihm. Was war das denn bitte grade?

Den Rest der Freistunde ignorieren Luke und ich uns komplett. Die Stimmung ist komisch und so ziemlich gekippt. Jade und Mandy versuchen mich immer wieder zu Gesprächen zu animieren, doch ich blocke die ganze Zeit ab. Als ich wenig später wieder nach Hause komme, wartet meine Mutter in der Küche auf mich. "Wie war dein Schultag?", fragt sie mich lächelnd und schiebt mir einen Teller Suppe hin. Ich beginne langsam die heiße Suppe zu löffeln, es tut so gut. "Beschissen. So wie alles im Moment.", antworte ich grummelnd. Ihr Blick wird überrascht. "Was ist denn noch beschissen?", fragt sie besorgt. "Deine Schwangerschaft, Jungs, einfach alles!", meckere ich und springe auf. "Scarlet!", ruft Mum mir hinterher, als ich bereits auf der Treppe bin. "Lass mich in Ruhe!", brülle ich zurück, stürme ins Badezimmer und lasse mich auf den beheizten Fliesenboden fallen. Nico hat wahrscheinlich recht, ich bin hässlich und ein Kindergartenkind. Ohne groß nachzudenken, schnappe ich mir meinen Rasierer, und setzte ihn auf meiner Haut an. Ich nehme die Klinge nicht vorher heraus, das würde mir zu lange dauern. Drei schmerzvolle Schnitte schenke ich  mir selbst. Einen für die Schwangerschaft meiner Mutter, einen für Nico und einen für meine Unausstehlichkeit. Dreimal zucke ich vor Schmerz zusammen. Grinsend betrache ich mein Werk, ich bin stolz darauf. Ihr braucht mich nicht zu verletzen, dass kann ich selbst gut, ich brauche euch alle nicht. Ich brauche nur mich.

KnochentrockenWhere stories live. Discover now