Für diesen dummen Kommentar hätte ich ihm am liebsten den Kopf abgerissen.
"Nicht meine Sicht trüben? Ich liege im Krankenhaus, bin vollgepumpt mit Schmerzmitteln, meine Sicht ist so getrübt, ich bin überrascht dass ich überhaupt noch etwas sehen kann!"
Widerspenstig hatte Dyan unsere Finger verhakt und wie sehr ich auch an ihnen riss, er lies nicht los.

"Ja aber du bist auch immer noch Tessa Anderson, die so dämlichen Idioten wie mir hilft obwohl sie es nicht verdient hätten. Hilf jetzt deinem Vater und betrachte das ganze mal aus einer anderen Warte."
Meine Gegenwehr erstarb, während die Tränen in meinen Augen brannten.

"Ich kann ihm nicht helfen. Ich kann nicht mal an sein Gesicht denken, ohne dass mir übel wird.
Ich will einfach nur abschließen."
Dyan hob unsere verschränkten Hände an mein Gesicht und strich vorsichtig mit einem Finger meine Kieferlinie entlang.
Doch schließlich war es seine Mutter die weitersprach.
"Das kannst du auch. Deine Stiefmutter hat mit dem Entzug auf den Druck reagiert, den die gesamte Bürgerschaft auf sie ausübt. Sie stehen auf deiner Seite. Lass die sich um deine Eltern kümmern, sie werden in die richtige Richtung gedrängt werden ohne sich auch nur wehren zu können.
Diese Zeitungsberichte und Klatschgeschichten geben dir Zeit dich zu erholen. Keiner erwartet etwas von dir."

Ich saß ganz ruhig da. Vielleicht hätte man von außen denken können, ich würde mir das alles durch den Kopf gehen lassen, aber in Wirklichkeit starrte ich nur in die Leere.
Ich musste nicht überlegen, um zu wissen, dass die beiden richtig lagen. Gerade WEIL ich das nicht musste, wusste ich, dass sie recht hatten. Es war alles ins Rollen gekommen, ich würde mich nur zurücklehnen müssen.

Unbehagen sammelte sich in meiner Brust und ließ mich nervös werden.
"Das konnte ich noch nie. Das hier ist mein Leben, mein Kampf. So lieb es auch von den Leuten gemeint ist, sie wissen nicht einmal um was es geht.
Das hier hat nichts mit "Geld und Macht " zu tun", aufgebracht deutete ich in Richtung der Schlagzeile. "Hier geht es einfach um einen zerbrochenen Mann! Ich muss mich darum kümmern, ich..."

"DU musst dich erholen. Dein Körper kann nicht mehr, er braucht eine Pause und so wie ich das sehe, sollte auch dein Kopf einmal entspannen.
Es wird sich alles regeln. Fürs erste gibt es nichts mehr, um das du doch sorgen musst. Dein Vater ist für niemanden mehr eine Gefahr. "
Zweifelnd zog ich die Augenbrauen zusammen und fuhr immer wieder mit meiner freien Hand ein unsichtbares Muster auf der Decke nach.
Natürlich bekam Mrs. Lawyer mit, dass ich ihr mal wieder nicht glaubte und seufzte resigniert. Hilfesuchend blickte sie zu ihrem Sohn.

Dieser beugte sich zu mir herunter und gab mir einen Kuss auf den Scheitel, der mein Herz zum Klingen brachte. "Wir sind für dich da. Also sollte doch ein Problem auftauchen werden wir uns zusammen darum kümmern. Du bist nicht mehr alleine, akzeptiere es."
Eine so beruhigende Wirkung hatte nichts auf mich, außer Dyans Stimme. Wahrscheinlich könnte er mich sogar davon überzeugen, dass ich unter Wasser atmen konnte.

Mir viel es schwer, es einfach so hinzunehmen, dass ich für den Moment nichts zu tun hatte. Dass ich nicht mehr auf der Hut sein musste. Aber ich merkte selbst, welche Spuren der Stress hinterließ.
Langsam aber sicher begannen die Nahten unangenehm zu pochen und meinem Kopf gefiel es immer mehr, mich einfach an etwas zu Kuscheln, bevorzugter Weise eine warme, breite Burst, und sich einfach Sicher zu fühlen.

Unruhig nagte ich an meiner Unterlippe, nickte aber schließlich zögerlich und zauberte damit Mrs. Lawyer ein Lächeln auf die Lippen.
"Super, dann kommen wir zum nächsten Punkt.
Ich habe deine Mutter gekannt und ich sehe jetzt schon, dass du es hier kaum noch aushältst. Deswegen habe ich mit dem Arzt ausgehandelt, dass du in zwei Tagen entlassen wirst. "
Mir viel der Kiefer nach unten.
Nicht wirklich?! Ich hatte befürchtet hier noch Wochen festzusitzen, wie eine Laborratte im Käfig.
Ich suchte schon alle Floskeln in meinem Kopf zusammen, um meine Dankbarkeit auszudrücken, als Dyans Mutter die Hand hob und mir damit symbolisierte, dass ich mich nicht zu früh freuen sollte.
"Allerdings unter gewissen Bedingungen."
Mein Gesichtsausdruck sprach wohl Bände, was ich von Bedingungen hielt, denn sie beeilte sich weiterzusprechen.
"Dr. Havin hat darauf bestanden, dass du jemanden hast, der sich um dich kümmert ZUSÄTZLICH zu einem Pfleger oder Pflegerin, die sich mit deinen Medikamenten und Salben auskennt."
Na toll. Wie sollte ich das denn bitte hinbekommen?! Der Pfleger war ja noch das kleinere Problem, an Geld mangelte es mir ja immerhin nicht, aber eine weitere Person? So etwas wie Familie? Kathrin würde eher ihre Gucci Taschen verkaufen, als mir auch nur einen Tee zu bringen.
Finster starrte ich in die Luft.
"Also kurzgefasst ist dieser Deal für die Tonne. Wenn ich nicht jemanden anstellen will, der mir den Hintern auf der Toilette abwischt, kann ich auch gleich hier bleiben."
Der Vergleich war wohl etwas zu bildlich, nach der Grimasse, die Mrs. Lawyer schnitt. Dyan gluckste leise.
"Naja, nicht ganz. Du wirst zu uns ziehen."
Geschockt warf ich Dyan einen ungläubigen Blick zu.
"Wie bitte?"
Zärtlich lächelte mich der vermeintliche Badboy an.
"Wir werden dir vielleicht nicht den Hintern abwischen, aber du wirst immer jemanden um dich haben falls du Probleme hast und du musst dich um Verpflegung nicht mehr kümmern. Ariadne wird sich sicher freuen dich bekochen zu dürfen."
Ich blinzelte zweimal schnell hintereinander und konnte es immer noch nicht fassen.
"Nein... nein das ist zu viel. Ihr habt doch schon so viel für mich gemacht..."
Eine Hand legte sich über der Decke auf meinen Knöchel. "Du gehörst zur Familie Tessa. Für mich bist du wie eine zweite Tochter, die ich endlich einmal kennen lernen will."
Die Tränen kamen so schnell, dass ich sie nicht daran hindern konnte, über meine Wangen zu rollen. Mrs. Lawyer lächelte mich so liebevoll an, als wäre ich wirklich mit ihr verwandt und nicht nur eine kleine Schnorrerin, die ihre Großzügigkeit  ausnutzte.

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